Skip to main content

23.08.2019 | Agile Methoden | Schwerpunkt | Online-Artikel

Agiles Arbeiten ist kein Heilsbringer für Banken

verfasst von: Anja Kühner

3:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Agil Arbeiten wollen auch Banken. Doch in der Praxis muss sich die stark regulierte Finanzbranche großen Herausforderungen stellen. Können die fünf großen Thesen zur agilen Software-Entwicklungsmethodik auch hier halten, was sie versprechen?

Agile Methoden sollen Banken und Sparkassen schneller und kundenorientierter machen. "Wer sich derzeit in der Finanzbranche umhört, könnte meinen, die agile Transformation sei der Heilsbringer", sagt Philipp Kaupke. Der Director im Bereich Banking bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher begleitet seit zwei Jahren agile Transformationsprojekte bei einer Schweizer Großbank und spricht aus der Praxis, wenn er zusammenfasst: "Agil kann viel, aber nicht alles. Agil funktioniert nicht bei jeder Aufgabe und in jedem Umfeld." Kaupke hinterfragt daher die fünf größten Leitsätze der agilen Software-Entwicklungsmethodik mit kritischem Blick auf die Besonderheiten der Branche.

Empfehlung der Redaktion

2019 | OriginalPaper | Buchkapitel

Rollen und Kompetenzen

Agile Organisationen verlagern Entscheidungen dorthin, wo die meisten Informationen und Erfahrungen vorliegen: In die Teams, die für die konkrete Umsetzung verantwortlich sind.

These 1: Agile reduziert die Entwicklungszeit

Agil arbeitende Banken wie die ING und die DKB erscheinen von außen betrachtet schneller. Doch hier geht es nicht nur um die Bank selbst, sondern auch um ihre Dienstleister. "Je weniger Zulieferer und je weniger externe Abhängigkeiten, umso schneller geht es mit agilem Arbeiten voran", sagt Kaupke. Arbeiten die Zulieferer agil, kann auch die Bank durch diese Methode schneller werden.

In der Praxis sieht er bei Banken aber häufig hybride Projekte. "Da man einen Dienstleister nicht zu agilem Vorgehen zwingen kann, bringen kombinierte Methoden mehr Komplexität mit sich, die die Vorteile zunichte machen können", so der Agile-Experte. Insbesondere Management-Reportings seien dann schwerer zu erstellen. "In der Kommunikation brauchen externe Stakeholder eine klare Strategie und können mit 'die entwickelt sich gerade' nichts anfangen."

These 2: Agile führt zu effizienteren Teams

Auch diese Behauptung sieht Kaupke kritisch: Während die Mitarbeiter in jungen Start-ups intrinsisch motiviert seien, stelle sich bei größeren Einheiten trotz des Willens zum agilen Arbeiten meist Ernüchterung ein. "Oft gibt die externe IT den Anstoß zur agilen Transformation. Konflikte zwischen der hierarchischen Linienorganisation und den agil arbeitenden Projekten sind vorprogrammiert", so Kaupke.

In der Umsetzung fehlten konkrete Lösungen für Themen wie Erfolgsmessung und Vergütung. "Parallel müsste die etablierte Bank eine komplette agile Struktur aufbauen, wozu sie in der Regel externe Unterstützung braucht."

These 3: Agile generiert bessere Lösungen

Diesen Lehrsatz, der zudem eine höhere Kundenzufriedenheit verspricht, sieht der Experte ebenfalls nicht unkritisch: "Im agilen Grundverständnis ist wegen der vielen Rückkopplungen durch Nutzer die Lösung im Endeffekt sicher besser am Kunden ausgerichtet als bei Wasserfallprojekten." Ein Risiko seien aber sich schnell verändernde Produkte. Denn dann können die Schulungen für den Bankvertrieb nicht mithalten. Auch sei nicht erwiesen, ob die Lösungen immer besser seien.

These 4: Agile erhöht Transparenz und Planungssicherheit

Auch hier stimmt Kaupke nur bedingt zu. Durch Whiteboards, tägliche Kurz-Meetings und agile Projektsoftware ist der Stand des Projekts jederzeit einsehbar. "Im Wasserfall ist das Ergebnis anhand von Meilensteinen sichtbarer als die eigentliche Aufgabe – hier braucht es eine Operationalisierung der Aufgabe", weiß der Agile-Fachmann. "So wie ein Bergsteiger einen anderen Weg zum Gipfel wählen muss, wenn der ursprüngliche geplante aufgrund eines Erdrutsches nicht mehr begehbar sei, so suchten sich agile Teams andere Lösungswege und verpassen so zwar Meilensteine, sind aber weiterhin auf dem richtigen Weg."

Hier besteht laut Kaupke ein großes Risiko des Mikromanagements. Das Management verfalle schnell in den Gedanken, es müsse nun eingreifen. "Das ist dann meist das Ende des erfolgreichen agilen Arbeitens." Zumal der Weg bis zum ersten vorzeigbaren Basisprodukt (MVP = minimal viable product) aufgrund der regulatorischen Vorgaben im Finanzbereich oft schon 50 Prozent des Vorhabens sei. "Diese erste Hürde ist schwierig zu meistern, Enttäuschungen auf diesem Weg sind häufig", weiß Kaupke. "Da ist von Seiten des Managements viel Vertrauen ins Team erforderlich". Ist die anfängliche Enttäuschungskurve aber gemeistert, gehe agiles Arbeiten leichter von der Hand, denn "jedes weitere Inkrement geht viel schneller als bei Wasserfallprojekten".

These 5: Agil ist der klassischen Methodik immer überlegen

Philipp Kaupke kommt zum Schluss, dass auch das fünfte Versprechen nicht stimmt. "Je klarer die Umsetzungsidee, umso eher bietet sich die Wasserfallsystematik an." Je stärker die IT-Komponente, umso mehr spreche für die agile Methodik. Agiles Arbeiten sei für Banken kein Heilsbringer, denn "die daran geknüpften Erwartungen sind viel zu hoch".

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren