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2013 | APageObject | Buchkapitel

2. Auf der Suche nach dem Souverän

verfasst von : Martin Bitter

Erschienen in: Aufstieg und Fall der europäischen Kohlenstoffökonomie

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Der Begriff des Staates gibt in den Sozialwissenschaften des Öfteren Anlass zu Kontroversen. Klaus von Beyme etwa hält ihn für eine wenig bestimmte, analytisch unergiebige Kategorie und zieht mit dem „politisch-administrativen System“ ein vermeintlich präziseres Analysekonzept vor (von Beyme 1992: 125 ff.; vgl. Esser 1999: 227). Durch die Betonung des Systemcharakters sollen zwei Dinge akzentuiert werden: die gestiegene, zunehmend auch grenzüberschreitende Interdependenz von politischem System und Gesellschaft einerseits und die systemische Eigendynamik politischen Handelns in Abgrenzung zu einer komplexen Umwelt andererseits.

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Fußnoten
1
Kursiv im Original, M.B.
 
2
So nützt es dem gegenüber dem anthropogenen Klimawandel besonders verwundbaren indischen oder chinesischen Souverän z. B. wenig, in eine post-fossile Ära einzutreten, solange die fossil befeuerten Wachstumsstrategien der westlichen Industriestaaten im Wesentlichen unverändert bleiben. Nach einem Bericht der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) wurden in den Jahren 2010 und 2011 42 Millionen Menschen aufgrund von Hitze- und Kältewellen, Stürmen und Überschwemmungen aus der Asien-Pazifik-Region vertrieben (Financial Times Deutschland, 14. März 2012: 12).
 
3
Nicos Poulantzas (ST: 108) kritisierte bereits in seiner 1977 veröffentlichten „Staatstheorie“ das „kurze Gedächtnis“ und die „eurozentrische Unbekümmertheit“ der theoretischen Versuche, die die in westlichen Staaten befriedete Phase in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Ausgangspunkt einer staatstheoretischen Annäherung nehmen.
 
4
Auch dies gilt nur mit Einschränkung. So verfügten die Bundesrepublik Deutschland und Japan im Zeitalter der Systemkonkurrenz lediglich über reduzierte Souveränitätsrechte. Zudem schufen Verteidigungsbündnisse, asymmetrische Wirtschaftsbeziehungen sowie wissenschaftliche und kulturelle Durchdringungsprozesse auch für andere Staaten Abhängigkeiten, die durch die Logik der Blockkonfrontation noch verstärkt wurden (Demirovic 2007a: 195).
 
5
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass diese Prosperitätskonstellation im Wesentlichen auf das Zentrum des „kapitalistischen Weltsystems" (Wallerstein) reduziert war. In der „Peripherie", der sog. „Dritten Welt", die in den 1960er Jahren etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung auf sich zog, wurde die dominante Form der Subsistenzwirtschaft (auf einem sehr niedrigen Niveau der Produktivität) durch eine neue Form der „Außenabhängigkeit" ergänzt - mit der Folge einer Festschreibung der Unterentwicklung. Zentrale Bestandteile dieser „Außenabhängigkeit" waren eine asymmetrische Integration in den Weltmarkt (bei Importen von Investitionsgütern, aber auch bei der Preisentwicklung von Rohstoffen) sowie eine Abhängigkeit von ausländischem Kapital in Form von Direktinvestitionen bzw. von Krediten (Deppe 2006: 79).
 
6
Kursiv im Original, M.B.
 
7
Herv. M.B.
 
8
Polanyi (1978: 85) sieht in der aristotelischen Trennung von oikonomia (Haushaltsführung) und chremastia (Gelderwerb) den „vielleicht (...) prophetischste(n) Hinweis, der jemals im Bereich der Sozialwissenschaften gegeben wurde".
 
9
Kursiv im Original, M.B.
 
10
Staatlichkeit wird - darauf macht Lipietz (2000: 48) aufmerksam - historisch mit der Entstehung der Sesshaftigkeit im Neolithikum möglich. Die Kultivierung des Bodens verursachte eine „Revolution", die „die Fähigkeit der menschlichen Gesellschaften zur Binnendifferenzierung erhöhte und zur Entstehung von politischen Gemeinwesen in Gestalt der Stadtstaaten führte". Dieser Aspekt wird auch von Polanyi (1978: 251) prononciert: „Im Gegensatz zu den Nomadenvölkern geht es dem Ackerbau um Verbesserungen, die an einen bestimmten festen Platz gebunden sind. Ohne solche Verbesserungen müsste das menschliche Leben primitiv und von den Tieren nicht sehr verschieden bleiben. Welch bedeutende Rolle haben diese festen Örtlichkeiten in der Geschichte der Menschheit gespielt!"
 
11
Die dieser Marxismus-Strömung eigene Auflösung der „organischen Einheit von Theorie und Praxis" bezieht sich nicht so sehr auf die erste Generation um Lukacs, Korsch und Gramsci. Bei ihren späteren Vertretern Benjamin, Horkheimer, Della Volpe, Marcuse, Lefèbvre, Adorno, Sartre, Goldmann, Althusser und Colletti rückt sie jedoch - wenn auch keineswegs eindeutig - stärker in den Vordergrund (Anderson 1978: 46).
 
