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27.06.2024 | Altersvorsorge | Schwerpunkt | Online-Artikel

Mit dem Altersvorsorgedepot langfristig vom Kapitalmarkt profitieren

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

7 Min. Lesedauer

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Die gesetzliche Rente deckt den Finanzbedarf im Alter meist nicht. Ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot soll die Lücke schließen helfen - andere Länder machen dies bereits erfolgreich vor. Eine aktuelle Studie zeigt, was Deutschland von ihnen lernen kann.

Reformen haben es in Deutschland schwer. Das gilt allen voran für die private Altersvorsorge. Sie ist neben der gesetzlichen Rente und den betrieblichen Versorgungsleistungen die dritte Säule zur finanziellen Absicherung im Alter. Doch in diesem sozialpolitisch so wichtigen Bereich ist Deutschland der große Wurf noch nicht gelungen. Die vor mehr als zwei Jahrzehnten eingeführte Riester-Rente verfehlte den gewünschten Erfolg. 

Riester-Rente verfehlt ihr Ziel

"Das Modell sollte mit einer attraktiven staatlichen Förderung wie Zulagen und steuerlichen Vergünstigungen - gerade für Geringverdienende - die eigene Altersvorsorge der Bürgerinnen und Bürger fördern und damit die Rentenlücke mit schließen", erläutert Alexander Bahr, Regulatorik-Experte im Vorstandsstab der Deutschen Wertpapierservice Bank (DWP Bank), gegenüber springerprofessional.de. 

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Nun kommt die Riester-Nachfolge

Die Ampelregierung hat kein Vertrauen mehr in die Riester-Rente. Daher will das von der FDP geführte Finanzministerium in diesem Jahr ein Nachfolgeprodukt schaffen. Wie soll dieses aussehen und kann es die stagnierende private Altersvorsorge revitalisieren?

Ende Mai habe es 15,5 Millionen Riester-Verträge gegeben. "Aber viele werden nicht mehr bespart und in den unteren Einkommensgruppen auch wenig genutzt", so Bahr. Und die Zahl der Verträge geht seit 2018 zurück. "Große Institute haben ihr Neugeschäft bereits eingestellt."

Chancenreichere Anlage in die Vorsorge einbeziehen

Daher hat sich eine von der Bundesregierung eingesetzte "Fokusgruppe private Altersvorsorge" mit dem Thema befasst und in ihrem Abschlussbericht vom Sommer 2023 der Politik Empfehlungen für eine Reform mitgegeben. Diese bezieht auch "chancenreichere Anlagen mit höheren Renditen" ein, wie es beim Bundesministerium der Finanzen heißt. Die Idee ist "ein förderfähiges Altersvorsorgedepot ohne Garantievorgaben, in dessen Rahmen Vorsorgende in Fonds und andere geeignete realwertorientierte Anlageklassen investieren können". 

Die staatliche Förderung soll dabei mit "zielgenauen Zulagen" für bestimmte Einkommens- und Personengruppen strukturiert werden - und dies möglichst mit einer unbürokratischen Regelung. Ein erweitertes Zertifizierungsverfahren soll bei den förderfähigen Altersvorsorgeprodukten für eine möglichst hohe Transparenz bei Faktoren wie Risikodiversifikation, Kosten und Garantien sorgen. 

Australien, USA oder Frankreich als Vorbilder

Wie diese Altersvorsorgedepots ausgestaltet werden, hat die Expertengruppe allerdings nicht konkretisiert. Das Deutsche Aktieninstitut und die DWP Bank haben deshalb in einer im Mai veröffentlichten, gemeinsamen Studie entsprechende Anlageoptionen unter anderem in Australien, Frankreich, Irland, Kanada und den USA analysiert. Dort erreichen diese breite Bevölkerungsschichten - und das oft schon seit vielen Jahren. "Von den Erfahrungen aus dem Ausland kann der Gesetzgeber in Deutschland profitieren", heißt es in der Untersuchung. 

