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06.04.2023 | Anlageberatung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Verlustaversion hemmt rationale Anlageentscheidungen

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4:30 Min. Lesedauer

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Die Menschen spüren die hohe Inflation beim täglichen Einkauf oder beim Blick auf die Stromabrechnung. Doch ein Viertel weiß den Begriff nicht richtig zu erklären, so eine aktuelle Umfrage. Das schürt Ängste und befeuert die Verlustaversion der Sparer. Bank- und Finanzberater müssen darauf reagieren.

"Den Projektionen zufolge wird die Inflation für eine zu lange Zeit zu hoch bleiben. Der EZB-Rat beschloss daher am 16. März 2023, die drei Leitzinssätze der EZB um jeweils 50 Basispunkte anzuheben", leitet die Europäische Zentralbank (EZB) ihren jüngsten Wirtschaftsbericht (Ausgabe 2 | 2023) ein. Dieser Schritt diene dem Zweck, "eine zeitnahe Rückkehr der Inflation auf das mittelfristige Ziel von zwei Prozent sicherzustellen". Aktuell verliert die Teuerungsrate bei den Verbraucherpreisen zwar an Tempo. Dennoch wird das Plus nach Meinung von Volkswirten im März 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat betragen. So bleibt die Inflation ein Dauerthema in deutschen Medien und der Politik. Und Verbraucher spüren sie vor allem in der Brieftasche. 

HVPI schafft Vergleichbarkeit

In der Europäischen Union (EU) wird die Inflationsrate in der Regel mit dem sogenannten Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) ermittelt. Dieser erfasst "die im Zeitablauf auftretenden durchschnittlichen preislichen Änderungen der Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte erwerben", erläutert Leef H. Dierks im Buch "Geldpolitik" auf Seite 34. 

Der HVPI wird dem Springer-Autor zufolge von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemäß einer in Verordnung (EU) 2016/792 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 11. Mai 2016 über harmonisierte Verbraucherpreisindizes und den Häuserpreisindex sowie der zugehörigen Durchführungsverordnung beschriebenen harmonisierten Methodik erstellt. Das ermögliche Ländervergleiche, die im Kontext der Wirtschafts- und Währungsunion der Bewertung der Preisniveaustabilität dienen. 

"So können die Verbraucherpreisindizes der Länder direkt miteinander verglichen und aggregiert werden, womit eine vergleichbare Messgröße für die Inflation der Verbraucherpreise zur Verfügung steht", betont der Professor, der an der TH Lübeck unter anderem zu internationalen Kapitalmärkten und Wirtschaftspolitik unterrichtet. 

Beim Thema Inflation herrschen Wissenslücken

Auch wenn die Inflation für viele Menschen seit Monaten Dauerthema ist, haben nicht alle Bundesbürger einschlägiges Fachwissen, wie eine Umfrage aus dem Januar 2023 belegt. Für diese hat das Meinungsforschungsinstitut Yougov im Auftrag des Finanzberaters Swiss Life Select mehr als 3.000 Menschen befragt. Laut der Erhebung geben 71 Prozent der Teilnehmer an, dass sie über die Inflation informiert sind und auch den Begriff grundsätzlich erklären können.

Dabei bewerten Männer mit 50 Prozent das eigene Know-how als "gut" oder sogar "sehr gut". Bei den Frauen sind allerdings nur 29 Prozent dieser Meinung. 
Fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) führen im Familienkreis Gespräche zum Umgang mit der Inflation. Mit Freunden und Bekannten diskutiert ein Drittel der Menschen (34 Prozent) und 17 Prozent tauschen sich im Job über die Auswirkungen aus. 

Ihre Informationen beziehen die Verbraucher dabei in erster Linie aus dem Fernsehen und Radio (29 Prozent). Die Familie und Freunde liefern für jeden Fünften (22 Prozent) die notwendigen Details. Fast ebenso viele informieren sich auf Online- oder Printmedien (20 beziehungsweise 18 Prozent). Das persönliche Beratungsgespräch mit einem Finanzexperten ist für 13 Prozent der Befragten die beste Wahl, um Wissenlücken beim Thema Inflation zu schließen. Doch aller Informationen zum Trotz sind auch 46 Prozent der befragten Konsumenten dem Thema Inflation und der damit zusammenhängenden Diskussion überdrüssig. 

Vorsorgeberatung in unsereren Zeiten

"Anlagen und Sparpläne können helfen, über Krisen hinwegzukommen, für das Alter vorzusorgen und mehr Sicherheit in unsicheren Zeiten herbeizuführen", erläutert Mira Fauth-Bühler in der Zeitschrift "Versicherungsmagazin" (Ausgabe 2 | 2023). In ihrem Beitrag erklärt die Professorin für Wirtschaftspsychologie und Neuroökonomie an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management, warum die Deutschen trotz Inflation einen Großteil des Vermögens in Bargeld und Bankeinlagen statt in Finanzprodukte mit höheren Renditechancen stecken: 

Ein besseres Verständnis des Entscheidungsprozesses sowie beeinflussender psychologischer Faktoren, die dem Investment- und Sparverhalten der Kunden zugrunde liegen, ist für Berater von Bank- und Versicherungsprodukten hilfreich. Sie erkennen, was ihre Kunden davon abhält, in entsprechende Finanzprodukte zu investieren, und wie sie diese Hürden überwinden helfen können. Um deren Denkweise zu verstehen, muss man sich vom Modell des Homo oeconomicus lösen. Der Mensch ist kein ausschließlich wirtschaftlich denkendes Wesen, das für seine Entscheidungen Kosten und Nutzen sorgfältig gegeneinander abwägt", so die Expertin. 

Verlustaversion der Kunden verringern

Die sogenannte Prospect Theory beschreibe, warum sich Menschen in Entscheidungssituationen häufig irrational verhalten, besonders wenn die Eintrittswahrscheinlichkeiten künftiger Umstände nicht bekannt sind. "Es zeigt sich dann eine allgemeine Tendenz, Verluste stärker zu gewichten als Gewinne des gleichen Betrags", beschreibt Fauth-Bühler die Verlustaversion. Daher sei es auf Beraterseite wichtig, über dieses Phänomen aufzuklären. 

"Besonders effektiv ist in diesem Zusammenhang zu betonen, welcher Verlust entsteht, wenn das Geld auf dem Girokonto bleibt, statt den Nutzen der angebotenen Investmentprodukte zu fokussieren." Kunden sollten sich dabei aber nicht ihrer Entscheidungsfreiheit beraubt fühlen, betont die Expertin. 

Mit konkreten Sparzielen beraten

"Zielführender ist es, ein oder zwei wichtige Sparziele des Kunden zu verfolgen, um die Selbstbeherrschung zu erhalten", rät Fauth-Bühler. Im Beratungsgespräch sollten diese gemeinsam mit dem Kunden möglichst konkret formuliert werden. "Nachdem die Ziele erreicht sind, ist es an der Zeit, sich den nächsten, gegebenenfalls etwas langfristigeren Absichten wie Spar- und Anlageplänen für die Altersvorsorge zu widmen. Je weniger Anstrengung der Vermögensaufbau erfordert, desto eher lässt er sich erfolgreich umsetzen."

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