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15.03.2017 | Agile Methoden | Schwerpunkt | Online-Artikel

So agil ist Zalando

verfasst von: Sven Eisenkrämer

5 Min. Lesedauer

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Mit 12.000 Mitarbeitern so innovativ sein, wie ein Start-up? Das will das Unternehmen Zalando und hat dafür ein Rezept: Radical Agility – radikale Agilität. Die IT ist dabei der wichtigste Faktor.

Großkonzerne haben häufig starre Strukturen. Wie sonst will man auch Zehntausende Mitarbeiter unter einen Hut bekommen und ihre Erfolge messen und kontrollieren können? Das Mode-Handelsunternehmen Zalando aus Berlin fährt einen anderen Weg und macht vor, wie man auch mit einer fünftstelligen Mitarbeiterzahl so flexibel arbeiten kann, wie ein Start-up.

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2017 | OriginalPaper | Buchkapitel

Zalando Radical Agility: Vom Online-Retailer zur Fashion Plattform

2008 hatten zwei junge Männer die wagemutige Idee, Flipflops im Internet zu verkaufen. Mit dieser Idee begaben sie sich auf eine Reise, in deren Verlauf sie den Modemarkt in Europa maßgeblich veränderten.So beginnt die Geschichte von Zalando …


2008 als kleiner Flip-flop-Sandalen-Online-Shop gestartet, ist Zalando mittlerweile vom Fashion-Retailer zu einer der größten Modeplattformen im Internet gewachsen. Man verkauft längst nicht mehr nur selbst Kleidung, sondern bringt Marken und Kunden auf einer Plattform zusammen – und das in einem großen Maßstab in immer mehr Ländern der Erde. 2016 hat Zalando laut Geschäftsbericht mehr als 3,6 Milliarden Euro umgesetzt und präsentierte ein bereinigtes Ebit von 216,3 Millionen Euro – mehr als doppelt soviel wie im Jahr davor. "Zalando strebt an, zur ersten Anlaufstelle für alle Fragen rund um Mode zu avancieren und viele verschiedene Akteure der Modebranche in vielfältiger Art und Weise zusammenzubringen", schreibt Matthias Kunze, Senior Business Process Manager bei Zalando in dem Buchkapitel "Zalando Radical Agility: Vom Online-Retailer zur Fashion Plattform", das im neuen Springer-Buch "Einführung in die Wirtschaftsinformatik" (Band 2, 2017) erschienen ist. "Hierfür ist es in einem zunehmend digitalen Markt notwendig, ein führendes Technologieunternehmen zu werden und den Onlinehandel mit Mode vom Technologie-Ansatz her neu zu erfinden", so Kunze weiter.

Lineares Wachstum bedeutet exponentieller Verlust

Jan Bartels, Vice President Product von Zalando und Verantwortlich für die Transaktions-Kernplattform sowie die Logistik im Unternehmen, stellte kürzlich in München auf einem Kongress vor IT-Entscheidern aus der deutschen Wirtschaft unter anderem seine persönlichen Erkenntnisse aus seinem mittlerweile zweieinhalbjährigen Engagement bei dem Berliner Unternehmen vor:

  1. Wer in der digitalen Ära linear wächst, verliert exponentiell.
  2. Jedes Tech-Projekt, das nach sechs Monaten noch kein anfassbares Resultat hervorbringt, hat ein hohes Potenzial, zu scheitern.
  3. Es geht nicht darum, ob "IT das Business treibt" oder "Business die IT treibt" – es geht darum, am selben Tisch zu sitzen.
  4. Der Wettbewerb ist groß – neue und gute Services, die Kunden tatsächlich brauchen, werden nicht länger im Büro erfunden.
  5. Digitalisierung verändert alles – Technologie, die schnelles Iterieren und Sammeln von Erfahrungen ermöglicht, ist ein Wettbewerbsvorteil.