In anderen Ländern stehen die Erträge aus dem Kapitalmarkt, insbesondere die aus Aktienanlagen in der betrieblichen und privaten Altersvorsorge, teilweise gleichberechtigt neben dem umlage- oder steuerfinanzierten Renteneinkommen. Letztere bildet hierzulande hingegen noch immer zwei Drittel der Alterseinkünfte, wie nachstehende Tabelle belegt: 

Hohe Aktienquote mit Standardprodukten erreichen

Deshalb solle der Staat alle, die neben der gesetzlichen Rente für das Alter vorsorgen wollen und können, unterstützen, sagt Norbert Kuhn, stellvertretender Fachbereichsleiter Kapitalmärkte und Leiter Unternehmensfinanzierung beim Deutschen Aktieninstitut, auf Nachfrage. "Mit einer Aktienvoreinstellung über Standardprodukte für alle, die sich nicht selbst um die Zusammenstellung des Depots kümmern wollen, werden hohe Aktienquoten erreicht", erläutert der Experte.

Und das dürfte auch nötig sein, denn die Aktienkultur ist in Deutschland trotz des pandemiebedingten Börsen-Booms in den Jahren 2020 bis 2022 nicht so ausgeprägt wie in anderen Staaten. Laut den Statista Consumer Insights, für die im Sommer 2023 knapp 6.000 Personen zwischen 18 und 64 Jahren befragt wurden, legt nur gut jeder Fünfte (22 Prozent) Kapital in Aktien oder Investmentfonds an. 

Bei 42 Prozent der Teilnehmenden steht der Erhebung zufolge noch immer das klassische Sparbuch (42 Prozent) auf Rang eins unter den Anlageformen - das ist sogar ein Plus von zwei Prozent gegenüber der Vorgängerbefragung aus dem Jahr 2019. 

Kapitalmarkt schreckt viele Bürger ab

"Hierzulande begegnet man dem Kapitalmarkt oft noch mit einer gewissen Skepsis und Ängsten. Das liegt sicher nicht zuletzt auch an mangelnden Kenntnissen und finanzieller Bildung", bestätigt auch DWP-Bank-Experte Bahr. Dennoch lasse der Blick auf die Statistik hoffen, dass nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen des Kapitalmarkts beim Vermögensaufbau und insbesondere der eigenverantwortlichen Altersvorsorge zunehmend mehr gesehen werden. 

Das Interesse steigt, gerade in der jüngeren Generation. Beim Wertpapiersparen verzeichnen wir bereits heute ein geschätztes Volumen von über 30 Milliarden Euro pro Jahr. Im Vergleich zur gesetzlichen Rente übersteigt dieses Volumen deutlich die für 2024 geplanten Zuführungen zum Generationenkapital von zwölf Milliarden Euro pro Jahr. Von den knapp 50 Millionen Transaktionen, die die DWP Bank letztes Jahr für über 1.100 deutsche Finanzinstitute ausgeführt hat, verfallen ein Viertel auf Wertpapiersparpläne", führt Bahr aus. 

Junge Verbraucher offen fürs Aktiensparen

So haben sich laut Norbert Kuhn in der Altersgruppe der 14- bis 39-Jährigen die Zahlen in den vergangen Jahren verdoppelt. "3,6 Millionen der unter 40-Jährigen besitzen Aktien, Aktienfonds und ETFs. Diese Kohorte steht heute für ein Drittel aller Aktiensparer." Doch die mehr als 40 Prozent, die Verbraucher derzeit noch auf dem Tages- oder Festgeldkonto parken, machen dem Experten zufolge mehr als drei Billionen Euro aus. "Das zeigt, welches Potenzial das Wertpapiersparen in Deutschland hat, wenn nur ein Teil davon in Aktien umgeschichtet wird."

Wie sehr sich die Aktienanlage für die kommenden Rentnergenerationen lohnen können, zeigt beispielsweise der schwedische Pensionsfonds AP7 Såfa. Er ist Teil der gesetzlichen Rente in Schweden. Mit einem Aktienanteil von über 90 Prozent erzielte er von 2000 bis 2023 eine Rendite von jährlich 10,4 Prozent. 

