Eine Abwrackprämie für Autos mit Verbrennungsmotor könnte laut einer ICCT-Studie zur Erreichung der Klimazeile beitragen – und billiger sein als E-Fuels. Widerstand kommt von der eFuel Alliance.
Eine Abwrackprämie für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor könnte einer neuen Studie zufolge einen erheblichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten – und im Vergleich zu E-Fuels deutlich billiger sein. Das geht aus der Untersuchung des Umweltforschungsverbunds ICCT hervor. Demnach gehen die Forscher auch davon aus, dass mit einem Abwrackprogramm im Vergleich zu E-Fuels nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr CO2 eingespart werden kann – nämlich bis zu einem Drittel der bis 2030 benötigten Einsparungen im Verkehrssektor.
Konkret sieht das in der Studie vorgeschlagene Abwrackprogramm eine Stilllegung von acht Millionen Autos vor. Damit könnten bis zu 11 Millionen t CO2-Äquivalente eingespart werden. Bei E-Fuels liege das sogenannte Emissionsminderungspotenzial jedoch nur bei bis zu 190.000 t an CO2-Äquivalenten.
E-Fuels sind teuer
Zugleich schätzen die Wissenschaftler die Produktionskosten für in Deutschland produzierte E-Fuels – also synthetische Kraftstoffe aus erneuerbarer Energie – im Jahr 2030 auf etwa 910 Euro pro vermiedener t an CO2-Äquivalenten. Bei einem Abwrackprogramm seien es hingegen nur 313 Euro pro t bei Dieselfahrzeugen und 255 Euro bei Benzinern.
Auch bei im Ausland hergestellten und nach Deutschland eingeführten E-Fuels wären die Kosten deutlich höher. Die geschätzten Kosten für E-Fuels, die zum Beispiel aus Brasilien importiert werden, liegen laut Studie 2030 bei etwa 619 Euro pro t CO2-Äquivalenten.
Das International Council on Clean Transportation (ICCT) ist eine unabhängige Forschungsorganisation. Sie hat 2015 in den USA den VW-Abgasskandal mit aufgedeckt. Im Zentrum der aktuellen Studie steht die Frage, welchen Beitrag ein Abwrackprogramm leisten kann, um die bestehende Lücke bei der Senkung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor zu schließen. Dafür haben sich die Autoren die prognostizierte Fahrzeugflotte für das Jahr 2030 angesehen – auch deshalb, weil bis dahin laut dem Geschäftsführer von ICCT Europa, Peter Mock, mit genügend verfügbaren E-Autos für Verbraucher gerechnet wird.
49 Millionen Verbrenner auf den Straßen
Mit einer Abwrackprämie könnte der Umstieg auf ein nachhaltiges Verkehrsmittel erleichtert werden. Das könnte so aussehen: Bringen Autofahrerinnen und Autofahrer ihre Benzin- und Diesel-Pkw zum Schrottplatz und entscheiden sich stattdessen für ein Auto mit E-Motor, erhalten sie eine Prämie.
Das in der Studie umrissene Programm rechnet mit Dieselautos, die mindestens 15 Jahre gefahren wurden und Benzinfahrzeuge, die 25 Jahre oder älter sind. Die ausgezahlte Prämie entspreche 80 % des Restwerts. Würde der Vorschlag so umgesetzt, gäbe es 2.000 bis 6.000 Euro für ein Dieselauto und 2.000 bis 3.000 für einen Benziner – gestaffelt nach Alter.
Aktuell sind Studienleiter Kyle Morrison zufolge 49 Millionen Autos mit Verbrennungsmotor auf Deutschlands Straßen unterwegs. Das würde die Erreichung der Klimaziele ernsthaft gefährden. "Unsere Studie präsentiert ein kosteneffizientes Abwrackprogramm, das gesundheitliche Vorteile für die Gesellschaft maximiert und den Fortschritt in Richtung Verkehrswende beschleunigt", erklärt Morrison.
Studie sieht auch gesundheitliche Vorteile
Zudem würden E-Fuels keinen Beitrag zur Verbesserung der Luft und damit der Gesundheit der Menschen leisten. Das sehe mit einem Abwrackprogramm anders aus. Die Stilllegung von Verbrennern – besonders von Dieselautos – könne durch die Reduzierung von Schadstoffen in der Luft erheblich zur Gesundheit der Menschen beitragen.
