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2016 | Buch

Alles Mathematik

Von Pythagoras zu Big Data

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Über dieses Buch

Dieses Buch ist für ein allgemeines Publikum und bietet spannende Beiträge renommierter Mathematiker(innen), die mit den gängigen Vorurteilen "Mathematik ist zu schwer, zu trocken, zu abstrakt, zu abgehoben" aufräumen. Denn Mathematik ist überall in den Anwendungen gefragt, weil sie das oft einzige Mittel ist, praktische Probleme zu analysieren und zu verstehen. Vom CD-Player zur Börse, von der Computertomographie zur Verkehrsplanung, alles ist (auch) Mathematik. Wer hätte gedacht, dass die Primzahlen, die schon seit der Antike die Mathematiker beschäftigen, heute ganz wesentlich zu unserer Datensicherheit beitragen? Zwei wesentliche Aspekte der Mathematik werden deutlich: Einmal ist sie die reinste Wissenschaft - Denken als Kunst -, und andererseits ist sie durch eine Vielzahl von Anwendungen in allen Lebensbereichen gegenwärtig. In der jetzt vorliegenden 4. Auflage wurde das Spektrum der behandelten Themen durch neue Beiträge erweitert. Man kann sich nun über Big Data, Mathematik und Wahlen, Visualisierung sowie Computerbeweise informieren.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Epilog

Frontmatter
Mathe wird Kult – Beschreibung einer Hoffnung
Zusammenfassung
Es hat sich etwas geändert. Seit der vorigen Auflage dieses Buches wird die Mathematik populär. Kein peinliches Schweigen mehr, wenn jemand auf einer Party sagt, er sei Mathematiker, stattdessen Bewunderung. Das Kokettieren damit, von Mathe keine Ahnung zu haben, ist auch nicht mehr en vogue. Und dass Mathematiker verschrobene Käuze seien, dieses Vorurteil befindet gleichfalls auf dem Rückzug.
Gero von Randow

