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06.12.2019 | Arbeitsrecht | Schwerpunkt | Online-Artikel

Crowdworker rechtssicher beschäftigen

verfasst von: Claudia Knuth

4:30 Min. Lesedauer

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Mit Crowdworking oder Economy on Demand entstehen neue Arbeitsmodelle. Bei der Beschäftigung externer Mitarbeiter über Plattformen ist neben der Vertragsgestaltung die tatsächliche Durchführung essentiell, um sie rechtssicher zu beschäftigen, so Juristin Claudia Knuth.

Das Crowdworking ist eine neue Möglichkeit, die unternehmerischen Ressourcen auf einen weltweiten Personenkreis auszuweiten: Unternehmen können Arbeitsaufträge prompt und ohne einen mühsamen Bewerbungsprozess mithilfe eines weltweiten Personenkreises erledigen lassen. Fähigkeiten und Kenntnisse des Crowdworkers sind transparent einsehbar. Zusätzlich ist es möglich, einen Auftrag auszuschreiben und eine Vergütung nur demjenigen zuzusichern, der das beste Arbeitsergebnis präsentiert – eine in der realen Arbeitswelt kaum denkbare Vorstellung. 

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Economy on Demand am Beispiel von Crowdworking

Die Digitalisierung der Arbeitswelt verändert die traditionelle Wertschöpfung in Unternehmen nachhaltig. Die Übernahme von Arbeitsaufgaben, Dienstleistungen oder die Generierung von Ideen können über Online-Plattformen weltweit an eine Gruppe von Interessierten, sog. Crowdworker, angeboten bzw. ausgelagert werden.

Für viele Crowdworker wiederum ist es eine Nebenbeschäftigung und eine zusätzliche Einnahmequelle – also eine an die Entwicklung der digitalen Welt angepasste Art der Einkommenserzielung. Oft können zusätzlich erworbene Qualifikationen außerhalb des eigentlichen Beschäftigungsverhältnisses gewinnbringend eingesetzt werden, die Auftragsannahme erfolgt vom Crowdworker selbstbestimmt, fast nach Wunsch. Crowdworking ist höchstflexibel, meist unabhängig von starren Vorgaben des Auftraggebers zum Ort und Zeitpunkt und sorgt so für eine bessere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben. Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist das genau der Grund für die hohe Attraktivität: Bereits rund fünf Prozent der erwachsenen Deutschen erledigen Microtasks, zumeist im Nebenverdienst.

Formen des Crowdworking

Beim 'Gigwork' erfolgt die Vermittlung online über eine Plattform, die Ausführung ist jedoch an einem bestimmten Ort vorgegeben – meist bereits über die jeweilige Bestellung wie unter anderem bei Lieferando. Dagegen gelten Aufgaben ohne Ortsanwesenheit als 'Cloudwork'. Typischerweise handelt es sich dabei um Programmier-, Text-, Bildbearbeitungsarbeiten. Sobald ein Unternehmen eine bestimmte Tätigkeit außerhalb der Firma ausschreibt, handelt es sich um das externe Crowdsourcing. Die einschlägigen Crowdworker-Plattformen sind digitale Know-how-Marktplätze, auf denen sich Auftraggeber und Crowdworker treffen. Besteht jeweils ein Vertragsverhältnis zwischen der Plattform und dem Auftraggeber sowie dem Crowdworker und der Plattform, handelt es sich im Wege des indirekten Crowdworking um ein vermittelndes Angebot; haben Crowdworker und Auftraggeber ein Vertragsverhältnis, dient die Plattform lediglich als Medium.

Risiken und Nebenwirkungen von Crowdworking

Problematisch wird es beim externen Crowdworking dann, wenn die Frage geklärt werden muss, was für ein Vertragsverhältnis genau zwischen Crowdworker und Auftraggeber entstanden ist. Wurde der Crowdworker nicht als Selbstständiger für den Auftraggeber tätig, wird der Auftraggeber zum sozialversicherungspflichtigen Arbeitgeber – meist mit Rückzahlung hoher Beiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge) nebst sehr hohen Strafzinsen. Auch ist der abhängig beschäftigte Auftragnehmer dann als Arbeitnehmer einzuordnen: Damit gelten unter anderem das Kündigungsschutzgesetz, das Bundesurlaubsgesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz und zahlreiche andere arbeitsrechtliche Regelungen. Entscheidend ist die vertragliche Grundlage zum Crowdworker, aber auch zu der Plattform. Hier lohnt sich ein Blick in das Kleingedruckte. Ferner dürfen die tatsächliche Durchführung des Auftrages und weitere detaillierte Begleitumstände nicht außer Acht gelassen werden.

Aktuelle Rechtssprechung zu Crowdworking

Aktuell hat das LAG München (04.12.2019 – 10 Ta 350/18) die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen Crowdworker und Plattform abgelehnt. Da seitens des Crowdworker keine Verpflichtung bestand, die Aufträge der Plattform anzunehmen, sei dieser auch nicht zu einer weisungsgebundenen fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Ebenfalls bestand keine Verpflichtung der Plattform dem Kläger die Aufträge anzubieten. Die vom Kläger angeführte Drucksituation, die Aufträge weiterhin übernehmen zu müssen, reiche nach LAG München für die Arbeitnehmereigenschaft nicht aus. Das auch im Zusammenspiel mit dem Umstand, dass der Kläger durch die Aufträge einen erheblichen Teil seines Lebensunterhalts verdiente. 

Mit dieser Frage beschäftigte sich auch das Landesarbeitsgericht Hessen (14.02.2019 - 10 Ta 350/18). Das Gericht nahm nicht nur die Angabe "selbstständig" im Profil des Crowdworker als Grundlage für die Beurteilung, ob die Arbeitnehmereigenschaft erfüllt ist, sondern überprüfte weitere Merkmale, die ein klassisches Beschäftigungsverhältnis ausmachen. Im Ergebnis lehnte das LAG die Arbeitnehmereigenschaft des klagenden Crowdworker aufgrund der fehlenden Absicht zur dauerhaften Vertragsbeziehung und der fehlenden Eingliederung in die Betriebsorganisation ab. Der Crowdworker bediente sich zwar der Betriebsmittel des Auftraggebers und habe den Orts- und Zeitvorgaben gefolgt. Da er angab, Rente zu beziehen, habe er aber zu erkennen gegeben, nicht zwecks Sicherung einer dauerhaften finanziellen Lebensgrundlage tätig werden zu wollen.

Bei externem Crowdworking den Einzelfall prüfen

Das interne Crowdworking, bei dem die Arbeitsaufgaben an unternehmensinterne Arbeitnehmer vergeben werden, berührt die bereits bestehende Arbeitgeberstellung nicht. Das externe Crowdworking, bei dem die Aufträge an einen unbestimmten Personenkreis vergeben werden und somit den betrieblichen Bereich verlassen, kann im Einzelfall dazu führen, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Crowdworker begründet wird. Ist dies der Fall, treffen das Unternehmen die üblichen Arbeitgeberpflichten. 

Die Beschuss des LAG Hessen zeigt, dass Crowdworking nicht per se das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses ausschließt und die Beurteilung eine einzelfallbezogene Betrachtung verlangt. Die Indizien, die für ein Arbeitsverhältnis sprechen, sind insbesondere das wiederholte Tätigwerden des Crowdworker für denselben Auftraggeber, gewisse Kontrollmöglichkeit, die Verwendung der betrieblichen Arbeitsmittel sowie die genauen zeitlichen und örtlichen Vorgaben, die auch sonst das Weisungsrecht eines Arbeitgebers prägen.

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