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04.07.2018 | App-Entwicklung | Nachricht | Online-Artikel

Das Smartphone wird zum siebten Sinn

2:30 Min. Lesedauer

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Autor: Robert Lembke

Mit einer App können Sehbehinderte Wegen einfach per Gehör folgen. Das Assistenzsystem basiert auf einem Algorithmus, der Farbsättigung in Klang übersetzt.

Die Smartphone-App "Camassia" ist ein Assistenzsystem für Blinde, das Wege hörbar macht. Auf Basis der unterschiedlichen Farbsättigung des Untergrunds erzeugt die App akustische Signale oder Musik, die es dem sehbehinderten Nutzer ermöglichen, einem bestehenden Weg durch Landschaften oder Gebäude zu folgen. Das System nutzt die integrierte Sensorik und Elektronik eines Smartphones und kommt somit ohne Satellitennavigation oder Karten aus.

Die App der Firma Ixpoint basiert auf einem Bilderkennungsalgorithmus, den Informatikstudierende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickelt haben – ursprünglich für einen mobilen Roboter, der damit Hindernisse identifiziert und freie Wege erkennt. 

Wege sind farblose Gebilde im Vergleich zur Umgebung

Bei der Entwicklung der App hat der Informatiker Gerhard Jaworek vom Studienzentrum für Sehgeschädigte (SZS) am KIT mitgewirkt. Er ist selbst blind und hat den Prozess von Anfang an begleitet, und zwar im Selbstversuch: "So konnte ich darauf achten, das ein Produkt entsteht, dass wirklich hilft und nicht an der Zielgruppe vorbei entwickelt wird." Zwar würde die App seinen Blindenstock im Alltag keinesfalls ersetzen, aber sie sei eine sehr willkommene Ergänzung. Ihn freut dabei vor allem die interaktive Einsatzmöglichkeit an jedem Ort. So könne er jetzt im Park auch einen Nebenpfad einschlagen oder sich in Innenräumen besser orientieren.

Die App nutzt die Kamera und die Bewegungssensoren eines handelsüblichen Smartphones, um die Farbeigenschaften der Umgebung zu erfassen. Fußwege haben in der Regel eine geringere Farbsättigung als ihre Umgebung. Auf einer horizontalen Achse vor dem Nutzer berechnet der Algorithmus daraus zuverlässig den Bereich mit der geringsten Farbsättigung und damit die wahrscheinlichste Richtung, um einem Fußweg zu folgen. Das funktioniert, weil jede Sekunde 30 Einzelbilder berücksichtigt werden, die zuvor mithilfe des üblichen Bewegungssensors im Smartphone begradigt wurden.

Vertonung je nach akustischer Präferenz wählbar

Die Anwendung sei denkbar einfach, sagt Dr. Sebastian Ritterbusch, Projektmanager bei Ixpoint, der dort die Entwicklung der App geleitet hat. "Der Nutzer hält das Smartphone in Laufrichtung und sobald die Farbeigenschaften des Weges erfasst sind, kann es losgehen. Das Smartphone muss dabei weder gerade noch besonders ruhig gehalten werden." Mit einer Verzögerung von maximal einer zehntel Sekunde wird diese Information anschließend akustisch dargestellt. Standardmäßig verwendet das Assistenzsystem dabei eine Skala von 24 akustischen Halbtönen, die mittels Stereoklang, Schallintensität und Tonhöhe den Verlauf des Weges räumlich verorten.

Die Form der Sonifikation, also der Vertonung, kann aber den Bedürfnissen des Nutzers entsprechend angepasst werden. Optional stehen neben klassischer Musik etwa weißes Rauschen oder eine auf die größte Richtungswahrscheinlichkeit reduzierte akustische Darstellung zur Verfügung.

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