Beim 9. Internationalen Motorenkongress haben rund 300 Teilnehmer in Baden-Baden sowie teilweise virtuell am Bildschirm Informationen rund um die neuesten Entwicklungen von Antrieben in Pkw und Nutzfahrzeugen im nachhaltigen Kontext ausgetauscht. Die Höhepunkte zum Nachlesen.
Beim hybriden Motorenkongress 2022 sind viele der Teilnehmer vor Ort anwesend.
Uli Regenscheit
Nach langer pandemiebedingter Auszeit hat in Baden-Baden erstmals wieder eine ATZlive-Fachtagung in Präsenz stattgefunden. Der 9. Internationale Motorenkongress wurde in einer Hybridveranstaltung mit dem Partner VDI Wissensforum zwar auch mit einem Livestream angeboten, doch der größte Teil der rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ließ es sich nicht nehmen, vor Ort dabei zu sein, sich zu informieren, zu diskutieren und zu netzwerken. Das hochkarätige Vortrags- und Netzwerkprogramm beschäftigte sich vor allem mit Nachhaltigkeitsaspekten rund um Antriebssysteme in der Mobilität.
In diesem Beitrag können Sie viele der Höhepunkte der zweitägigen Konferenz nachlesen. Die jüngsten Inhalte lesen Sie dabei zuerst:
Die Höhepunkte des zweiten Konferenztags:
Technische Lösungen für steigende Zahl von Agrar- und Baumaschinen
Dr.-Ing. Markus Schwaderlapp, Deutz, weist in seinem Vortrag darauf hin, dass sofortige Maßnahmen notwendig sind, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Im Off-Highway-Bereich beträgt das Co2-Einsparpotenzial zum Beispiel bereits auf einer kleinen Baustelle rund 295 t CO2/Jahr. "Der Verzicht ist keine Lösung global gesehen, das heißt wir brauchen technische Lösungen", konstatiert Schwaderlapp. Die Zahl der Agrar-und Baumaschinen werde nicht sinken, sondern global eher ansteigen.
Der zukünftig aus nachhaltigen Quellen zur Verfügung stehende Strom werde nicht ausreichen, um den steigenden Bedarf zu decken. Vor allem könne dieser Energiebedarf nicht auf nationaler Ebene gedeckt werden, sondern es müsse beispielsweise auf MENA-Staaten als Produzenten genutzt werden, wo deutlich effizienter grüne Energie produziert werden könne. Diese Energie könne in Form nachhaltiger Kraftstoffe bereitgestellt und importiert werden. Dies sei für den Off-Highway-Bereich dringend notwendig, da hier nur in bestimmten Bereichen voll elektrifiziert werden könne. Der Rest müsse nach wie vor hybridisiert und verbrennungsmotorisch mit E-Fuels und Wasserstoff abgedeckt werden. "Wir brauchen alle Lösungen im Antrieb, um die Anwendungsgebiete sicher abdecken zu können", meint Schwaderlapp. (ah)
Dr.-Ing. Markus Schwaderlapp zeigt in seiner Keynote beim Motorenkongress 2022 unter anderem die aktuellen Serienentwicklung von Deutz zu Wasserstoff-Verbrennungsmotoren. (Sccreenshot)
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Ab 2035 könnten alle Kraftstoffe regenerativ hergestellt sein
Im gemeinsamen Vortrag mit Björn Noack, Bosch, zu Maßnahmen zur Hebung der CO2-Minderungspotenziale durch regenerative Kraftstoffe im Zeitraum bis 2030 weist Prof. Dr. Thomas Garbe, VW, auf die Dringlichkeit hin, mit der effektive CO2-Verringerungen stattfinden müssen, um das Klimaziel einer maximalen Temperaturerhöhung von 1,5 Grad erreichen zu können. Der Kraftstoffbedarf wird 2030 mit 187 Millionen Tonnen erwartet, eine intensive Elektrifizierung vorausgesetzt. Zusätzlich sind insgesamt 73 Millionen Tonnen sogenannter ReFuels nötig. Wenn dieses Ziel erreicht werden kann, sind in 2040 der Prognose zufolge auch Absenkungen auf 69 Millionen Tonnen fossiler Kraftstoffe möglich. Nötig dafür ist auch, dass alle Maßnahmen ergriffen werden und auch die verschiedenen Interessen miteinander arbeiten. Genormter Kraftstoff wie R33, Care Diesel und Blue Gasoline haben 33 bis 100 % regenerative Anteile und können so effektiv und sofort Emissionen reduzieren. Als Beispiel hat VW alle Fahrzeuge einem Produktionsdatum KW 30/2021 für die Nutzung von diesen Kraftstoffen freigegeben und prüft nun auch die Bestandsfahrzeuge auf Ihre Verträglichkeit. Wenn alle beteiligten Parteien daran interessiert sind, können bis 2035 alle Kraftstoffe vollständig durch regenerative ersetzt werden. Erfahrungen aus dem Feld zeigen, dass derartige Kraftstoffe auch trotz eines derzeit noch höheren Preises aktiv nachgefragt werden. (mz)