In Australien habe sich zum Beispiel ein Marktstandard für entsprechende Produkte mit Aktienquoten von bis zu 80 Prozent herausgebildet, erklärt Kuhn. 

Langfristig von höheren Erträgen profitieren

Mit einem entsprechendem Altersvorsorgedepot können laut der Analyse auch deutsche Sparerinnen und Sparer staatlich gefördert mit geeigneten Finanzprodukten für das Alter vorsorgen. "Sie nutzen die attraktiven Renditen, die langfristig einen höheren Ertrag als andere Anlage- und Sparformen erwirtschaften", heißt es in der Studienzusammenfassung. Eine Kapitalanlage mit einem "relevanten Aktienanteil" sei vor allem "für Menschen mit geringeren Einkommen ein ideales Instrument für die Altersvorsorge". 

Für die Umsetzung hält der Report insgesamt fünf zentrale Handlungsempfehlungen bereit: 

Die Handlungsempfehlungen im Detail

  1. Keine Garantievorgaben: Dass ein Verzicht auf Garantien sinnvoll ist, zeigt der Studie zufolge die hohe Aktienquote der Altersvorsorgedepots in den betrachteten Ländern, die keine gesetzlichen Vorgaben für Beitragsgarantien oder Mindestverzinsungen haben. Damit erzielen die Sparer höhere Erträge trotz kurzfristiger Kursschwankungen. "Darüber hinaus sollte der deutsche Gesetzgeber eine Mindestaktienquote als Voraussetzung für die Nutzung des Altersvorsorgedepots vorgeben", heißt es in der Empfehlung der Studienautoren. Das gesetzlich vorgegebene Minimum von 60 Prozent beim Fondssparen mit vermögenswirksamen Leistungen biete hierfür eine gute Orientierung.
  2. Zulassungshürden vermeiden: Wenig ratsam sei hingegen die regulatorische Zertifizierung von Altersvorsorgedepots oder Anbietern. In den analysierten Staaten gebe es ein breites Produktangebot verschiedener Wettbewerber, die "fast ausschließlich hoch regulierte Finanzinstitute wie Banken, Versicherungsgesellschaften oder Kapitalverwaltungsgesellschaften" umfassen. Eine zusätzliche bürokratische Hürde, wie zum Beispiel
  3. Standardprodukte und individuelle Alternativen: Außerdem rät die Studie zu einem einfachen und verständlichen Angebot aus Standardprodukten und individuellen Anlagen, um eine möglichst große Zielgruppe von Bürgern anzusprechen. Die Standardprodukte in den untersuchten Ländern haben in der Regel zu Beginn der Sparphase einen hohen Aktienanteil, der bis zum Erreichen des Rentenalters automatisch reduziert wird (Lebenszyklusmodell). Wer allerdings die Finanzprodukte des Altersvorsorgedepots selbst auswählen wolle, sollte auch diese Option wählen können.
  4. Steuerliche Förderung optimieren: Zudem schlägt die Studie eine attraktive steuerliche Förderung vor, die die Akzeptanz erhöht. Auch hier sei das Ausland deutlich großzügiger als Deutschland. "Die Möglichkeit, entsprechende Beiträge von der Steuer abzusetzen, sollte von derzeit 2.100 Euro auf 6.000 Euro jährlich angehoben werden. Das entspricht der Praxis in den USA", betont Anlagefachmann Kuhn. 
  5. Flexibilität bei der Auszahlung: Schließlich haben sich auch Auszahlungspläne in den untersuchten Ländern als Erfolg erwiesen, da sie nur die Auflösung des für das jeweilige Jahr benötigten Vermögens vorsehen. So bleibe bei einer Auszahlung beispielsweise über 20 Jahre das Kapital weiterhin in Aktien angelegt und erwirtschaftet so weiter attraktive Erträge. Dagegen verzichten die Länder auf eine Verpflichtung, ein bestimmtes Renteneinkommen bis zum Lebensende zu garantieren. "Die Flexibilität, einen Auszahlungsplan ohne eine verpflichtende Verrentung wählen zu können, muss auch in Deutschland gewährleistet sein", lautet die fünfte Studienempfehlung.

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