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14.04.2020 | Arbeitsrecht | Schwerpunkt | Online-Artikel

Feste Wochenarbeitszeit ist zu starr

verfasst von: Annette Speck

4 Min. Lesedauer

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2,2 Millionen Erwerbstätige fühlen sich unterbeschäftigt und wünschten sich 2018 längere Arbeitszeiten. 1,4 Millionen wollten lieber kürzertreten. Firmen, die solche Wünsche berücksichtigen, punkten bei Beschäftigten und Bewerbern. Flexibles Arbeiten in Corona-Zeiten pusht dabei das Thema.

"In naher Zukunft werden wir über die Einführung der Vier-Tage-Woche diskutieren. Denn die klassische Arbeitszeit ist geprägt von der Industrialisierung der Wirtschaft. Das ändert sich durch die Digitalisierung", prognostiziert der Hamburger Zukunftsforscher Peter Wippermann als Konsequenz der kollektiven Homeoffice-Erfahrung infolge der Corona-Pandemie.

Der Wunsch, je nach Alter, Lebensstil, Karriereplänen oder Finanzbedarf die wöchentlichen Arbeitsstunden anpassen zu können, war bereits vor Homeschooling, geschlossenen Kitas und dem Einkaufsservice für die Eltern bei vielen Beschäftigte ein Thema. Wenngleich die 40-Stunden-Vollzeitstelle nach wie vor als Standard gilt, bieten viele Arbeitgeber auch Teilzeitjobs an. Das kommt insbesondere Berufstätigen mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen entgegen, ist jedoch mit entsprechend geringerem Einkommen verbunden – und drückt bekanntlich die Rente.

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Teilzeit: eine frauentypische Strategie

Diese Problematik trifft vor allem Frauen. Denn der Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung stelle fast ausschließlich für Frauen eine Strategie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf dar, betonen Doris A. Behrens et al. in ihrem Beitrag "Teilzeitarbeit – Familienbedingte Entscheidung mit Folgewirkung?".

"Männer wechseln offenbar nicht in Teilzeit, wenn sie Väter werden; wenn sie ihre Arbeitszeit ändern, dann eher in die Richtung einer Verlängerung der Arbeitszeit. Für eine Reduktion der Arbeitszeit ist für Männer vor allem das Aus- und Weiterbildungsmotiv entscheidend." Doris A. Behrens et al., Seite 89.

Geschlechtsspezifische und regionale Unterschiede bei Arbeitszeit

Angesichts der finanziellen Einbußen, aber auch von Karrierenachteilen liegt es nahe, dass Teilzeitarbeit für viele Menschen keine dauerhaft gewünschte Option ist. Neue Auswertungen des Statistischen Bundesamtes bestätigen das: Mehr Menschen wollen ihre Wochenarbeitszeit aufstocken als reduzieren. So arbeiten Vollzeitbeschäftigte in Deutschland im Schnitt 41,4 Stunden und Teilzeitbeschäftigte 20 Stunden pro Woche, wobei es einige Unterschiede der durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten von Männern und Frauen, Ost- und Westdeutschen gibt.

In der Gesamtbetrachtung zeigt sich, dass diejenigen, die sich als unterbeschäftigt bezeichnen, auf eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 28,9 Stunden kommen. Sie wünschen sich Mehrarbeit von 10,6 Stunden - also quasi einen Vollzeitjob mit entsprechend höherem Verdienst. Demgegenüber würden diejenigen Erwerbstätigen, die sich als überbeschäftigt bezeichnen und im Schnitt 41,6 Wochenstunden dem Job widmen, ihre Arbeitszeit gern in ganz ähnlichem Maß verkürzen, nämlich um 10,8 Stunden. Hierfür nähmen sie auch entsprechende Einkommenseinbußen hin.

Schwierige Rückkehr in Vollzeit

Ob diejenigen Vollzeitbeschäftigten, die von einer rund 25-prozentigen Reduzierung ihrer Arbeitszeit träumen, auch dauerhaft auf ein Viertel ihres Einkommens verzichten wollen oder können, ist allerdings fraglich. Daher spielt die Frage, ob eine spätere Aufstockung der Stunden oder eine Rückkehr in Vollzeit möglich ist, eine entscheidende Rolle. Mit dem seit 2019 geltenden Bückenteilzeitgesetz wollte die Bundesregierung hierbei Hilfe leisten. Doch einer Erhebung des Ifo-Instituts zufolge pochen bisher relativ wenige Arbeitnehmende auf ihren Rechtsanspruch einer zeitlich befristeten Reduzierung der Arbeitszeit.

Erwiesenermaßen sitzen vorrangig Frauen in der Teilzeitfalle fest, erst recht wenn sie schon so in ihren Job eingestiegen sind. "Die negativen Folgen befristeter Teilzeitphasen auf das zukünftige Einkommen und die Alterspension sind in aller Regel überschaubar. Aber die Mehrheit der Frauen in Österreich und Deutschland arbeitet über viele Jahre und Jahrzehnte in Teilzeit, weil die Rückkehr in Vollzeitbeschäftigungen (aus vielen Gründen) nicht gelingt", konstatieren Doris A. Behrens et al. (Seite 90) 

Vorurteile bei Arbeitmodellen überwinden

Während es Frauen häufig schwer haben, von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigungen zu wechseln, kämpfen Männer, die ihre Arbeitszeit aus familiären Gründen eigentlich gern reduzieren wollen, vielerorts mit Vorurteilen, nicht zuletzt ihren eigenen. Trotz Elternzeit und Elterngeld orientiere sich die Mehrheit der Paare noch immer stark an einer traditionellen Rollenzuschreibung mit dem Mann als Familienernährer und der Frau als Zuverdienerin, schreiben Volker Baisch und Lisa Klußmann über die "Vorurteilswelt der Väter". Darüber hinaus fürchteten Väter aber auch negative Auswirkungen auf ihre Karriere, falls sie in ihrer Firma familienfreundliche Maßnahmen in Anspruch nehmen. (Seite 82)

Flexible Arbeitgeber sind attraktiv

An dieser Stelle sind Unternehmen und Führungskräfte gefragt, sich mit den veränderten Rollenverständnissen auseinanderzusetzen und für Geschlechtergerechtigkeit im eigenen Betrieb zu sorgen. Mehr Flexibilität bei Stundenreduzierungs- und -aufstockungswünschen sind dabei ein wichtiger Schritt. Doch nicht nur viele junge Eltern wollen die typische 40-Stunden-Arbeitswoche – zumindest vorübergehend – herunterfahren. Generell legen insbesondere jüngere Arbeitnehmer heute viel Wert auf die Work-Life-Balance und flexiblere Arbeitszeiten. In Zeiten des Fachkräftemangels haben Unternehmen, die mehr Durchlässigkeit zwischen Teilzeit- und Vollzeitstellen ermöglichen, die Nase vorn beim Employer Branding und im Recruiting.

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