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2025 | Buch

Aktuelle Führungsthemen der Polizeiforschung

herausgegeben von: Joachim Albrecht

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieser Sammelband präsentiert herausragende Abschlussarbeiten der Hochschule für Polizei in Baden-Württemberg zu Führungsthemen im Polizeikontext und gibt damit einen Überblick über neue, anwendungsnahe Forschung auf diesem Gebiet. Das Werk richtet sich zum einen an WissenschaftlerInnen, die sich über aktuelle und relevante Themen der Polizeiarbeit und -forschung informieren möchten. Zum Zweiten sollen die hier veröffentlichten Erkenntnisse aber auch interessierten PraktikerInnen, die täglich Führungsarbeit bei der Polizei leisten, dienen. Und nicht zuletzt unterstützt dieser Band Bachelor- oder Masterstudierende, die frisch das Studium aufgenommen haben, bei der Suche nach interessanten Fragestellungen für die eigene Abschlussarbeit.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Polizeiinterne Einschätzung zur Autorität im Wandel der Zeit
Zusammenfassung
Es wird eine in der Literatur noch kaum thematisierte Fragestellung zur polizeiinternen Einschätzung der Autorität im Wandel der Zeit behandelt, genauer gesagt, ob und inwiefern es zu einer Veränderung der Autorität gekommen ist. In zahlreichen Medien wird stets von einem „Autoritätsverlust der Polizei“ berichtet, weshalb hier die Beurteilung der Beamten hinsichtlich der Autoritätsanerkennung des polizeilichen Gegenübers dargestellt wird.
Zu Beginn wird der aktuelle Forschungsstand und die dargestellte Forschungslücke aufgezeigt. Die Thematik wird inhaltlich in den Kontext von Vertrauen und der PKS eingegliedert. Die Forschungsfrage selbst wird im Anschluss durch drei Experteninterviews und einer darauf aufbauenden Befragung beantwortet. An der Befragung haben 360 Beamte aus 7 der regionalen Polizeipräsidien teilgenommen.
Die Ergebnisse und Einschätzungen werden nachfolgend dargestellt. Dabei kann festgestellt werden, dass 86 % der Beamten subjektiv einen Autoritätsverlust im Laufe ihrer Dienstzeit wahrnehmen konnten. Auch andere Meinungen, wie die gleichbleibende Autorität und der Gewinn an Autorität sind durchaus vertreten. Potenzielle Ursachen und Erklärungen für sämtliche Einschätzungen werden aufgeführt und bewertet.
Damit wird eine Grundlage für mögliche Überarbeitungen und Verbesserungsmöglichkeiten geschaffen, um diese in weiteren Forschungsarbeiten detaillierter zu analysieren und konkrete Handlungsempfehlungen herauszuarbeiten und einem fortschreitenden Autoritätsverlust entgegenzuwirken.
Emelie Müller
2. Erfolgsfaktoren von High Responsability Teams bei der Polizei – Anforderungen und Ressourcen für erfolgreiche Teamarbeit im Streifendienst
Zusammenfassung
Die zunehmende Komplexität und Dynamik von Arbeitsumgebungen erfordert eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Teamarbeit, insbesondere in High-Responsability Teams (HRTs). Diese operieren in sicherheitskritischen Branchen wie der Luftfahrt, Medizin, Feuerwehr und Polizei. Die effektive Zusammenarbeit in diesen Kontexten stellt nicht nur eine Voraussetzung für das Wohl und die Sicherheit der betroffenen Personen dar, sondern auch für den Erfolg des Einsatzes selbst. Dieses Buchkapitel beleuchtet anhand von zwei Studien die Faktoren für einen erfolgreichen Polizeieinsatz und damit die Erfolgsfaktoren der Polizeiteamarbeit. Mittels Studie 1 wurden n = 166 Studierende der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg (HfPol) über die Erfolgskriterien zur Teamarbeit in der Polizei befragt. In Studie 2 wurden n = 8 Experteninterviews mit Polizeibeamten*innen aus dem Präsidium Ludwigsburg durchgeführt. Ziel der Interviews war es, die Belastungsfaktoren bei Polizeieinsätzen zu identifizieren, die innerhalb des Streifendienstes der Polizei zu Stress führen. Darauf aufbauend wurden erste Bewältigungsstrategien in Form von Erfolgsfaktoren der Teamarbeit innerhalb der Polizei benannt. Mittels dieser Studie konnten die wichtigsten praxisrelevanten Faktoren für Teamarbeit des Streifendienstes ermittelt werden. Beide Studien zeigen u. a. auf, dass eine besondere Priorität der Einsatzkommunikation, der Aufgabenteilung, der Zielklarheit, einer klaren Führung sowie der vertrauensvollen Zusammenarbeit zugemessen werden muss.