Thomas Garbe von VW (links), hält gemeinsam mit Björn Noack von Bosch (rechts) die Keynote "Maßnahmen zur Hebung der CO2-Minderungspotenziale durch regenerative Kraftstoffe im Zeitraum bis 2030".
Marc Ziegler
Wie sieht die Zukunft des Sportwagens aus?
"Die Verschärfung der Emissionsgesetzgebungen in der EU geht in einigen Fällen über die Grenzen der Physik hinaus“, sagt Dr. Frank-Steffen Walliser, Porsche, in seinem Vortrag "The Future of the Sports Car - E-Fuels and their Application". "Wir sehen zwei wesentliche Entwicklungen, einmal einen Performance-HEV und zum anderen als Alternative ein BEV." Rennfahrzeug und Sportwagen seien Treiber von Innovationen. E-Mobilität sei die Zukunft, aber man könne nicht solange warten, bis diese voll etabliert sei. Der Impact eines Verbrennungsmotor- Fahrzeugs sei aktuell noch viel geringer, als der eines BEV. Die aktuellen politischen Szenarien zur Einführung von BEVs seien nicht realistisch und nicht erreichbar. Selbst Porsche-eigene, deutlich aggressivere Szenarien zeigten dasselbe Ergebnis. "Wir brauchen daher synthetische Kraftstoffe für die Flotte und das sehr schnell", so Walliser, "denn der Anteil von BEVs am globalen Gesamtfahrzeugbestand wird bis 2035 die 35% nicht überschreiten. Das zeigen alle bekannten Szenarien." Daher sei das E-Fuel-Projekt, das Porsche mit Partnern in Chile vorantreibt, ein wichtiger Faktor in den Bestrebungen CO2 nachhaltig zu reduzieren. (ah)
Raffinerie auf dem Weg zur Klimaneutralität
Dr. Jörg Dehmel zeigt auf, wie einer der größten Raffinerien, der Shell Energy and Chemical Park Rheinland, an die geforderte Klimaneutralität herangeführt werden kann. Dabei soll zunehmend die Verarbeitung von fossilem Rohöl zurückgefahren werden und durch neue Zuströme von Energieträgern ersetzt werden. Dazu zählen Kunststoff- und Hausmüll, aber auch Biomasse und Wasserstoff. Bereits heute besteht am Standort eine 10 MW-Elektrolyseanlage, die in den kommenden Jahren zu einer 100 MW-Anlage ausgebaut werden soll um dann direkt vor Ort für die Produktion von flüssigen oder gasförmigen Energieträgern eingesetzt oder weiter verteilt werden soll, etwa für die Stahlproduktion. Zudem befindet sich eine Anlage für Biogas im Aufbau, die kurzfristig seine Arbeit aufnehmen soll. Als drittes Standbein werden aus Reststoffen HVO und PTL-Kraftstoffe hergestellt. Grüner Wasserstoff ist für Dehmel ein Schlüsselfaktor für die Transformation. Die Rolle von E-Fuels ist dabei eher den Bereichen zugemessen, die nicht elektrifiziert werden können. (mz)
Erneuerbare Kraftstoffe und E-Fuels müssen anerkannt werden
Mats Hultman, Neste Corporation zeigt auf, wie groß die Möglichkeiten von erneuerbaren oder synthetischen Kraftstoffen sind, die Klimaziele zu erreichen. Neste setzt im Nutzfahrzeugbereich auf HVO, also hydrierte Pflanzenöle, als Ersatzkraftstoff und reduziert damit die Emissionen um 80 %. Zum Einsatz kommen für die Kraftstoffproduktion hauptsächlich Reststoffe und Fette aus verschiedenen Quellen. Sieben bis acht Millionen Tonnen werden derzeit hergestellt, die Kapazitäten steigen allerdings rapide an, die Potenziale sind je nach Weiterentwicklung der Techniken nahezu unbegrenzt. Neste hat bereits heute ein flächendeckendes Netz