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30.06.2020 | Aktiengesetz | Kommentar | Online-Artikel

Wirecard-Aktionäre wurden hinters Licht geführt

verfasst von: Klaus Nieding

3 Min. Lesedauer

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Private wie auch institutionelle Anleger beteiligen sich an einer Musterklage gegen Wirecard. Rechtsanwalt Klaus Nieding formuliert diese für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und gibt einen Überblick über die derzeitige Sachlage.

Im Fall Wirecard folgt eine Schlagzeile auf die nächste. So veröffentlichte der Konzern noch vor kurzer Zeit den Sonderuntersuchungsbericht der KPMG und verkündete triumphierend, dass dies nun endgültig die Vorwürfe der Bilanzunrichtigkeiten ausräumen würde. Wenig später ist die Lage völlig verändert: Wirecard verschiebt mehrfach die Veröffentlichung des Jahresabschlusses, der Verbleib einer Summe von 1,9 Milliarden Euro kann nicht geklärt werden, der ehemalige Vorstandsvorsitzende Braun tritt zurück und wird kurzzeitig in Haft genommen, die Staatsanwaltschaft und die Bafin ermitteln wegen diverser Kapitalmarktdelikte und schließlich stellt Wirecard Insolvenzantrag. 

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Aktionäre erheben Ansprüche

Während dieser Talfahrt schwankte der Aktienkurs immer wieder drastisch und liegt nun fast auf Penny-Stock-Niveau. Die Aktionäre erleiden Verluste in ungeahntem Ausmaß und stehen nun vor der Frage, wie sie ihre Schäden wieder ausgleichen können. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen steht daher nun im Zentrum der Diskussion.

Die juristische Sachlage ist dabei komplex. So stellt sich bereits die Frage, gegen wen man als geschädigter Aktionär nun zielführend seine Ansprüche geltend machen kann. So ist derzeit noch offen, ob Wirecard trotz Insolvenzantrag weiter als Anspruchsgegner in Betracht gezogen werden sollte oder ob auch andere Beteiligte, wie das Wirecard-Management oder der Abschlussprüfer Ernst & Young (EY) haftbar gemacht werden können.

Vorwurf der Täuschung an Abschlussprüfer

Auch die möglichen Ansprüche sind vielfältig. So steht bei Wirecard selbst der Vorwurf der fehlerhaften Information des Kapitalmarkts und der Aktionäre im Raum, da die Informationspolitik von Wirecard nur als sehr spärlich und teilweise auch als irreführend bezeichnet werden kann. Viele Aktionäre hätten Wirecard-Aktien schlicht nicht gekauft, wenn sie von den Unregelmäßigkeiten gewusst hätten. Dem Abschlussprüfer Ernst & Young wird vorgeworfen, er hätte fälschlicherweise die Abschlüsse der letzten Jahre als einwandfrei testiert und dabei über eklatante Mängel hinweggesehen. 

Solche Testate stellen wichtige Indikatoren für Privatanleger und institutionelle Investoren dar, da durch sie nachgewiesen wird, dass eine Bilanz keine wesentlichen Unregelmäßigkeiten aufweist. Wenn nun ein Abschlussprüfer über wesentliche Mängel in der Buchführung eines Unternehmens hinwegsieht und fälschlicherweise die Richtigkeit bestätigt, stellt dies klar eine Täuschung von Anlegern dar. Schließlich kommen bei der Unternehmensführung auch potentiell strafrechtliche Handlungen in Betracht, wenn diese von den Bilanzunregelmäßigkeiten wusste und so die Anleger gezielt in die Irre geführt hätte.

Musterverfahren in Vorbereitung

Wir sind der Ansicht, dass den genannten Beteiligten eklatante Versäumnisse und Fehlverhalten zur Last zu legen sind und bereiten daher mit einem Prozessfinanzierer entsprechende Schadensersatzklagen vor. Dieser übernimmt die Rechtsverfolgungskosten und erhält nur im Erfolgsfall eine anteilige Erfolgsprovision. Außerdem hat die Beteiligung eines Prozessfinanzierers den Vorteil, dass dieser nochmals unabhängig die Erfolgschancen der Anspruchsgeltendmachung prüft. Zudem ist auch ein Gutachter mit der Schadensberechnung beauftragt. Für bislang etwa 1.000 private und 41 institutionelle Anleger möchten wir die erlittenen Verluste wieder zurückholen.

So ist geplant zunächst eine Vielzahl von Klagen auf den Weg zu bringen, um dann die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen der Schadensersatzansprüche in einem Musterverfahren zentral für alle Verfahren klären zu lassen. Dies bietet den Vorteil, dass nicht jeder einzelne Kläger alle Voraussetzungen seiner Ansprüche selbst darlegen muss, sondern sich in seinem Verfahren auf die bindenden Feststellungen des Musterverfahrens berufen und so wesentlich einfacher und leichter seinen Schaden ersetzt verlangen kann.

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