Joachim Albrecht, Timo Erlenmaier, Marleen Walheim
3. Schutz- oder Kriminalpolizei – Eine Entscheidung fürs Leben? Das Selbsteinschätzungsmodell kann helfen
Zusammenfassung
„Schutzpolizei oder Kriminalpolizei?“
Diese Frage muss sich jede Polizeibeamtin beziehungsweise jeder Polizeibeamte im gehobenen Dienst mindestens einmal in der Berufslaufbahn stellen. Während manchen diese Entscheidung leichtfällt, stellt diese andere vor ein sogenanntes „Entscheidungsdilemma“. Es ist anzunehmen, dass dies unter anderem aus einem Defizit an signifikanten Informationen bezüglich der genauen Unterschiede der beiden Direktionen resultiert.
Für einige Beamtinnen und Beamte könnte elementar sein, diesbezüglich eine Hilfestellung zu erhalten. Es sollten neben einer weitgestreute Informationsweitergabe bezüglich Schutzpolizei und Kriminalpolizei auch die persönlichen Voraussetzungen und Wünsche beachtet werden. Gerade jungen Polizistinnen und Polizisten ist es oft nicht möglich, die Gesamtheit der entscheidenden Aspekte zu überblicken und ihre persönlichen Präferenzen, Ziele und Gründe zu reflektieren. Da die zu treffende Entscheidung den beruflichen Werdegang nicht nur unerheblich beeinflusst, muss eine Priorisierung von individuell wichtigen Umständen stattfinden.
Aus genannten Gründen erscheint es basal, eine Grundlage zu schaffen, fundamentale Informationen weiterzugeben sowie eine Hilfestellung bei der Erschließung und Priorisierung von persönlichen Belangen zu bieten.
Luca Gamer, Paulina Roth, Anja Köhler
4. Resilienz und Empathie als Auswahlkriterien zukünftiger Führungskräfte in der Polizei
Zusammenfassung
Polizeibeamte werden in ihrem Berufsalltag fortlaufend mit herausfordernden und oftmals belastenden Situationen konfrontiert, die es zu bewältigen gibt, um keine psychischen Beeinträchtigungen zu erleiden. Zugleich wird von ihnen erwartet, dass sie ausreichend Einfühlungsvermögen besitzen und sich in die Gefühle und Emotionen anderer Personen hineinversetzen können. Dementsprechend sind im Polizeiberuf Resilienz (Widerstandsfähigkeit bei belastenden Situationen) und Empathie (Einfühlungsvermögen in andere Personen) gleichermaßen gefordert. Der Frage, ob ein Balanceakt zwischen der Wahrung innerer Distanz bei belastenden Ereignissen und gleichzeitig dem Entgegenbringen von Einfühlungsvermögen möglich ist, wurde in dieser Arbeit nachgegangen. Außerdem, ob eine Überarbeitung der polizeilichen Auswahlverfahren und Beurteilungen in diesem Kontext erforderlich ist.
Im Rahmen einer anonymen Befragung von Polizeibeamten wurde Empathie mithilfe einer ins Deutsche übersetzten Version des Empathy Assessment Index (EAI) und Resilienz mittels einer angepassten Version der Conner-Davidson Resilience Scale 10 (CD-RISC 10) erfasst. Insgesamt gingen 102 Datensätze von Polizeibeamten des Polizeipräsidiums Aalen in die Auswertung mit ein.
Rein deskriptiv fielen die Gesamtscores für Empathie und Resilienz im Schnitt relativ hoch aus, was grundsätzlich für eine hohe Ausprägung von Empathie und Resilienz bei Polizeibeamten spricht. Es zeigte sich außerdem ein mittlerer positiver Zusammenhang zwischen Empathie und Resilienz, sodass angenommen werden kann, dass Empathie und Resilienz Kompetenzen sind, die gemeinsam einhergehen können. Eine Überarbeitung der Auswahlverfahren und dienstlichen Beurteilungen hinsichtlich der expliziten Erfassung von Empathie und Resilienz scheint nicht erforderlich.
Lisa Braun, Janina Schöneck, Joachim Albrecht
5. Kompatibilität geteilter Führung mit der polizeilichen Alltagsorganisation
Eine Analyse zu Chancen und Risiken der Tandem-Führung in Teilzeit im Kontext der Polizei Baden-Württemberg
Zusammenfassung
Jobsharing ist das Teilen von Arbeitsplätzen durch zwei oder mehr Beschäftigte. Dieser Ansatz hat in den letzten Jahren immens an Popularität gewonnen. Im Zuge der gestiegenen Aufmerksamkeit stellte sich zwangsläufig die Frage, ob die Aufteilung von Arbeitsplätzen auch mit Führungspositionen funktionieren kann (u. a. Kienbaum, 2022; NWX, 2021). Topsharing ist das entsprechende Modell geteilter Führung, bei dem sich zwei Führungskräfte in Teilzeit eine Stelle inklusive Mitarbeitende, Aufträge und Verantwortung teilen (Luong, 2021). Bei diesem Ansatz wird aktuell hitzig diskutiert, ob er geeignet ist, Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern zu schaffen.