Der rote Faden

Frontmatter
Die Mathematik der Compact Disc
Zusammenfassung
Jeder verwendet heute ganz selbstverständlich CompactDiscs. Warum ist aber die Musikübertragung auf einer CD reiner als auf einer herkömmlichen Schallplatte? Die Antwort lautet, um einen populären Slogan abzuwandeln: There is mathematics inside! Genauer gesagt, ein Zweig der Diskreten Mathematik, nämlich die Theorie der Fehler-korrigierenden Codes. In diesem Artikel soll über die Anwendung solcher Codes auf den Design des Compact-Disc-Audio-Systems berichtet werden, das von Philips Electronics und Sony entwickelt wurde.
Jack van Lint
Therapieplanung an virtuellen Krebspatienten
Zusammenfassung
Medizintechnik dominiert heutzutage immer mehr medizinische Behandlungsformen, insbesondere in der Krebstherapie. Viele Menschen sehen in diesem Trend vorrangig den Aspekt der Entfremdung von Arzt und Patient. Parallel dazu hat sich jedoch, gerade wegen dieser Technisierung, eine methodisch extrem sorgfältige Therapieplanung als zwingende Notwendigkeit ergeben. Geplant wird eine auf den einzelnen Patienten präzise zugeschnittene Behandlung – der einzelne Mensch steht also mehr denn je im Blickpunkt des ärztlichen Interesses, wenn auch in einer abstrakteren Form. Sorgfältige und verlässliche Therapieplanung für jeden einzelnen Patienten verlangt in der Regel eine enge Kooperation der Medizin mit Mathematik und Informatik. Die Arbeitsgruppe des Autors am Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik (ZIB) ist in zahlreiche mathematisch-informatische Projekte mit der Medizin eingebunden. Der folgende Beitrag gibt einen Einblick in die Therapieplanung am ausgewählten Beispiel der Krebstherapie Hyperthermie.
Peter Deuflhard
Bildverarbeitung und Visualisierung für die Operationsplanung am Beispiel der Leberchirurgie
Zusammenfassung
Mathematik und Medizin sind keineswegs Wissenschaften, die auf eine reiche Tradition wechselseitiger Befruchtung und Zusammenarbeit zurückblicken. Mit dem fortschreitenden Einzug von Computerunterstützung in der Medizin ändert sich die Situation. Besondere Bedeutung haben dabei mathematische Methoden für die Diagnoseunterstützung in der Radiologie. In der Vergangenheit war die Radiologie an das analoge Medium des Films gefesselt und konnte sich deshalb nur im Rahmen einer ausschließlich erfahrungsbasierten, filmbetrachtenden Disziplin entwickeln. Die Digitalisierung in der Radiologie eröffnet viele Möglichkeiten der Quantifizierung, und damit wächst ein bisher fehlendes Bindeglied zur Mathematik. Weltweit entsteht ein neues, interdisziplinäres Gebiet: die computerunterstützte Radiologie. Ziel der Anstrengungen ist es, dem Radiologen intelligente und hoch integrierte Softwareassistenten an die Seite zu stellen.
Hans-Otto Peitgen, Carl Evertsz, Bernhard Preim, Dirk Selle, Thomas Schindewolf, Wolf Spindler
Big Data – Die Analyse großer Datenmengen in der Medizin
Zusammenfassung
„Ihre Blut-Werte sind in Ordnung!“ Diesen Satz hat jeder bestimmt schon mal so oder so ähnlich von seinem Arzt gehört. Doch was heißt das eigentlich genau? In den meisten Fällen bedeutet dies, dass der Arzt die Konzentration von etwa dreißig im Blut vorkommenden Stoffen bzw. Eiweißen bestimmen ließ, diese mit Referenzwerten verglichen und keine Abweichungen festgestellt hat. Hätte der Arzt allerdings Abweichungen festgestellt, wären möglicherweise weitere Tests die Folge gewesen, die mit weiteren Referenzen verglichen worden wären und so weiter. Am Ende dieser Kette könnten dann eine Diagnose und eine Behandlung stehen. Im besten Fall ist die Krankheit dann nach kurzer Zeit geheilt.
