Nach der Finanzkrise hat sich das Anlegerverhalten in einigen Bereichen grundlegend verändert. Aus Sicht der Kundenberater von Banken und Sparkassen, die das Research Center of Financial Studies der Steinbeis Hochschule in Berlin vor einiger Zeit befragt hat, ist das Interesse der Privatanleger am Thema Geldanlagen zurückgegangen. Kunden seien durch die volatile Marktentwicklung verunsichert, Sicherheit der vorherrschende Aspekt beim Sparen. Insgesamt 86 Prozent der befragten Bundesbürger gaben im "Sparerkompass Deutschland 2015" der Royal Bank of Scotland beispielsweise an, dass ihnen der Schutz der Ersparnisse bei einer Geldanlage wichtig sei. Die Höhe der Rendite war nur für 30 Prozent der Befragten von Bedeutung. Dementsprechend beliebt sind Sparbücher oder Bausparverträge. Als Hauptgrund dafür, warum sie Sparbücher trotz Verzinsung nahe Null nutzen, nannte über die Hälfte der Sparer, dass sie die Flexibilität schätzen, ihr Geld jederzeit abheben zu können.
Wie rational handeln Anleger?
Überdies handeln private Anleger bei der Geldanlage nicht immer rational. Oder doch? Susan Pulham und Michael Deeken, Verfasser des Buchs zur "Rationalität von Anlageentscheidungen", stellen fest, dass private Anleger nicht nur ökonomische, sondern auch weiche Ziele verfolgen, die auf das "Wohlfühlen des Entscheiders abzielen".
Das verdeutlichen sie am Beispiel von Kapitalmarktteilnehmern: So dürfte es für Anleger, die überzeugt sind, sich gut mit Aktien auszukennen, schmerzhaft sein, wenn die getroffene Kaufentscheidung sich negativ entwickelt. Sie glauben: Je größer die Verantwortung ist, die man gegenüber sich selbst oder Dritten für Geldanlagen trägt, desto schlimmer schmerzen Fehltritte. Neben rationalen Faktoren wie beispielsweise den irreversiblen Kosten zählen aber auch Diskussionen im Freundeskreis als Einflussfaktoren. Anleger entscheiden also nicht immer nur nach Fakten. Sie handelten vor allem am Kapitalmarkt mit "selektiver Wahrnehmung" und blendeten häufig negative Informationen als nicht relevant oder nicht glaubwürdig aus, wie die Autoren beobachten.
Die Kauffalle
Interessant im Anlegerverhalten ist die so genannte Sunk-Cost-Falle: So wird es aus Sicht von Pulham/Deeken immer leichter fallen, beispielsweise weitere Anlageentscheidungen zu treffen, die eine schon einmal gefällte Kaufentscheidung rechtfertigen sollen. Das gilt typischerweise bei Aktien mit fallenden Kurven, um den durchschnittlichen Einstandspreis zu senken. Sind die Prognosen für die Zukunft gut, kann es ein rationaler Entschluss sein. Doch Anleger malen diese laut den Autoren gerne zu positiv, weil sie Fehler nicht eingestehen wollen.
Beratungschancen ausloten
Für klassische Wertpapier- und Vermögensberater ergeben sich daraus Chancen. Denn die Finanzmärkte und ihre Produkte sind so komplex geworden, dass das Verständnis von Privatanlegern allein nicht dafür ausreicht. Insbesondere strukturierte Produkte sind in der Bankberatung für private Anleger interessant, weil sie ihrem grundlegenden Sicherheitsbedürfnis entgegenkommen. Kundenberater, die solche Produkte nach Vorgabe ihres Instituts verkaufen, übertragen laut den Anlegerexperten zwar häufig die Verantwortung aufgrund der internen Hierarchiestrukturen auf Vorgesetzte. Doch
- verschiedene Kontrollmechanismen,
- Entscheidungen nach dem Vier-Augen-Prinzip und
- einheitliche Informationen als Basis für Anlageentscheidungen
beugen Konflikten oder Fehlern im Beratungsprozess vor. Vermögensverwalter müssen sich im Vergleich dazu besonders um das persönliche Befinden ihrer Kunden kümmern, um die Kundenzufriedenheit zu steigern. Neben einer besonders guten Information solcher Kunden sollten sie zum Beispiel darauf achten, dass Kunden realistische Bezugspunkte bei der Bewertung von Veränderungen ihrer Anlagewerte zugrunde legen.