Zalando entwickelt seine Systeme selbst

Zalando hat also den Weg gewählt, die Technologie als Basis für alle Geschäftsbereiche aufzustellen. "Unsere Geschäftsprozesse sind maßgeblich technologiegetrieben", schreibt Matthias Kunze im genannten Buchkapitel. "Die meisten der dafür eingesetzten Systeme und Technologien entwickeln und betreiben wir selbst. Dafür haben wir in Zalando Technology eine Unternehmenskultur etabliert, welche Agilität, Innovation und Effektivität fördert." Dieses grundlegende Konzept der Unternehmensarchitektur nennt Zalando selbst "Radical Agility", radikale Agilität. Radical Agility soll soziale Strukturen und selbstorganisierte Teams mit technologischen Strukturen und einer serviceorientierrten Architektur verknüpfen. "So können sich über beide Ebenen, Unternehmenskultur und Technologie, unabhängige Einheiten bilden. Dabei werden Module innerhalb der jeweiligen Ebenen entkoppelt, um ein möglichst hohes Maß an Flexibilität zu erreichen."

Zalandos IT-Systeme sind organisch gewachsen. Zunächst haben wir Systeme von Drittanbietern gekauft oder gemietet und innerhalb unserer Geschäftsprozesse eingesetzt. Mit zunehmendem Wachstum stiegen auch die Komplexität und der Variantenreichtum unserer Prozesse und damit die Anforderungen an Skalierung und Flexibilität unserer Systeme. Oft konnten diese Anforderungen nicht mehr von externen Lösungen erfüllt werden, so dass wir bereits früh begonnen haben, passende Lösungen selbst zu entwickeln. Inzwischen entwickeln und betreiben wir fast alle unserer Kernsysteme selbst." Matthias Kunze im Buchkapitel "Zalando Radical Agility" in "Einführung in die Wirtschaftsinformatik" (Band 2, 2017, Seite 20).

Mittlerweile verlagert Zalando große Teile seiner Systeme von den eigenen Rechenzentren in die Cloud, um eine dynamische Skalierbarkeit zu erreichen. "Allerdings lassen sich große, eng integrierte nicht einfach in der Cloud betreiben", schreibt Kunze. "Daher überarbeiten wir unsere Systeme, um sie 'cloud-ready' zu machen. Dies erfordert bestimmte Prinzipien, um sicherzustellen, dass unsere Plattform funktioniert und alle Vorteile der Cloud effektiv einsetzen kann." Im Buchkapitel erklärt Kunze die Prinzipien Micro-Services, Representational State Transfer (REST) und API-First genauer.


Bei der Umsetzung setzt Zalando laut Kunze auf eine hybride Strategie. Statt zunächst alle betroffenen Systeme umzubauen oder komplett neu zu entwickeln ("was unsere Innovationskraft lähmen würde“) werden gleichzeitig Komponenten in der Cloud und in bestehenden Rechenzentren betrieben. Alle neu entwickelten System werden direkt für die Cloud entwickelt und bestehende Systeme werden nach und nach durch Neuentwicklungen ersetzt.

Vertrauen in die Mitarbeiter statt Kontrolle

Um diese Agilität im Technologiebereich anwenden zu können, setzt man bei dem Berliner Unternehmen, das mittlerweile sieben Technologie-Standorte in Europa betreibt, auch auf eine Unternehmenskultur, die auf den Prinzipien Zielsetzung, Autonomie, coachendes Management und vor allem Vertrauen statt Kontrolle aufbaut. Zalando Technology besteht dabei aus Produktteams, die neue Anwendungen und Dienstleistungen (Micro-Services) für die Plattform planen, Entwicklungsteams, die diese Visionen und Pläne umsetzen und interdisziplinäre Teams, die beide in verschiedenen Bereichen unterstützen.


"Während der Einführung von Radical Agility haben wir viel gelernt. Veränderung benötigt immer Zeit; etablierte Organisationsstrukturen lassen sich nicht über Nacht durch neue ersetzen", schreibt Kunze und ist sich auch über die Vorteile im Klaren: "Bereits nach einem Jahr haben wir mit Radical Agility sehr viel erreicht. Da das Warten auf Entscheidungen durch das Management weitgehend entfällt, ist die Entwicklungsgeschwindigkeit enorm gestiegen. Mit der Neuausrichtung haben wir die Innovationsfähigkeit und Flexibilität von Technologie-Start-ups beibehalten, während wir zu einem der führenden Modeunternehmen Europas avanciert sind. Damit haben wir den Nerv junger Menschen getroffen und sie für die Mitarbeit an Zalandos Fashion-Plattform begeistert." 2016 seien jeden Monat etwa 60 bis 70 neue Mitarbeiter eingestellt worden – Ende des Jahres hatte Zalando dann 11.998 Angestellte weltweit.

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