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16.03.2023 | Arbeitsrecht | Interview | Online-Artikel

"Ein entscheidender Schritt in Richtung Equal Pay"

4 Min. Lesedauer

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Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Das Equal-Pay-Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist ein Paukenschlag. Ob damit wirklich Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern entsteht und die Konsequenzen für die Arbeitswelt, erklärt Aziza Yakhloufi, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Rödl & Partner.

Das Bundesarbeitsgericht hat im sogenanntem Equal-Pay-Urteil entschieden, dass Frauen der gleiche Lohn zusteht wie Männern. Was genau wurde verhandelt und wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seinem Urteil vom 16.02.2023, Az. 8 AZR 450/21, mit einem Sachverhalt befasst, in dem eine Außendienst-Vertriebsmitarbeiterin im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen ein geringeres Grundgehalt bezogen hat. Die Klägerin war seit dem 1. März 2017 in einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie tätig und bezog eine individuell verhandelte Vergütung in Höhe von EUR 3.500,00 brutto. Ein zeitgleich angestellter männlicher Vertriebsmitarbeiter im Außendienst bezog ein Gehalt von EUR 4.500,00 brutto, da dieser bei Einstellung ein höheres Gehalt verhandelt hatte. Eine nicht unerhebliche Gehaltsdifferenz zum Nachteil der Klägerin blieb auch nach Einführung eines Haustarifvertrages bei der Beklagten bestehen. 

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Die Klägerin war der Auffassung, dass ihr ein Anspruch auf dasselbe Gehalt wie ihr zeitgleich angestellter männlicher Kollege zusteht und forderte mit ihrer Klage eine Gehaltsanpassung entsprechend der maßgeblichen Entgeltgruppe des Haustarifvertrags, die Zahlung rückständiger Vergütung ab Einstellungszeitraum und eine angemessene Entschädigung. In den Vorinstanzen hatte sie keinen Erfolg, bei der Revision vor dem BAG schon. Das BAG begründet seine Entscheidung damit, dass nach Art. 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie §§ 3 Abs. 1, 7 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) die Klägerin einen Anspruch auf das gleiche Grundgehalt hat, wie ihr männlicher Kollege. Das Unternehmen habe die Klägerin folglich aufgrund des Geschlechts benachteiligt. Diese Vermutung nach § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) habe das beklagte Unternehmen auch nicht durch Darlegung objektiver Gründe wie Qualifikation oder Berufserfahrung widerlegen können. 

Arbeitgeber kritisieren die Entscheidung. Von Diskriminierung können keine Rede sein, wenn eine Bewerberin ein Gehalt akzeptiere und sich erst im Nachhinein ungerecht behandelt fühle. Von einem Eingriff in die Verhandlungsfreiheit ist die Rede. Wie bewerten Sie das in Hinblick auf das BAG-Urteil?

Bereits vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts galt der Grundsatz der Entgeltgleichheit, der in bestimmten Fällen die Vertragsfreiheit zwischen den Parteien einschränken kann, aber in der Praxis häufig, unter anderem wegen fehlender Kenntnis über das Gehaltsgefüge oder wegen kaum durchsetzbarer Auskunftsansprüche, nach dem Entgelttransparenzgesetz nicht umgesetzt wird. Oft existiert auch kein Betriebsrat, der sich mit solchen Themen befasst. Entscheidend ist, ob im Unternehmen objektive Kriterien existieren, die eine Gleichbehandlung der Arbeitnehmenden im Hinblick auf das Gehalt notwendig machen. Der Vorwurf des Eingriffs in die Verhandlungsfreiheit geht hierbei zu weit, da eine Individualvereinbarung und damit etwaige Gehaltsunterschiede für die Zukunft nicht partout durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ausgeschlossen sind. 

Gender Pay Gap und Equal Pay sind Schlagworte, die geschlechterspezifische Gehaltsunterschiede problematisieren. Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die Lohnlücke zwischen Mann und Frau rund 18 Prozent beträgt. Welchen Einfluss wird dieses Urteil Ihrer Einschätzung nach auf die Lohngerechtigkeit in Deutschland haben?

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts kann als ein entscheidender Schritt in Richtung Equal Pay und ein starkes Zeichen an Frauen gelesen werden. Es stärkt den bereits in § 157 AEUV verankerten "Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit", die Regelungen des Entgelttransparenzgesetzes, hier insbesondere § 3 EntgTranspG, sowie die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. 

Was bedeutet die Entscheidung für die unternehmerische Praxis, etwa in Hinblick auf Arbeitsverträge? 

Zukünftig werden Arbeitgeber bei Lohn- und Gehaltsunterschieden einer größeren Dokumentation- und Erklärungspflicht ausgesetzt sein. Das Argument des besseren Verhandlungsgeschicks wird nicht mehr ausreichen, um die Vermutung einer geschlechtsspezifischen Ungleichbehandlung außer Kraft zu setzen. Abzuwarten bleibt die weitere Urteilsbegründung des BAG und ob es sich um einen Einzelfall oder vielmehr um eine Grundsatzentscheidung handelt. Fest steht, dass Arbeitgeber sich weiterhin auf Kriterien wie Fachqualifikation, Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit berufen können.

Welche Schritte sind gegebenenfalls noch nötig, damit die mit dem BAG-Urteil angestrebte Lohngerechtigkeit wirklich hergestellt werden kann?

Sofern noch nicht geschehen, müssen Arbeitgeber einen nachvollziehbaren Einstellungsprozess im Rahmen eines Compliance- Systems, etwa über Unternehmensrichtlinien etablieren, um zukünftige Ungleichbehandlungen zu vermeiden oder aber rechtswirksam zu verargumentieren. Die Personalverantwortlichen müssen für die Thematik geschult werden. Auf der anderen Seite sollten Frauen das Urteil zum Anlass nehmen, sich bewusst mit der Thematik zu beschäftigten um im Hinblick auf Einstellungen und Gehaltsverhandlungen sensibilisiert zu sein. Wachsam sollten Frauen insbesondere sein, wenn keine objektiv messbaren allgemein anerkannten Unterscheidungskriterien für etwaige Gehaltsunterschiede vorliegen. 

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