Tim Conrad
Der schnellste Weg zum Ziel
Zusammenfassung
Das Thema „Wege“ weckt Assoziationen zu Straßen, Transport, Verkehr – und Mathematik. Hier sind vier Beispiele.
Ralf Borndörfer, Martin Grötschel, Andreas Löbel
Romeo und Julia, spontane Musterbildung und Turings Instabilität
Zusammenfassung
Kristalle, Schneeflocken, Seifenblasen, Wasserwellen, Dünen, Gebirgstäler, Tannenzapfen, Embryonalentwicklung, Sonnenblumen, Zebrastreifen, Herzschlag und Nervenzittern: Nahezu überall scheinen geordnete Strukturen und Muster, Regelmäßigkeiten wie „von selbst“ zu entstehen. Dieses „von selbst“: Klingt das nicht nach einer Ausrede, nach Nicht-Wissen oder Nicht-Wissen-Wollen? Also fragen wir erst recht: Wie funktioniert denn dieses „von selbst“, diese „Selbstorganisation“? Wie vermag Gestalt und Form sich hervorzuheben, sich zu bilden und zu entwickeln aus gleichförmigem Einerlei? Wie kann sich solche Bildung behaupten und entfalten gegen die allgegenwärtigen Kräfte des Zerfließens und des Zurücksinkens in entropische Gleichmacherei und homogene Formlosigkeit? Und so könnten wir immer weiter fragen und formulieren, verwundert und ratlos.
Bernold Fiedler
Mathematik und intelligente Materialien
Zusammenfassung
Die Entwicklung und der Einsatz neuer Materialien hat die menschliche Gesellschaft entscheidend geprägt – nicht umsonst benennen wir die frühen menschlichen Kulturen nach dem Material, das für sie charakteristisch war. Auch heute ist die Entwicklung neuer Materialien eine enorme Herausforderung mit Auswirkungen auf alle Lebensbereiche, von der Gesundheit über Information und Kommunikation, Verkehr, Energieerzeugung und -übertragung bis zum Sport, der häufig Vorreiter beim Einsatz von Hochtechnologiematerialien ist.
Stefan Müller
Diskrete Tomographie: Vom Schiffeversenken bis zur Nanotechnologie
Zusammenfassung
Bei dem Wort ,Tomographie‘ denkt man sicherlich zuerst an Röntgenbilder aus der medizinischen Praxis. Abbildung 1 zeigt das erste jemals angefertigte Röntgenbild.
Es wurde am Sonntag, dem 22. Dezember 1895 aufgenommen und zeigt die linke Hand von Frau Röntgen.
Für seine bahnbrechenden Arbeiten zu den von ihm X-Strahlen genannten Röntgenstrahlen erhielt Wilhelm Conrad Röntgen (23. 3. 1845–10. 2. 1923) am 10. 12. 1901 den ersten Nobelpreis für Physik.
Peter Gritzmann
Blicke in die Unendlichkeit
Zusammenfassung
Der geliebte alte, etwas aus der Mode gekommene, Alibertschrank im Badezimmer. Als Kind an Klappspiegeltüren Blicke in die Unendlichkeit gewagt. Wie eng konnteman die beiden Spiegeltüren zusammenklappen, so dassman gerade noch mit seinem Auge hineinlinsen konnte, um eine schier endlose Kette von sich spiegelnden Spiegeln zu sehen – nach hinten langsam in einem glasgrünen Schleier verschwindend. Szenenwechsel, Großmutters Vitrinenschrank. Ein Schaukasten für Häkeldeckchen und Nippes. Der „Hauptausstellungsraum“ dieses Schrankes bestand aus einem quaderförmigen Fach, das von fünf Seiten mit Spiegeln versehen war, so dass sich die Porzellanfiguren mehr als vorstellbar oft wiederholten. Das merkwürdigste an diesem Fach war aber das folgende: Wenn man sich vor die Spiegel stellte, ein Auge zukniff und in die hintere Ecke des Faches schaute, in der sich drei Spiegel – senkrecht aufeinander stehend – trafen, sah man immer das andere Auge im Fadenkreuz der drei sich treffenden Spiegel. Ich vermute, ich stand insgesamt Stunden davor und grübelte nach dem Warum.
Jürgen Richter-Gebert

