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02.06.2017 | Antriebsstrang | Nachricht | Online-Artikel

Helmut List: "Letztlich zählt der reale Energieverbrauch"

verfasst von: Angelina Hofacker

4 Min. Lesedauer

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Welche Antriebssysteme können heute und in Zukunft eine umweltverträgliche Mobilität ermöglichen? Darüber tauschen sich aktuell Experten der Automobilindustrie auf der Tagung Motor und Umwelt in Graz aus.

Vor allem die negativen Umweltauswirkungen des Straßenverkehrs stehen zurzeit im Fokus der öffentlichen Debatte. Zunehmend strenger gefasste Grenzwerte sollen sicherstellen, dass der Verkehr sowohl für den Menschen als auch für die Umwelt keine Belastung darstellt. Die Wahl des richtigen Antriebskonzepts kann hierbei aufgrund der zum Teil widersprüchlichen Zielsetzungen jedoch nicht pauschal getroffen werden. "Die Fahrzeug- und Antriebsstrangentwickler müssen gleichzeitig die CO2- sowie die Schadstoffemissionen senken und das Leistungs- beziehungsweise Fahrverhalten verbessern, ohne dabei Kosten und damit Preise für zunehmend komplexere Antriebe ausufern zu lassen", umriss Professor Dr. Helmut List die Herausforderungen der Branche in seiner Eröffnungsrede zur Tagung Motor und Umwelt am 1. Juni in Graz. 

"Es sollten aber a priori auf der Basis von Erfahrungen von gestern keine bestimmten Technologien von morgen ausgeschlossen werden", betonte der Vorsitzende der Geschäftsführung von AVL List. Es müsse vielmehr die Chance bestehen, mit einem technisch breiten Portfolio-Ansatz, das heißt einer umfassenden Berücksichtigung aller möglichen Technologien, für bestimmte Anwendungen die jeweils optimalen – effizienten und umweltverträglichen – Lösungen zu finden. "Letztlich zählt der reale Energieverbrauch – ob nun Kraftstoff oder der Strom", hob Professor List hervor. Er warnte in seinem Vortrag davor, weder Batterie- noch Brennstoffzellenfahrzeuge isoliert zu betrachten. Diese müssen ihm zufolge im Zusammenhang sowohl mit der Effizienz der Strom- beziehungsweise Wasserstoffbereitstellung sowie der entsprechenden Infrastruktur gesehen werden. Hier stellten sich die Fragen, ob es ausreichend CO2-neutralen Strom beziehungsweise regenerativ hergestellten Wasserstoff für diese Fahrzeuge geben wird. "Das sind letztlich zwingende Voraussetzungen, damit die Einführung von solchen Antrieben wirklich auch einen positiven Umwelteffekt hat", stellte Professor List fest.

Kein voreiliger Abgesang auf den Verbrennungsmotor

Die Art der Energiequelle beeinflusst erheblich die Einordnung einer Technologie, zeigte auch Mitsuo Hitomi, Master Managing Executive Officer bei Mazda, in seinem Eröffnungsvortrag über die Rolle des Verbrennungsmotors als ein Antriebskonzept zur künftig weiteren Reduzierung von CO2-Emissionen. Anhand des Energiemixes in Japan, in dem – ähnlich wie in Deutschland – heutzutage noch Energie aus fossilen Energieträgern wie Kohle dominieren, verdeutlichte Hitomi, dass unter bestimmten Umständen (Energiemix mit hohem Anteil an fossilen Brennstoffen, ganzheitliche Well-to-wheel-Betrachtung) ein Fahrzeug mit Ottomotor im Resultat geringere CO2-Emissionen erzeugen könne als ein lokal-emissionsfreies batterieelektrisches Fahrzeug.

Hitomi sieht beim Verbrennungsmotor das Potenzial, weitere 30 Prozent an CO2-Emissionen zu reduzieren und warnt vor einem seiner Ansicht gefährlichen voreiligen Abgesang des Verbrennungsmotors, bevor eine Energiewende vollständig vollzogen sei; also beispielsweise nicht alle Kohlekraftwerke vom Netz genommen worden sind und sich die Energiequellen für Elektrofahrzeuge aus erneuerbaren Energien zusammensetzen. Eine emotional geleitete Politik einhergehend mit radikalen Entscheidungen sei Hitomi zufolge deshalb nicht zielführend.

Zeit für radikale Entscheidungen?

Allerdings ist "Business as usual" auch keine Option mehr, unterstrich Nick Lester-Davis, Former Director, London Councils, in seinem Vortrag. Emissionen seien bislang als ein nationales beziehungsweise europäisches Problem behandelt worden. Dies ändere sich nun. Er beschrieb das Vorgehen der Städte wie etwa London, die zum Handeln gezwungen seien und Entscheidungen über Prioritäten zu treffen hätten. Es werde künftig noch mehr drakonische lokale Maßnahmen geben, prognostizierte Lester-Davis. In den nächsten 20 Jahren wird die Mobilität und damit auch die Industrie größeren Veränderungen unterworfen sein als dies in den vergangenen 50 Jahren der Fall war, betonte er. 

Im Begrüßungsschreiben des Tagungsveranstalters AVL liest sich das noch dramatischer, hier ist von den nächsten fünf Jahren die Rede, in denen signifikante technologische Veränderungen stattfinden werden. Hier verfolgen die Automobilhersteller zum Teil sehr unterschiedliche Strategien, wie auch die Vorträge in Graz zeigten, etwa von Gerald Killmann, Vice President, Toyota Motor Europe, der die Brennstoffzellenstrategie von Toyota vorstellte, und Patrice Marez, Vice President, Powertrain System Senior Expert bei PSA, der die Optimierungspotenziale beim konventionellen Antriebsstrang darstellte. Welche Antriebskonzepte zu den "Gewinnern" zählen werden, hängt nicht zuletzt vom Endkunden ab, und der dürfte angesichts der zahlreichen Konzepte auf dem Markt aktuell eher verwirrt sein. Hier besteht ein Aufklärungsbedarf beim Kunden, den die Technologieentwickler der Fahrzeugindustrie zeitnah decken müssen, wie die Experten auf der Tagung in Graz zu erkennen gaben.

AVL-Tagung Motor und Umwelt

Unter dem Motto "Wettbewerb der Antriebskonzepte zur CO2- und Emissionsminimierung" diskutieren auch noch am heutigen Freitag mehr als 320 Teilnehmer aus 20 Ländern in der Helmut-List-Halle in Graz über aktuelle Antriebstechnologien und ihr Potenzial in Zukunft. Die Tagung Motor und Umwelt findet dieses Jahr zum 29. Mal in Graz statt. Im Rahmen der Tagung stellt AVL am heutigen Tag zudem ein erweitertes Entwicklungszentrum für ADAS und autonomes Fahren in Graz vor. Am Mittwoch dieser Woche hatte das Unternehmen ein neues Getriebekompetenz-Zentrum am Standort eröffnet.

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