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23.05.2022 | Arbeitswissenschaft | Schwerpunkt | Online-Artikel

Ist der Job weg, geht es mit der Psyche schnell bergab

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

4 Min. Lesedauer

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Dass Arbeitslosigkeit auf das Selbstwertgefühl schlägt und die soziale Teilhabe schwächt, ist nicht neu. Wie fix der Jobverlust die Lebensqualität beeinträchtigt, belegt eine Studie des IAB. Die Ergebnisse alarmieren und fordern zur schnellen Reintegration auf. 

Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Gericht ziehen, dann geht es entweder ums Entgelt oder um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, das bestätigen die DGB-Rechtsschutz-Jahresstatistiken. Im vergangenen Jahr drehten sich insgesamt 11.523 arbeitsrechtliche Verfahren um den Jobverlust (2020: 16.199 Verfahren), darunter 7.774 Fälle ausgelöst durch betriebsbedingte Kündigungen (2020: 11.570 Fälle). 

Zwar sind beide Zahlen im Vergleich zum Vorjahr durch Maßnahmen wie der verlängerten Kurzarbeit gesunken. Dennoch schwebt die Gefahr, den Job zu verlieren, über den Köpfen von Beschäftigten. Was ihnen neben den finanziellen Einbußen droht und gerne mal  als nebensächlich eingestuft wird: Nicht beschäftigt zu sein macht krank.

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Keine Arbeit – Nicht zugehörig

Wenn Menschen ihre Arbeit verlieren, sind die Gründe immer die gleichen. Arbeitslosigkeit geschieht, weil Unternehmen Stellen abbauen müssen, die Transformation ihren Tribut fordert oder Fixkosten durch Restrukturierung und Rightsizing eingespart werden sollen. Zu beobachten ist das in Schlüsselindustrien wie etwa dem Autobau oder im Handel. Schon die schwelende Angst, auf der Straße zu stehen, kann Beschäftigte krank machen. Halten sie dann ihre Papiere in der Hand, bröckelt das soziale Zugehörigkeitsgefühl und das Wohlbefinden verschlechtert sich.

Ob promoviert oder mit niedrigerem Bildungsabschluss in den Job gestartet, wer arbeitslos wird, knickt ein. Auf materieller, sozialer und mentaler Ebene melden sich die Folgen bereits innerhalb des ersten Jahres. Das belegt die Forschungsarbeit zweier Wissenschaftlerinnen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die im IAB-Kurzbericht vom Februar veröffentlicht ist. Zunächst ist es nur der Verzicht auf Restaurantbesuche und Kinoabende mit dem Freundeskreis. Dann fällt der Urlaub flach. Die mit der Verschlechterung des Lebensstandards einhergehende Vereinzelung ist ein schleichender Prozess. 

Die stillen Symptome von Arbeitslosigkeit

Erste von Arbeitslosigkeit verursachte Symptome stellen sich im Stillen ein. Das gesellschaftliche Leben verändert sich anfangs noch unbemerkt, weil trotz fehlender Beschäftigung die Freundeskreise bestehen und  Freizeitaktivitäten in Vereinen beibehalten werden. Doch selbst wenn die  Studie keinen markanten Einfluss von Arbeitslosigkeit auf die sozialen Netzwerke der Betroffenen feststellen konnte, die Erfahrung, langsam aus dem gewohnten sozialen Gefüge zu bröckeln, schwächt das Selbstwertgefühl und verstärkt das subjektive Empfinden von Ausgrenzung. 

Die Studie stützt sich auf Personendaten aus den Jahren 2007 bis 2018. Auswirkungen der Personalpolitik in der Corona-Krise sind darin also noch nicht abgebildet. Wie der Arbeitsplatzverlust die Teilhabe und das Wohlbefinden von Betroffenen beeinträchtigt, wurde durch den Vergleich mit einer Kontrollgruppe durchgängig beschäftigter Personen ermittelt. 

Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, 

  • verfügen über ein niedrigeres Haushaltseinkommen, wodurch sich der Lebensstandard verschlechtert,
  • beurteilen ihre Fähigkeit im Umgang mit schwierigen Situationen weniger optimistisch als zuvor,
  • stufen die eigene gesellschaftliche Position geringer ein,
  • schränken ihr Sozialleben in kostenintensiven Bereichen ein,
  • fühlen sich weniger zugehörig,
  • leiden zunehmend unter seelischen Problemen wie Angst, Niedergeschlagenheit und Reizbarkeit,
  • erfahren eine abnehmende Lebenszufriedenheit.

Qualifikation und Status bestimmen Ausgrenzung

Arbeitslosigkeit als Risikofaktor für soziale Exklusion wird durch den Abgleich mit der Kontrollgruppe der Beschäftigten bestätigt. Die Teilhabe am Erwerbsleben ist also eng mit der gesellschaftlichen Teilhabe verbunden. Das bekommen Manager übrigens genauso schnell zu spüren, wie die ungelernte Arbeitskraft. Allerdings regeln auch hier wieder die Qualifikation und der gesellschaftliche Status das Gewicht des Aufpralls. 

Personen mit geringer bis niedriger Qualifikation sowie geringen finanziellen und psychosozialen Ressourcen zur Bewältigung ihrer Situation trifft die Arbeitslosigkeit besonders hart. Damit sich die oben beschriebenen materiellen, mentalen und sozialen Konsequenzen nicht verfestigen, sind unterstützende Maßnahmen zur schnellen und dauerhaften Wiedereingliederung in die Erwerbstätigkeit gefragt. Dabei gilt: Je höher die Qualität der neuen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, umso schneller verbessern sich Gesundheit und Teilhabe. Was bedeutet das für die soziale Verantwortung von Unternehmen?

Stellenerhalt ökonomisch tragfähig machen

Öffentlich akzeptierte Beschäftigung ist ein "zentrales Identitätsmerkmal des Menschen, vor allem in den westlichen Gesellschaften", schreibt Springer-Autor Christoph Wagner über das Arbeitsverhältnis im Dienst eines guten Lebens (Seite 35). Nicht gebraucht zu werden und nicht nützlich zu sein, schlägt sich in einem Maße auf Lebenszufriedenheit und das Selbstwertgefühl nieder, dass Unternehmen dazu verpflichtet sind, arbeitsplatzbezogene Fragen nicht nur durch die rein ökonomische Brille zu betrachten (Seite 38).

Arbeitsplatzbeschaffung sowie die Ermöglichung von Einstieg und Wiedereinstieg in das Berufsleben sind in der Konsequenz als gesellschaftliche Aufgaben von Unternehmen zu verstehen. Gleichzeitig werden gerade diese Aufgaben aber auch "von der System- und Marktlogik determiniert" (Seite 46). Wie lässt sich dieser Konflikt zugunsten der Beschäftigung lösen? 

Es sei naiv, von Unternehmen den Erhalt von Stellen um jeden Preis zu fordern, meint Wagner. Es braucht die "Unterscheidung zwischen ökonomischen (Eigennutz-)Interessen und moralischen (Fairness-)Interessen (Seite 119). "Eine Herausforderung liegt in der Wettbewerbswirtschaft darin, moralische Ziele ökonomisch tragfähig umzusetzen beiehungsweise in betriebswirtschaftliche Ziele zu transferieren" (Seite 124).

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