Themen in der aktuellen Diskussion

Frontmatter
Die Rolle der Mathematik auf den Finanzmärkten
Zusammenfassung
Die Finanzmärkte haben in den vergangenen Jahren nicht nur eine stürmische Entwicklung erlebt, sondern es haben sich auch die verwendetenMethoden für die Beurteilung der Güte und des Risikos eines Investments verändert: Während noch vor 30 Jahren für einen erfolgreichen Investor neben juristischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen im wesentlichen nur das „richtige Gespür“ als Werkzeug zur Verfügung stand, ist heute eine Vielzahl von quantitativen Methoden im Einsatz. Eine zentrale Rolle spielen der Begriff der „Arbitrage“ sowie die „Black-Scholes-Formel“ zur Bewertung und Absicherung von Optionen; die Bedeutung dieser Formel wurde 1997 durch die Verleihung des Ökonomie- Nobelpreis an R. Merton und M. Scholes gewürdigt. Damit wurde auch der 1995 verstorbene F. Black geehrt (Nobelpreise werden nicht posthum verliehen).
Walter Schachermayer
Mit Mathematik die Datenflut beherrschen?
Zusammenfassung
Das 21. Jahrhundert wird oftmals als Datenzeitalter bezeichnet. Daten bestimmen heutzutage fast alle Bereiche des täglichen Lebens. Denken wir nur an die ca. 5 Milliarden Mobiltelefone weltweit und die damit verbundene Datenkommunikation, die ca. 2 Milliarden Kreditkarten mit vielen Tausenden Transaktionen pro Sekunde oder an Facebook, welches ca. 300 Millionen neue Fotos pro Monat zu vermelden hat. Ganz zu schweigen von den riesigen Datenmengen, die im medizinischen Bereich z. B. bei Untersuchungen mittels Magnetresonanztomographen erzeugt werden.
Gitta Kutyniok
Elektronisches Geld Ein Ding der Unmöglichkeit oder bereits Realität?
Zusammenfassung
Zahlungsmittel im allgemeinen und (Münz- oder Papier-) Geld im Besonderen haben im Laufe ihrer Entwicklung einen Prozess zunehmender Entmaterialisierung bzw. Virtualisierung durchgemacht. Unsere Vorfahren vor Tausenden von Jahren haben Naturalienhandel betrieben („zwei Kühe gegen sieben Ziegen“); später wurden Edelmetallstücke zum Tausch benutzt, die immerhin schon wertbeständig waren. Ein entscheidender Schritt war die Einführung von geprägten Münzen, bei denen die Prägung, in der Regel ein Porträt des Herrschers den Wert der Münze garantierte. Beim Papiergeld wurde dieses Prinzip weiterverfolgt: Ein Geldschein ist materiell gesehen fast wertlos, hat aber einen hohen immateriellen Wert. Mit elektronischem Geld wird dieser Prozess der Virtualisierung auf die Spitze getrieben: Eine elektronische Münze ist materiell gesehen ein Nichts, sie ist nur ein Bitstring oder, anders gesagt, eine Zahl – und diese Zahl ist Geld wert!
Albrecht Beutelspacher
Kugeln im Computer – die Kepler-Vermutung
Zusammenfassung
Wie so manche gute Geschichte begann auch diese ganz harmlos, vor sehr langer Zeit – vor mehr als vierhundert Jahren. Im Jahr 1611 veröffentlichte der Astronom und Mathematiker Johannes Kepler [18] ein Büchlein mit dem interessanten Titel „Vom Sechseckigen Schnee“, das er seinem Freund und Gönner, dem Prager Hofrat Wackher von Wackenfels, als Neujahrsgabe widmete.
Martin Henk, Günter M. Ziegler
Wie rechnen Quanten? Die neue Welt der Quantencomputer
Zusammenfassung
Die Idee, Gesetze der Quantenmechanik für den Bau von Computern mit neuen Eigenschaften zu bauen, geht auf den Physiker R. Feynman zurück: 1982 schlug er vor, für die komplizierten Rechnungen im Zusammenhang mit Elementarteilchen- Modellen eigens dafür konzipierte Rechner zu verwenden. Diese noch sehr vage Idee wurde von D. Deutsch aufgegriffen, der Ende der achziger Jahre ein theoretisches Modell – also so etwas wie einen möglichen Bauplan – für einen Quantencomputer entwarf.