von öffentlichen Tankstellen in Nordeuropa aufgebaut und verkauft den Kraftstoff dort bereits erfolgreich. Hultmann zeigt deutlich auf, wie groß der Effekt bereits kleiner Mengen HVO zur Reduzierung von genutzten fossilen Energieträgern sein kann, da der Kraftstoff einen geschlossenen Kohlenstoffkreislauf darstellt und damit kein Einfluss für das Klima von seiner Nutzung ausgeht. Allerdings ist der Erfolg massiv davon abhängig, dass die Regulierungen angepasst werden, Abgasemissionen also vom eingesetzten Kraftstoffursprung abhängen und HVO als Klimarelevant anerkannt wird, da sonst die Produktionsvolumina nicht im nötigen Maße steigen werden. (mz)
Mats Hultman von Neste bei seiner Vorstellung zu HVO als Kraftstoffersatz.
Marc Ziegler
Die Bevölkerung sieht Elektromobilität mittlerweile deutlich kritischer
Dr. Thomas Hametner vom österreichischen Automobilclub ÖAMTC stellt in seinem Plenarvortrag die aktuellen Studienergebnisse einer repräsentativen Mitgliederbefragung zum Thema Mobilität, insbesondere der Elektromobilität vor. Die Erhebung von 2021 zeigt die an diversen Stellen interessante Entwicklung in der Meinung der Österreicher zu Fahrzeugen mit batterieelektrischem Antrieb. Während der Informationsstatus gegenüber früheren Befragungen von 2016 und 2019 gestiegen ist (52 % der Befragten fühlen sich mindestens gut informiert), steigt der Anteil der negativ gegenüber Elektromobilität eingestellten Personen. 2016 waren noch 61 % der befragten ÖAMTC-Mitglieder positiv oder sehr positiv gegenüber der E-Mobilität eingestellt. 2021 sind es nur noch 36 % – der gleiche Anteil sieht das Thema negativ oder sehr negativ. Der Anteil der neutral Eingestellten hat sich über die Jahre kaum verändert. Die größten Nachteile sehen die Umfrageteilnehmer in hohen Anschaffungskosten, zu geringer Reichweite und einer nicht ausreichenden Ladeinfrastruktur. Weiter hinten, aber in der Erwähnung der Nachteile verdoppelt auf 41 % der Teilnehmer hat sich die Befürchtung, dass E-Fahrzeuge unsicher seien. Die Vorteile sehen die Mitglieder vor allem bei der Steuerbelastung, der Möglichkeit zu Hause zu laden und geringen Betriebskosten. Das Thema Umweltschutz, das 2016 noch 77 % der Befragten als Vorteil angaben, sehen 2021 nur noch 42 % als Vorteil. (sve)
Thomas Hametner vom ÖAMTC stellt die Studienergebnisse zur Meinung der Bevölkerung über Elektromobilität vor. (Screenshot)
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Die echten Wirkungsgrade für den BEV- oder H2-Schwerlastverkehr
Wie sieht der nachhaltige Schwerlastverkehr in Zukunft aus? Dr. Karsten Wilbrand, Shell, schaut in seinem Vortrag dazu auf die Wirkungsgrade verschiedener Antriebe. Zwar schneidet im Vecto LH Testzyklus der batterieelektrische Antrieb bei einem Lkw mit 73,4 % deutlich am besten ab und auch bei einer Well-to-Wheel-Betrachtung ist bei lokal produziertem Strom in der Theorie noch ein Wirkungsgrad von 60,2 % bei einem BEV möglich. Dies sei jedoch ein idealistischer Fall. "Wir werden Dunkelflauten und damit Phasen haben, in denen wir ohnehin Rückverstromen müssen oder im Extremfall erneuerbare Energien importieren müssen", sagt Wilbrand. Heißt: Für diese Phasen benötigt Europa importierbare Moleküle. Mit einer günstigen Stromproduktion an entsprechenden Standorten weltweit ließe sich Wasserstoff generieren und dann transportieren. Zwar liegen die Well-to-Wheel-Wirkungsgrade von Wasserstoffantrieben den Berechnungen auf Basis von Daten der TU Hamburg und Shell Global Solutions zufolge bei 20 bis 24,4 %. Doch neben der Notwendigkeit des Energieimports verbessere auch ein Faktor 2 bei der Stromerzeugung an Standorten wie Nordafrika im Vergleich zum Betrieb gleicher Anlagen in Deutschland diese Betrachtung.
