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19.08.2020 | Arbeitsrecht | Kommentar | Online-Artikel

Mit Betriebsrat läuft es einfach besser

verfasst von: Andrea Amerland

3:30 Min. Lesedauer

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Drohen, stänkern, Druck machen: So wollen Arbeitgeber in Deutschland die Einführung eines Betriebsrats noch immer verhindern. Mal von der Kleinigkeit abgesehen, dass das strafbar ist, schneiden sich Firmen damit ins eigene Fleisch. Denn betriebliche Mitbestimmung bietet viele Vorteile.

Ja, es passiert in Deutschland. Und es ist kein Kavaliersdelikt. Gegen jede sechste Betriebsratsgründung machen Arbeitgeber mobil, hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden. Auch im 100. Jahr seines Bestehens ist das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) manchen Arbeitgebern ein Dorn im Auge. 

Als jüngtes Beispiel sorgte die Smartphone-Bank N 26 für Schlagzeilen. Mehrfach versuchte die vergleichsweise junge Firma (Gründung 2013) mit plumpen Argumenten die Etablierung betrieblicher Mitbestimmung zu verhindern. Auch in den deutschen Dependancen von Amazon und Apple gestalteten sich die Betriebsratswahlen schwierig. Die Beispielliste ließe sich problemlos verlängern.

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§ 15 Mitbestimmung in Unternehmen und Betrieb

Mitbestimmung meint die Beteiligung der Beschäftigten an Entscheidungen in Betrieb, Unternehmen und Verwaltung durch gewählte Repräsentanten. Ziel ist die Einbringung ihrer Interessen sowohl bei Maßnahmen, die sie unmittelbar betreffen, als auch bei solchen, die sie mittelbar berühren.

Wie Unternehmen einen Betriebsrat verhindern wollen

Dabei ähneln sich die Methoden, mit denen Manager einen Betriebsrat verhindern wollen. Zumeist argumentieren Arbeitgeber, betriebliche Mitbestimmung höhle das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten aus, passe nicht zu Unternehmenskultur und gelebten Werten, verlangsame Prozesse, verursache Kosten und sei bei flachen Hierarchien nicht nötig. Stattdessen werden alternative, juristisch nicht institutionalisierte Mitarbeitergremien vorgeschlagen, die eigentlich nur als Witznummer bezeichnet werden können, da ihnen ohne rechtliche Legitimation und den besonderen Kündigungsschutz für Betriebsräte jede Schlagkraft fehlt.

Oft wird auch massiver Druck auf die Initiatoren ausgeübt, die Bestellung des Wahlvorstandes verhindert, im schlimmsten Fall mit Kündigungen gedroht, betont das WSI. Besonders schlimm ist es laut Analyse in mittelgroßen, inhabergeführten Unternehmen. So gibt es in 32 Prozent der Betrieben mit 51 bis 100 Beschäftigten einen Betriebsrat, bei Firmen mit fünf bis 50 Beschäftigten sogar nur fünf Prozent. Demgegenüber hatten 87 Prozent der Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten im Jahr 2018 eine solche Vertretung eingerichtet.

Wer einen Betriebsrat behindert, macht sich strafbar

Eine Branche sticht besonders negativ heraus. In der Nahrungs- und Genussmittelindustrie und dem Gastgewerbe (NGG) scheint es in Sachen Betriebsrat rauer zuzugehen: 52 Prozent der befragten NGG-Hauptamtlichen wissen von Sabotageversuchen durch die Arbeitgeberseite. In der Metall- und Elektroindustrie sind es 44 Prozent, im Organisationsbereich der IG Bergbau, Chemie, Energie 33 Prozent. Übt die Führung Druck aus, kommt es in einem Drittel der Fälle erst gar nicht zu Betriebsratswahlen. Alles in allem kein Ruhmesblatt für Unternehmen. Und zudem ist es strafbar, die Einrichtung eines Betriebsrates zu verhindern und Betriebsräte und deren Ersatzmitglieder in ihrer Arbeit zu behindern. Da ist § 119 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ganz klar. Arbeitgebern droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.

Doch von der rechtlichen Seite einmal ganz abgesehen, schaden Unternehmenslenker ihrer Organisation, wenn sie betriebliche Mitbestimmung verhindern wollen. Auch wenn es auf den ersten Blick wie eine massive Beschränkung der unternehmerischen Freiheit erscheint, wenn Betriebsräte bei Einstellungen, Datenschutz, Einführung neuer Technik, Gestaltung von Arbeitsplätzen und -abläufen sowie beruflicher Weiterbildung mitreden dürfen: Unternehmen profitieren von der Beteiligung.

Innovativer und resilienter durch betriebliche Mitbestimmung

Studien zeigen immer wieder, dass betriebliche Mitbestimmung Unternehmen innovativer, produktiver und resilienter gegenüber Krisen macht. Denn Betriebsräte als Interessenvertreter der Belegschaft sind näher an den Menschen als die Management-Boards, hören eher von Missständen und Fehlentwicklungen im Unternehmen, auch in Hinblick auf Kunden- und Marktentwicklungen. Da mitbestimmte Unternehmen zudem bessere Arbeitsbedingungen bieten, sind sie als Arbeitgeber attraktiver und punkten in Zeiten des Fachkräftemangels im Kampf um die besten Köpfe. 

International gilt das deutsche Modell der betrieblichen Mitbestimmung mit seiner inzwischen 100-jährigen rechtlichen Verankerung im Betriebsverfassungsgesetz als demokratischer Leuchtturm, der insbesondere in Europa Anerkennung findet. Es wird allerhöchste Zeit, dass ewiggestrige Unternehmenslenker auch hierzulande Betriebsratsarbeit als das schätzen lernen, was es ist: Wertvolles Co-Management, welches Unternehmen Wettbewerbsvorteile sichert und diese sogar profitabler macht.

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