Ehrhard Behrends
Der große Satz von Fermat – die Lösung eines 300 Jahre alten Problems
Zusammenfassung
In diesem Beitrag soll über die neuesten, aufsehenerregenden Entwicklungen im Zusammenhang mit der Vermutung von Fermat berichtet werden. Diese Vermutung besagt, dass es keine von Null verschiedenen, ganzen Zahlen a, b, c gibt, welche der Gleichung
a n + b n = c n (1)
genügen, sobald der Exponent n größer als zwei ist. Fermat stellte seine Vermutung um das Jahr 1637 herum, also vor mehr als 350 Jahren, auf.
Jürg Kramer
Eine kurze Geschichte des Nash-Gleichgewichts
Zusammenfassung
Es gibt viele wirtschaftstheoretische Probleme, die zwar mathematische Schwierigkeiten aufweisen, aber keine grundsätzlichen: etwa die kürzeste Route zu finden, um alle Hauptstädte Europas anzufliegen, oder das günstigste Versicherungsbündel zu wählen. Leicht lässt sich hier festlegen, was unter einer bestmöglichen Lösung zu verstehen ist. Anders ist es, wenn das Resultat von den Entscheidungen mehrerer Beteiligter abhängt: was soll hier unter ,bestmöglich‘ verstanden werden? Nehmen wir etwa an, dass zwei Kaufhausriesen an einem Standort interessiert sind. Wenn beide dort eine Filiale eröffnen, bauen beide Verlust. Am besten ist es, wenn sich einer zurückzieht; besser gesagt, wenn sich der andere zurückzieht – aber wer soll das sein? Was könnte man unter der Lösung so eines Problems verstehen?
Karl Sigmund
Die Qual der Wahl – die Mathematik des Wählens
Zusammenfassung
In vielen Bereichen des täglichen Lebens stehen verschiedene Möglichkeiten zur Wahl, und man möchte auf faireWeise „den Besten“ bzw. „die Beste“ auswählen. Das fängt im Kleinen an (soll der Familienausflug in den Zoo, ins Schwimmbad oder in den Zirkus gehen?) und setzt sich bis in die hohe Politik fort (wie setzt man den Wählerwillen in die Anzahl der Sitze im Bundestag um?).
Es wird viele überraschen zu erfahren, dass das ein äußerst komplexes Problem ohne eine in allen Aspekten befriedigende Lösung ist und dass – überwiegend elementare – Mathematik eine wichtige Rolle spielt. Nachstehend findet man einige Informationen zu den damit zusammenhängenden Fragestellungen.
Ehrhard Behrends
Mathematik im Klima des globalen Wandels
Zusammenfassung
Die Klima- und Klimafolgenforschung sind damit konfrontiert, dass sich ihr Studienobjekt – also das Erdsystem bzw. wesentliche Teile dessen – nicht im Labormaßstab nachbilden und im Detail studieren lässt. Es ist einfach zu groß und zu komplex. Beobachtung und Messung am Original sowie Modellierung und Computersimulation kommen deshalb in diesem Forschungsfeld besondere Bedeutung zu. In diesem Artikel erläutere ich zunächst zwei wesentliche Quellen der Systemkomplexität, nämlich die Vielzahl verschiedenartiger am Systemgeschehen beteiligter Prozesse und die Wechselwirkung einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Raum- und Zeitskalen. Zur Bewältigung beider Arten von Herausforderung kann dieMathematik Beträchtliches beitragen. Ich beschränke mich im Folgenden aber auf die Skalenproblematik und zeige auf, welche konkreten Fragen die besagten Skalenwechselwirkungen aufwerfen und welcherlei Antworten die Angewandte Mathematik parat hält.
Dieser Beitrag ist eine überarbeitete, leicht gekürzte Version der Ausführungen im Jahresbericht 109 (2007) der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. Dieser Beitrag fasste die Gauß-Vorlesung zusammen, die ich im „Gauß-Jahr“ 2005 an der Technischen Universität Braunschweig halten durfte.
Rupert Klein