Allerdings ist auch die Abwrackprämie in Hinblick auf einen nachhaltigen Verkehr nur die zweitbeste Lösung, sagte Mock im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. Vernünftiger sei es, Neufahrzeuge direkt elektronisch und emissionsfrei zu machen. Das sei auch billiger, als Altfahrzeuge später wieder von den Straßen zu bekommen.
eFuel Alliance nimmt Stellung zur ICCT-Studie
Für die eFuel Alliance ist das der falsche Weg. Die Interessengemeinschaft weist die Erkenntnisse und Forderungen der Studie des ICCT entschieden zurück. "Der Vorschlag fahrtüchtige Fahrzeuge zu verschrotten, ist eine Absurdität und in keiner Weise nachhaltig, weder ökologisch noch ökonomisch. Wollen wir Ressourcen und das Klima schützen, müssen die bereits eingesetzten Materialien so lange wie möglich und bestenfalls in einem Kreislaufsystem genutzt werden", sagt Monika Griefahn, die Vorstandsvorsitzende der eFuel Alliance, in einem Pressestatement. Auch sei eine derartige Abwrackprämie bei der aktuellen Haushaltslage nicht zu finanzieren. "Das Geld steht schlicht nicht zur Verfügung. Nicht umsonst wurde auch die Kaufprämie für Elektrofahrzeuge zurückgenommen, mit spürbarem Effekt", so Griefahn.
Zudem kritisiert die Organisation die regulatorischen Anreize für erneuerbare Kraftstoffe in der Europäischen Union (EU). Diese seien viel zu gering, die Regulierungen zu restriktiv. Die europäischen Gesetzgeber hätten im Verkehrssektor bis 2030, und dort nur für die Luft- und Schifffahrt, E-Fuels mit einem Anteil von nur 1 % berücksichtigt. Der Markthochlauf von E-Fuels werde so künstlich ausgebremst. Statt E-Fuels politisch zu behindern, sollten sie gefördert werden: "Mischen wir fünf Prozent eFuels in den europäischen Kraftstoffmarkt, sparen wir damit jährlich 60 Millionen Tonnen CO2 jährlich. Das entspricht dem Ausstoß von 40 Millionen Fahrzeugen im Jahr", so Greifhahn.
"25 Jahre alte Benziner sind in der Regel Sammlerstücke"
Die eFuel Alliance ordnet auch einzelne Passagen aus der ICCT-Studie ein. Demnach plane das ICCT, 8 Mio. Fahrzeuge zu verschrotten. "Die Herstellung eines E-Fahrzeugs emittiert bei einer 60 kWh Batterie mindestens 15 Tonnen CO2. Der angenommene CO2-Vorteil von 11 Millionen Tonnen CO2 verfällt demnach allein durch die Fahrzeugproduktion", hält die eFuel Alliance entgegen. Zudem seien die in der Studie genannten Sektorziele des Klimaschutzgesetzes aufgehoben worden. Des Weiteren hätten die ICCT-Studienautoren mit E-Fuel-Produktionskosten in Deutschland von 2,90 € pro l und 2,20 € pro l bei Import gerechnet. Zahlreiche Studien, zum Beispiel von der Internationalen Energie Agentur und dem Fraunhofer ISE, würden jedoch Produktionskosten pro Liter unter 2 € pro Liter projizieren (selbst mit teuren Technologien wie Direct Air Capture), so die eFuel Alliance.
Darüber hinaus unterstreicht die eFuel Alliance, dass sich die Klimaneutralität im Verkehrssektor nicht allein auf den Auspuff von Fahrzeugen konzentrieren dürfe, und kritisiert diese Prämisse an der ICCT-Studie. "Die CO2-Vermeidungskosten werden auf Basis des Tank-to-Wheel Ansatzes berechnet, blicken demnach nur auf den Auspuff. Die Annahme, dass ein im deutschen Strommix beladenes Elektrofahrzeuge 100 % emissionsfrei fährt, ist falsch", heißt es. Letztendlich stellt die eFuel Alliance auch in Frage, ob eine Abwrackprämie in der Bevölkerung überhaupt Akzeptanz finden würde: "25 Jahre alte Benziner sind in der Regel Sammlerstücke. Die Annahme das diese Fahrzeuge in großer Stückzahl für eine Prämie verschrottet werden, ist abwegig".
Lindner will Fahrzeuge mit E-Fuels steuerlich fördern
Kürzlich hat sich auch die FDP für E-Fuels ausgesprochen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will Autos, die nur mit E-Fuels betankt werden, steuerlich fördern. Durch einen Wechsel zu klimaneutralen Antrieben und synthetischen Kraftstoffen aus erneuerbaren Energiequellen könne ein Beitrag geleistet werden, den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor zu reduzieren, heißt es in einem Referentenentwurf des Finanzministeriums, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die Fördermaßnahmen sollen aber erst im Jahr 2030 starten. Signifikante Zulassungszahlen für "E-Fuels-only-Kraftfahrzeuge" werden erst ab dem Jahr 2030 angenommen, wie es im Gesetzentwurf heißt. Konkret soll laut Entwurf die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für Fahrzeuge, die nur mit E-Fuels betankt werden, ab erstmaliger Zulassung des Autos in der Zeit vom 1. Januar 2030 bis zum 31. Dezember 2039 für die Dauer von zehn Jahren gewährt werden – längstens bis zum 31. Dezember 2042. Regelungen zur Dienstwagenbesteuerung von "E-Fuels-only-Kraftfahrzeugen" im Einkommensteuergesetz sollen demnach zeitlich befristet sein vom 1. Januar 2030 bis zum 31. Dezember 2039.