Auch Benedikt Heuser, FEV, sagt in seinem anschließenden Vortrag: "Wir werden langfristig Energie nach Europa importieren müssen. Eine Autarkie anzustreben, ist nicht nur ökonomisch Schwachsinn. Es macht durchaus Sinn, in Nachbarregionen entsprechende Partnerschaften zu schließen." Er allerdings geht dabei stärker auf Methanol aus erneuerbaren Energien ein, um daraus synthetische Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren vor allem für die Bestandsflotte zu erzeugen. (sve)
Höhepunkte vom ersten Konferenztag:
Porsche setzt auf Methanol zur eFuels-Herstellung
In einem Impulsvortrag spricht Karl Dums von Porsche über „eFuels – Von der Vison zur Realität“. Zwar werde Porsche 2030 bereits 80 Prozent der Flotte elektrifiziert haben. Doch das reiche nicht zur Erreichung der Klimaziele und man könne nicht einfach warten, bis Elektromobilität vollständig etabliert sei. Bei einer Lebenserwartung von heutigen Fahrzeugen von durchschnittlich 20 Jahren müssten auch Bestandsfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren CO2-neutral werden. Dazu entwickelt Porsche sein Konzept zu synthetischen Kraftstoffen hin zur Realität. Über regenerative Energien generiertes Methanol ließen sich synthetischer Kraftstoffe sowohl für PKW, Nutzfahrzeuge, Flugzeuge als auch Schiffe herstellen. Methanol biete aufgrund seiner Eigenschaften die Möglichkeit, es an geeigneten Standorten weltweit zu produzieren, zu den erforderlichen Einsatzorten zu transportieren und dann über Methanol-to-Gasoline oder Methanol-to-Jet-Prozesse zu Kraftstoff zu wandeln. Methanol habe, so Dums, das konkrete Potenzial, Erdöl zu ersetzen. In Chile setzt Porsche bereits eine Kraftstoffproduktionsanlage um, in der über Windkraft Methanol und dann Kraftstoff produziert wird. Die Kapazität dieser ersten Anlage betrage 130.000 Liter. Noch 2022 plant Porsche, die Anlage in Betrieb zu nehmen. Patagonien biete größere Skalierungsmöglichkeiten. (sve)
Drop-In Kraftstoff als direkter Ersatz zu E5
Das Karlsruher Institut für Technologie KIT untersucht die Möglichkeiten, verschiedene synthetische Kraftstoffe im Rahmen der aktuellen Kraftstoffnormen fossilem Benzin und Diesel beizumischen. Thomas Weyhing stellt in seinem Vortag "Die Erfüllung von Kraftstoffspezifikationen und resultierende Herausforderungen von reFuels" den Bioliq-Prozess vor, bei dem DME und folgend Benzin synthetisiert wird. In verschiedenen Herstellungskampagnen konnte ein Kraftstoff nahe der aktuellen Norm als Zumischkomponente mit 30-%-Anteil hergestellt werden, zukünftig sollen bis zu 100 % innerhalb der aktuellen Norm EN 228 für Benzin möglich sein. Der untersuchte Kraftstoff G40 enthielt dann 30 % Bioliq, 10 % Ethanol und 60 % fossiles Benzin und erreichte eine Oktanzahl von 101. Sowohl am Einzylinder- als auch am Vollmotor konnten für den neuen Kraftstoff leicht verbesserte Rohemissionen festgestellt werden und eine negative Auswirkung auf das tribologische System ausgeschlossen werden. Demnach kann G40 als Ersatz zu E5 eingesetzt werden und dabei signifikante CO2-Reduktionen von knapp 30 % gegenüber aktuellem E10-Kraftstoff ermöglichen. (mz)
