Die untersuchte Printberichterstattung zum Thema Impfen ist in ihrer Tonalität überwiegend positiv. Im Gegensatz dazu sind die untersuchten Beiträge auf YouTube überwiegend negativ, neutral oder ambivalent. Die YouTube-Inhalte sind dabei in 31 Prozent der Fälle Fake News. Diese Beiträge beschreiben das Impfen in hochemotionalen, moralisch negativ konnotierten Kategorien. Der stark dominierende moralische Bezug in der Print-Stichprobe ist die Kategorie „Care“. In 86,6 Prozent der Print-Beiträge wird das Impfen als ein Akt der Fürsorge, des Schutzes oder der Vorsorge dargestellt. „Fairness“, „Loyality“ und „Authority“ sind drei weitere Kategorien, die in etwa 35 Prozent aller Artikel vertreten sind. Die Kategorie „Purity“ hingegen spielt in den Printmedien keine Rolle. In keinem Artikel wurde das Impfen als „Harm“ beschrieben. Im Vergleich zeigt die YouTube-Stichprobe mehr Varianz in der Verwendung von moralischen Assoziationen. Negative Bezüge wie „Harm“, „Cheating“, „Betrayal“ und „Degradation“ treten signifikant häufiger auf. Dieses Bild verstärkt sich bei den Fake News auf YouTube. Hier wird Impfen überwiegend als „Harm“ (83 Prozent), „Cheating“ (83 Prozent), „Betrayal“ (82 Prozent) und „Degradation“ (76 Prozent) dargestellt. Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen damit die Hypothese, dass YouTube maßgeblich zur Verbreitung von Fake News zum Thema „Impfen“ beiträgt und, dass diese Beiträge aufgrund ihrer ausgeprägt negativen moralischen Bezüge zu intuitiven Affekten der Ablehnung führen können. Es deutet sich zudem an, dass - im Ansinnen ausgewogener Berichterstattung - Journalisten in Pro/Contra-Beiträgen zur Verbreitung von Fake News beitragen. Dieser „False Balance“-Effekt kann als Teil eines Agenda-Setting-Effekts zwischen und innerhalb der Medien verstanden werden, der sich ebenfalls in den Ergebnissen der Analyse abzeichnet.
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Herzlichen Dank an dieser Stelle an Anouk Schier, Alicia Hemstege, Lisa Claus, Matthias Leuker und Adrian Fonger, dafür, dass sie mit mir gemeinsam das anspruchsvolle Material codiert haben.
Der Begriff beschreibt eine falsche Ausgewogenheit, die dadurch entsteht, dass in der Absicht einer balancierten Berichterstattung gegensätzliche Positionen gleichproportional wiedergegeben werden, auch wenn diese wissenschaftlich unbelegt sind.