Über das Thema Chancengleichheit hinaus bietet Topsharing allerdings eine Vielzahl weiterer Vorteile – für Arbeitgebende, Führungskräfte und Personal. Dies geht aus einer aktuellen Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung hervor (Krzywdzinski & Christen, 2020). Den Ergebnissen der Online-Umfrage des Wissenschaftszentrums zufolge hilft geteilte Führung Vorgesetzten in komplexen Entscheidungssituationen sowie bei der Bewältigung hohen Arbeitsaufkommens, verbessert die Kommunikation mit der Belegschaft und die Vereinbarkeit mit der Familie (Krzywdzinski & Christen, 2020). Münderlein (2021) hebt besonders die Prävention von Machtmissbrauch durch Machtverteilung an der Spitze von Organisationen, aber auch Staaten oder Parteien, hervor und nennt als Beispiel die Doppelspitze Baerbock & Habeck, die in der politischen Partei BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN gemeinsam als Vorsitzende tätig waren. Sachse und Sülzenbrück (2021) sehen neben der Chancengleichheit von Frauen und Männern auch die Chance, den Einstieg in eine Führungsposition durch gemeinsame Verantwortungsübernahme für Nachwuchskräfte zu erleichtern. Darüber hinaus bietet das Führungsmodell optimale Vertretungsmöglichkeiten bei Krankheit, Urlaub oder Stellenwechsel einer Führungskraft, da ein Führungstandem für mehr Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeit sorgt.
Lange Zeit eilte Topsharing ein negativer Ruf voraus, da es als Notlösung bei Unternehmensfusionen oder zur Vereinbarkeit des Berufs mit der Familie abgetan wurde (Münderlein, 2021). Doch in den letzten Jahren ist gerade in der Privatwirtschaft ein Wandel spürbar: „Es gab Zeiten, da gehörte eine 60- bis 80-Stunden-Woche zum Selbstverständnis von Top-Managern und Unternehmenslenkern“ (Schareika, 2019). Der Irrglaube „wer viel arbeitet, ist wichtig“ scheint immer mehr zu verblassen. Nicht nur der Mangel an Fach- und Führungskräften, sondern auch die Ansprüche und Vorstellungen der nachrückenden Generationen Y und Z (Generation Y: Geburtsjahrgänge 1980-1993; Generation Z: 1994-2010 (Waeschle et al., 2021)) führen zu einem neuen Führungsverständnis, bei dem Verantwortung geteilt werden kann, ohne dass Führungspositionen an Wichtigkeit verlieren. Mit dieser Sichtweise geht einher, dass Karriere nicht mehr zwingend mit enormen Einbußen im privaten Bereich verbunden sein muss, wodurch das Interesse potenzieller Nachwuchskräfte zur Übernahme von Führungsaufgaben deutlich gesteigert wird (Schareika, 2019). Die Nachwuchsgeneration „[…] fordert Lockerungen selbstverständlich ein, weil sie mehr vom Leben erwartet als nur zu malochen und trotzdem Karriereziele haben“ (Schareika, 2019).
Zum bereits vorherrschenden Fach- und Führungskräftemangel kommen weitere Megatrends wie der demografische Wandel und New Work Ansätze, die ein neues Verständnis von Arbeiten in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung mit sich bringen (Kauffeld et al., 2022). Dadurch werden immer mehr Betriebe zwangsläufig auf innovative Führungsmodelle setzen müssen (Broel, 2014). Eine Hamburger Klinik ging bereits so weit, dass sie aufgrund der gestiegenen Herausforderungen eine Führungsposition – die Stelle des Chefarztes bzw. der Chefärztin – mit drei Frauen in Vollzeit besetzte, die sich die Führungsaufgabe teilen (Schulze, 2021). „Jede erhält das volle Gehalt und soll die anderen kritisieren und stützen“ (Schulze, 2021, S. 1). Solch eine privilegierte Situation muss sich ein Unternehmen aber leisten können.
Allerdings gehen mit Topsharing, wie bei jedem Führungsmodell, auch Risiken einher. Dazu gehören ein größerer Aufwand an Arbeitsmitteln für die Organisation, höhere Anforderungen an die unmittelbar übergeordnete Leitungsposition, mögliche Spannungen im Tandem durch Abstimmungsprobleme oder die Ausnutzung der Situation durch nachgeordnetes Personal (Sostmann & Jablonowski, 2016).
Nils Christian Sauer, Jasmin Palmer, Thorsten Schmitt
Metadaten
Titel
Aktuelle Führungsthemen der Polizeiforschung
herausgegeben von
Joachim Albrecht
Copyright-Jahr
2025
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-70342-7
Print ISBN
978-3-662-70341-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-70342-7