Thomas Weyhing (KIT)
Springer Professional / Marc Ziegler
CO2-Emissionen von BEV und ICE im Vergleich
"Auch in einer vollständig defossilisierten Welt sind die CO2-Emissionen eines BEV immer noch höher als die eines Benzin-Pkw", konstatiert Frank Dünnebeil (ifeu-Institut) bei der Vorstellung der FEV Fuels Study IV: Environmental Impacts and critical raw material demands. "Allerdings ist der gesamte Footprint geringer als heute, weil auch der komplette Produktionsprozess defossilisiert sein wird". Wenn kumulierte Emissionen stark gedrückt werden sollen, dann müsste sehr rasch etwas geschehen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Mithin sei eine schnelle Reduktion des Einsatzes fossiler Kraftstoffe in der nächsten Dekade essentiell. Je früher große Mengen defossiliserter Energieträger zur Verfügung stünden, desto geringer wäre die kumulierte Emission im Gesamtsystem. Beim Umstieg auf batterieelektrische Mobilität ist auch die Verfügbarkeit von Ressourcen zu beachten, vor allem Lithium und Kobalt. Deren Ressourcen würden für eine 100% BEV in EU27 und UK ausreichen. Betrachtet man allerdings den weltweiten Bedarf, dann reichen diese Ressourcen nicht aus. Rechnet man mit 150 Millionen statt 300 Millionen Fahrzeugen weltweit, dann könnten die Ressourcen reichen. Platin ist ein mögliches Bottleneck für FCEV. Hier würden die Ressourcen für EU27 und UK reichen. Weltweit gesehen wären allerdings mehr als doppelt so viel Platin nötig als vorhanden. Dünnebeil: "Man muss also proaktiv und bewusst an diese Problematik herangehen, um diese Bottlenecks zu vermeiden."
"Neben den Infrastrukturkosten fallen auch die Fahrzeugkosten ins Gewicht", betont Ko-Referent David Bothe (Frontier Econimics) in seinen volkswirtschaftlichen Betrachtungen in der Studie. "Hier unterstellen wir erheblichen Kostenregressionen bei BEV und FCHEV und auf der anderen Seite Kostensteigerungen bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, so dass bis 2050 die Kostenunterschiede nicht mehr groß sein werden". Bei einer regionalen Energieversorgung in Europa wären die Technologiekosten für BEVs und FCEVs höher als bei Methanol, Methan oder E-Fuels aus Fischer-Tropsch-Verfahren. Bothe: "Die Kosten für Infrastruktur sind günstiger als die Fahrzeugkosten." (ah)
"Sprechen Sie mit Ihren politischen Vertretern!"