Konkrete Fallstudien

Frontmatter
Primzahlen, geheime Codes und die Grenzen der Berechenbarkeit
Zusammenfassung
Die Primzahlen gehören zu jenen mathematischen Objekten, welche seit jeher alle mathematisch Interessierten fasziniert haben. Jede Zahl setzt sich aus Primzahlen zusammen, die Primzahlen sind also sozusagen die Atome des Zahlensystems, mit dem alle Mathematik beginnt. Umso erstaunlicher mutet es an, dass einige der ältesten Primzahlprobleme trotz größter Bemühungen von Generationen von Mathematikern bis heute ungelöst sind. Es gibt aber noch einen weiteren, nicht weniger erstaunlichen Aspekt. Die Zahlentheorie galt jahrhundertelang neben der Euklidischen Geometrie als das klassische Modell der reinen Mathematik: ein theoretisches Gebäude voller Schönheit und Eleganz, ein Kunstwerk des menschlichen Geistes. Seit etwa 20 Jahren hat sich dies geändert: Die Primzahlen sind auch in das Zentrum der Anwendungen gerückt. Sie spielen, wie wir sehen werden, eine entscheidende Rolle bei geheimen Codes, die heute aus unserem „codierten“ Leben nicht mehr wegzudenken sind. Und schließlich führen Primzahlen geradewegs zu einer derwichtigsten Fragen imZeitalter der Informationstechnik: Was können Computer, bzw. wo liegen prinzipiell die Grenzen der Berechenbarkeit? Über diese drei Teile, wie im Titel angekündigt, wollen wir uns im Folgenden unterhalten.
Martin Aigner
Die Mathematik der Knoten
Zusammenfassung
Selbstverständlich ist es verlockend, zum Einstieg in die Knotentheorie an Alexander den Großen zu erinnern, hatte er sich doch nachweislich mit einem Knotenproblem auseinderzusetzen. Aber sein Problem, ein verknotetes Seil mit offenen Enden aufzudröseln, ist eher eine Gedulds- als eine mathematische Frage. Hinzu kommt, und das ist viel gravierender, dass wir sein Lösungsverfahren nicht gerade als vorbildlich empfinden. Den Knoten einfach mit dem Schwert zu zertrennen, mag zwar zeitsparend sein, ist aber doch wenig feinfühlend und auf keinen Fall eine gute Grundlage für eine mathematische Theorie der Knoten.
Elmar Vogt
Von den Seifenblasen
Zusammenfassung
Nach Justus Liebig lässt der Pro-Kopf-Verbrauch an Seife einen Rückschluss auf den Kulturstand eines Volkes zu. Dem mag der umweltbewusste Zeitgenosse sicher nicht mehr so ganz beipflichten, aber die Seife bleibt auch heute noch das Kernstück der Hygiene. Erfunden wurde sie vermutlich von den Germanen, die sie aus Buchenasche und Fett herstellten. Die Römer haben ihre hervorragenden Eigenschaften sofort erkannt und das Rezept übernommen mit dem Erfolg, dass sie im Mittelalter im ganzen Mittelmeerraum verbreitet war. So lange mindestens, kann man annehmen, machen die Kinder Seifenblasen. Und so lange sind die Menschen fasziniert von diesen luftigen Gebilden mit ihrem sanften Schweben, mit ihrem bezaubernden Farbenspiel und mit ihrer Vergänglichkeit, die zum Inbegriff „geplatzter Träume“ geworden ist.
Dirk Ferus
Blasencluster und Polyeder
Zusammenfassung
Jede einzelne Seifenblase ist kugelförmig (Abb. 1). Diese Tatsache, die Kinder bereits seit Jahrhunderten beobachten, lässt sich dadurch erklären, dass die Oberflächenspannung die Seifenhaut festzieht. Die Seifenblase, die eine bestimmte Menge Luft einschließt, minimiert ihren Flächeninhalt. Schon die alten Griechen um Archimedes wussten, dass die Sphäre – die Oberfläche einer runden Kugel – die Lösung des sogenannten isoperimetrischen Problems ist. Das heißt, sie ist die Fläche des geringsten Inhalts, die ein gegebenes Volumen einschließt. (Ein rigoroser Beweis dazu wurde allerdings erst 1884 von H.A. Schwarz geliefert.) Der Beitrag von Dirk Ferus in diesem Buch erklärt ausführlich die einzelne Seifenblase und zeigt z. B. andere schöne, fantasievolle Gebilde, die nur mathematisch und nicht physikalisch existieren können.
John M. Sullivan
Wärmeleitung, die Struktur des Raumes und die Poincaré-Vermutung
Zusammenfassung
Die Struktur von Raum und Zeit war schon immer eines der zentralen Themen wissenschaftlicher Untersuchungen. Heutzutage, ungefähr ein Jahrhundert nachdem Einstein seine allgemeine Relativitätstheorie formulierte, haben sich deren Erkenntnisse auch mehr oder weniger im wissenschaftlichen Verständnis der Allgemeinheit etabliert. Diese Theorie besagt, dass sich Raum und Zeit nicht unabhängig voneinander verstehen lassen, sondern dass man anstatt eines über alle Zeiträume hinweg unveränderlichen dreidimensionalen Raumes ein vierdimensionales Raum-Zeit Kontinuum betrachten sollte. In dieser Raum-Zeit enthaltene Massen (wie z. B. Planeten, Sterne, Galaxien, schwarze Löcher usw.) beeinflussen deren Struktur. Dies bedeutet unter anderem, dass der dreidimensionale Raum, den ein Beobachter zu einem festen Zeitpunkt wahrnimmt, in sich gekrümmt ist. Lichtstrahlen, welche immer die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten im Raum wählen, bewegen sich nicht unbedingt auf Geraden, sondern auf kürzesten Kurven, die sich an die Krümmung des Raumes anpassen, so genannten Geodäten. Zum Beispiel sind kürzeste Verbindungsstrecken auf unserer gekrümmten Erdoberfläche Teile von Großkreisen, wie zum Beispiel des Äquators. Sind die Massen nicht zu groß, so verursachen sie lediglich eine lokale Deformierung des Raumes, ohne aber dessen globale Gestalt zu verändern.
Klaus Ecker
Zufall und Mathematik: Eine späte Liebe
Zusammenfassung
Der Zufall ist sprichwörtlich „unberechenbar“. Wirklich hat es vergleichsweise lange gedauert, bis sich die Mathematiker des Themas angenommen haben.
Schnell wurde die Wichtigkeit des Gebiets erkannt, und entsprechend hoch war die Forschungsintensität. Jeder Überblick kann daher nur einen Teil der vielen interessanten Aspekte des Themas berühren. In der nachstehenden Auswahl wird die historische Entwicklung nur kurz gestreift. Unsere Themen:
• Wie fing es an?
• Wie macht man es heute?
• Grundlegende Konzepte
• Glücksspiel
• Der Zufall verliert sich im Unendlichen
• Die produktive Rolle des Zufalls
• Der Zufall im Mikrokosmos
• Philosophisches
Ehrhard Behrends

