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14.03.2017 | Anlageberatung | Kolumne | Online-Artikel

Mensch gegen Fintech – ein Praxisbeispiel

verfasst von: Prof. Dr. Christian Rieck

4 Min. Lesedauer

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Roboberater treten an, um Beratung für die Kunden einfacher zu machen. Finanzexperte Christian Rieck untersucht gerade, ob das gelingt. Eine Anekdote aus dem Untersuchungsalltag.

Wer ist eigentlich der bessere (Anlage-) Berater: Mensch oder Roboter? Als Forscher ist man zu einem gewissen Grad naiv. So komplex die eigentliche Frage auch sein mag, am Ende möchte man sie am liebsten auf eine einfache Frage reduzieren, und die sollte möglichst mit Zahlen beantwortbar sein. Deshalb haben wir uns einen Testfall ausgedacht und uns auf den Weg gemacht, um den Rat sowohl von real existierenden Robo-Beratern einzuholen als auch von Menschen. Danach rechnen wir wichtige Kennzahlen aus und beurteilen, wie gut die Ratschläge für den Fall geeignet sind.

Unser Fall war eine Studentin, die 20.000 Euro als vorweggenommenes Erbe bekommen hat und diese längerfristig anlegen wollte, um einen Grundstock für einen möglichen Immobilienkauf zu haben. Notfalls wollte sie natürlich auch an das Geld früher oder gegebenenfalls später herankommen können, falls sich das Leben anders entwickelt als gedacht. Die Geldanlage stand also im Vordergrund. 

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Ein guter Berater würde sicherlich auch nach rechts und links schauen, um auf Dinge aufmerksam zu machen, an die eine noch etwas unerfahrene Studentin nicht selbst denken würde. Ein Fall, der gut geeignet sein sollte, damit menschliche Berater punkten können.

Viele Beratungskurven

Einer der ersten Berater war für einen bekannten freien Finanzdienstleister tätig. Unsere Testkundin vereinbarte einen Termin – und war verwirrt. Der Berater hielt zunächst einen Vortrag über Versorgungslücken. Nach drei Stunden stand im Wesentlichen eine Berufsunfähigkeitsversicherung im Raum, aber keine Idee für die 20.000 Euro. Auf dem Protokoll stand: keine Empfehlung erhalten. Wir wollten aber eine, und so kam es zu einem zweiten Termin. Dieser Termin dauerte vier weitere Stunden. In Stunde sechs erinnerte die Kundin massiver an den Grund für den Termin und bekam eine Liste mit etwa 50 Fonds und eine Empfehlung vom Typ "Suchen Sie sich einfach welche aus." Die Kundin erinnerte dezent daran, dass sie für eine Beratung zu genau diesem Thema gekommen war und erhielt immerhin einige Kreuzchen vor einige der Fondsnamen. Als sie anmerkte, dass sie eigentlich lieber etwas ohne Ausgabeaufschlag kaufen würde, bot der Berater großzügig 100 Prozent Verzicht auf den Ausgabeaufschlag an, fragte aber, ob er denn für seine Beratungsleitung wirklich nur 80 Euro im Jahr bekommen sollte. Und konzentrierte sich weiter von der Berufsunfähigkeitsversicherung. Auch nach dem Termin ließ er nicht locker und rief ausdauernd zu diesem Thema an.

Fassen wir einmal die Performance des freien Finanzberaters zusammen: Er hat sieben Stunden Zeit unserer Kundin in Anspruch genommen, zwei Tage blockiert und sie mit Nachfass-Telefonaten beschäftigt. Als Gegenleistung gab es eine Anlageempfehlung, die eigentlich keine ist, aber dafür den Vorschlag für eine Versicherung, die ganz ausdrücklich nicht gewünscht wurde und in dem Testfall auch komplett unsinnig war. Wie gesagt, eine Anekdote. Aber sie erinnert mich an einen Zettel, den ich einmal nach einer Vorlesung vorfand: Ich solle sofort bei einem bestimmten freien Finanzdienstleister  anrufen, wegen meines bestehenden Versicherungsvertrags. Das klang so dringend, dass ich fast aus der Vorlesung geholt worden wäre; und war der Versuch, einen Verkaufstermin mit mir zu machen.

Roboter sind wie Doppelagenten

Ich spreche oft davon, dass Roboter immer Doppelagenten sind und nicht nur für den Kunden arbeiten. Im unserem Testfall fällt es mir allerdings schwer, überhaupt von einem Doppelagenten zu sprechen. Er arbeitete ausschließlich für sich und gar nicht für seine Kundin. Ich kann schon einmal vorwegnehmend berichten, dass das bei allen besuchten Kreditinstituten viel besser war. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass es hier ein Problem gibt: Der Beitrag menschlicher Berater ist in manchen Fällen erschreckend gering und kann – wie hier – sogar negativ sein. Das ging gut, als es noch kein Alternativen gab. Aber es gibt sie jetzt, und wenn die Branche nicht sehr schnell gegenlenkt, dann ist das Vertrauen der Kunden komplett verloren und das System kippt in den Zustand, in dem es nur noch Robo-Berater gibt. Denn dort hat man solche Erlebnisse nicht.

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