Dr. Joachim Damasky, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie (VDA) referiert in der zweiten Keynote zum Thema "Austausch der Flotte (PKW und NFZ) bis 2030 – Welche realen CO2-Einsparungen sind möglich?" Er betrachtet die Voraussetzungen durch politische Ziele und die vorhersehbare Entwicklung anhand verschiedener Studien und Untersuchungen. Zu häufig muss er dabei das Fazit ziehen: "Wir werden die Ziele deutlich verfehlen." So prognostiziert er ein Delta von 188 Millionen Tonnen CO2 bei den Sektorzielen zur Reduktion der Treibhausgase. Die Ziellücke werde immer größer. "Die Sektorziele und Treibhausgas-Neutralität sind nur unter großen Anstrengungen erreichbar", sagt Damasky. Viele Vorgaben reichten nicht aus, wie die zum Ausbau von Ladeinfrastruktur und Wasserstoff-Tankstelleninfrastruktur. "Wir brauchen bis 2045 tiefgreifende Veränderungen bei den Antrieben der Flotte. Und wir brauchen dringend erneuerbare Kraftstoffe für die Fahrzeuge im Bestand. Nur dadurch können wir die Ziele zur Klimaneutralität erreichen." Wichtig sei, dass die Politik dies entsprechend unterstützt. Ans Plenum richtet Damasky den Appell: "Ich möchte Sie alle dazu auffordern, mit den Erkenntnissen, die Sie aus Ihrer täglichen Arbeit haben oder aus diesen Vorträgen gewinnen, auf Ihre Abgeordneten zuzugehen. Sprechen Sie mit Ihren politischen Vertretern vor Ort!" (sve)
Joachim Damasky, Geschäftsführer des VDA (Verband der Automobilindustrie), bei seinem Keynote-Vortrag beim 9. Internationalen Motorenkongress 2022.
Uli Regenscheit
Klimaziele mit Verbrennungsmotoren erreichen
"Fit für Klima-Nachhaltigkeit: Bedarf für Verbrennungsmotoren mit neutraler CO2-Bilanz?" lautet der Titel der ersten Keynote auf dem Internationalen Motorenkongress 2022 in Baden-Baden. Dr. Norbert W. Alt, COO & Executive Vice President der FEV behandelt darin die Frage, ob die angestrebte CO2-Reduktion auf Basis der aktuellen Gesetzgebung erreicht werden kann. Er bezieht sich auf das EU-Klimapaket "Fit for 55", das Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen soll. Doch Alt zufolge ist die Konzentration auf batterieelektrische Fahrzeuge nicht ausreichend. Dies zeige auch die FEV-Studie zum Pkw-Flottenverbrauch. Vielmehr müsse eine ganzheitliche Sicht nachhaltige, CO2-freie Lösungen für Verbrennungsmotoren (ICE) für verschiedene Verkehrsmittel, von Personenkraftwagen, Schwerlastkraftwagen, im Heavy Duty-Bereich bis hin zur Schifffahrt einbeziehen. Dabei sollten erneuerbare Kraftstoffe die fossilen Kraftstoffe ersetzen. Im Pkw-Bereich sieht die FEV den seriellen Hybrid (auch BEV-Hybrid genannt) neben dem reinen BEV im Vorteil. (ps)
Technologieoffenheit und Technologievielfalt gefordert
Wissenschaftlicher Leiter des Kongresses ist Prof. Dr. Peter Gutzmer, ehemals Schaeffler-Vorstand und heute Herausgeber der Springer-Zeitschriften der ATZ|MTZ-Gruppe. Zur Begrüßung stellte er seine Überzeugung dar, dass der alleinige Fokus auf die Elektromobilität weder aus Marktperspektive noch zur tatsächlichen Bewältigung der Herausforderung, eine klimaneutralen Mobilität zu gestalten, funktionieren werde. "Wir stellen den Energiewandler infrage und meinen eigentlich den Energieträger", sagte Gutzmer zur aus seiner Sicht nicht zielführenden Diskussion zu einem Verbot des Verbrennungsmotors. Pragmatisch sagte er, ein faktisches Verbot des Verbrennungsmotors sei "Unsinn – das wissen wir. Wir müssen Technologieoffenheit und Technologievielfalt voranbringen. Und wir müssen die Diskussion um ein Verbot des Verbrennungsmotors beenden. Das müssen wir zur Zielerreichung der Defossilisierung und der CO2-Neutralität in die Wirklichkeit bringen, in die politische Wirklichkeit tragen." (sve)
Peter Gutzmer, Herausgeber der Zeitschriften der ATZ|MTZ-Gruppe ist der wissenschaftliche Leiter des Internationalen Motorenkongresses.
Uli Regenscheit
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