Prolog

Frontmatter
Empirische Mathematik: Die Methode (!) „Rate und Prüfe“
Zusammenfassung
Wir alle kennen die Geschichte, wie der junge Carl Friedrich Gauß angeblich die ersten 100 Zahlen aufaddierte, indem er einen „genialen“ Trick anwandte: Er addierte 1 und 100, dann 2 und 99, 3 und 98, und so weiter. Sein Trick wäre aber kläglich gescheitert, falls die Aufgabe gelautet hätte, die ersten 100 Quadrate aufzusummieren. Eine viel bessere Methode wäre für ihn gewesen, die ersten paar Terme der Folge a(n) := 1 +2 + · · · + n zu berechnen
a(0) = 0 , a(1) = 1 , a(2) = 3 , a(3) = 6 , a(4) = 10 ,
dann sein Genie zu verwenden, um das dahinter liegende Muster zu entdecken, nämlich
a(0) = (0 · 1)/2 , a(1) = (1 · 2)/2 , a(2) = (2 · 3)/2 , a(3) = (3 · 4)/2 , a(4) = (4 · 5)/2 ,
und dann die Vermutung a(n) = n(n + 1)/2 aufzustellen. Er hätte noch einige weitere Werte, sagen wir n = 5 und n = 6, testen können und daraus geschlossen, dass a(100) = (100 · 101)/2 = 5050 ist (vgl. [Z1]).
Shalosh B. Ekhad, Doron Zeilberger
Intuition versus logische Strenge
Zusammenfassung
Die Redewendung „Wir entdecken mit Intuition und beweisen mit Logik“ wird Henri Poincaré zugeschrieben. Diese Unterscheidung zwischen Intuition und Logik ist tatsächlich Teil der täglichen Praxis mathematischer Forschung. In diesem Beitrag möchte ich den Ausgangspunkt der Dissonanz zwischen den beiden Begriffen beschreiben, die Entwicklungen diskutieren, die sich während der kulturellen Evolution derMathematik vollzogen haben, und amSchluss einwenig über die Zukunft der Mathematik in diesem Zusammenhang spekulieren. Viele der Themen und historischen Ereignisse können in der angegebenen Literatur nachgelesen werden [2-6], andere sind leicht im Internet zu finden.
Zvi Artstein
Backmatter
Metadaten
Titel
Alles Mathematik
herausgegeben von
Martin Aigner
Ehrhard Behrends
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-09990-9
Print ISBN
978-3-658-09989-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-09990-9