12
Die Konnotation einer gleichsam naturwüchsigen Produktivkraftentwicklung mit ,menschlichem Fortschritt’ ist freilich auch aus ökologischen Gründen prekär: „Die Vorstellung von Fortschritt, wie sie von den ÖkologInnen vertreten wird, ist einfach nicht dieselbe wie der Fortschrittsgedanke, der dem ,Sozialismus des 20. Jahrhunderts’ zugrunde lag, wie er die Gemeinsamkeit von SozialdemokratInnen und (stalinistischen oder kritischen) KommunistInnen ausmachte. Allen politischen Ansätzen, die sich gleichsam um die ,politische Ökologie’ herum gesammelt haben, war ihr Antiproduktivis- mus und Anti-Etatismus gemeinsam." (Lipietz 2000: 41)
 
13
Thomas (2006: 308) erkennt in dieser Abqualifizierung eine Adaption rhetorischer Strategien, die von Althusser in seinem - gemeinsam mit Balibar verfassten - Werk „Das Kapital lesen" (1972) verwendet werden und wertet diese als „Konzessionen a la mode parisienne". Demgegenüber argumentiere Poulantzas in „Politische Macht und gesellschaftliche Klassen", dass Gramsci „einerseits (...) mit außergewöhnlichem Scharfsinn die von der politischen Wirkungsweise der bürgerlichen Ideologie in einer kapitalistischen Gesellschaftsformation aufgeworfenen Probleme erkannt (hat); andererseits zeigen seine Analysen recht klar die Sackgassen und Irrtümer auf, zu denen diese Ideologieproblematik aufgrund der historizistischen Problematik führt" (PMGK: 193, zit. n. ebd.).
 
14
Kursiv im Original, M.B.
 
15
Kursiv im Original, M.B.
 
16
Kursiv im Original, M.B.
 
17
Jessops „Methode der Artikulation" (Jessop 1990: 10 f.) zielt darauf ab, unterschiedliche theoretische Ansätze vor dem Hintergrund einer klaren thematischen Schwerpunktsetzung zu synthetisieren. Seine staatstheoretischen Überlegungen sind dabei wesentlich von Gramsci und Poulantzas geprägt, doch reichert er diese mit diskurs- und regulationstheoretischen Elementen, zunehmend auch mit luhmannscher Systemtheorie und der foucaultschen Machtanalytik an. Damit begibt er sich freilich zuweilen auf ein eklektizistisches Terrain und neigt zu theoretischen ,Verschachtelungen’ (Bieling 1999: 320).
 
18
Kursiv im Original, M.B.
 
19
Kursiv im Original, M.B.
 
20
Kursiv im Original, M.B.
 
21
Begreift man den Staat als ein gesellschaftliches Verhältnis, muss, streng genommen, bereits die Rede von dem Staat als problematisch gelten (Demirovic 2007a: 64).
 
22
Der „Bewegungskrieg“ umschreibt den direkten Angriff auf die staatliche Machtzentrale. Nach Gramsci drückt sich darin die revolutionäre Strategie des „Sturms auf das Winterpalais“ aus, wie sie von Lenin verfolgt wurde. Dem stellt er für den Westen – da der Staat hier von der „robusten Struktur der Zivilgesellschaft“ gestützt wurde – das Modell des „Stellungskrieges“ als einem fortwährenden Kampf um die Erlangung der Hegemonie gegenüber (GH: 874).
 
23
Kursiv im Original, M.B.
 
24
Vgl. die kritische Diskussion des Begriffspaars Determinante/Dominante bei Jessop (1985: 58).
 
25
Kursiv im Original, M.B.
 
26
Vgl. hierzu Marx, für den es von entscheidender Bedeutung ist, dass in der kapitalistischen Produktionsweise die Arbeitskraft von Menschen eine Ware wird - „und diese eine historische Bedingung umschließt eine Weltgeschichte" (MEW 23: 184).
 
27
Die Bereitstellung der allgemeinen Produktionsbedingungen kann unter bestimmten Bedingungen auch privatwirtschaftlich organisiert werden. Entscheidendes Kriterium hierfür ist die Profitabilität einer getätigten Investition. Dann werden „die allgemeinen Bedingungen des gesellschaftlichen Produktionsprozesses nicht aus dem Abzug der gesellschaftlichen Revenu hergestellt (...), den Staatssteuern (...), sondern aus dem Kapital als Kapital" (MEW 42: 431).
 
28
Kursiv im Original, M.B.
 
29
Kritisch zum Begriff der „strukturalen Kausalität": Cutler et al. (1977: 171f.); Hindess/Hirst (1981: 279).
 
30
Kursiv im Original, M.B.
 
31
Kursiv im Original, M.B.
 
32
Kursiv im Original, M.B.
 
33
Kursiv im Original, M.B.
 
34
Kursiv im Original, M.B.
 
35
Kursiv im Original, M.B.
 
36
Kursiv im Original, M.B.
 
37
Kursiv im Original, M.B.
 
38
Die Überschneidungen und (impliziten) Korrespondenzen zwischen den Forschungsprogrammen von Poulantzas und Michel Foucault werden an dieser Stelle offensichtlich (vgl. Jessop 1990: 220 ff.). Während Foucault in seinen Aufsätzen zur Gouvernementalität ein feines Gespür für die Mikrophysik der Macht und deren Diffusion in die Verästelungen subjektkonstituierender Praxen entwickelt, schenkt auch Poulantzas in seiner Staatstheorie der Verschmelzung und Verdichtung von Wissen und Macht große Aufmerksamkeit, ist dabei freilich immer bemüht, diese in ihrer Artikulation mit dem strukturalen Ganzen der kapitalistischen Produktionsweise zu erfassen.
 
39
Kursiv im Original, M.B.
 
40
Kursiv im Original, M.B.
 
41
Kursiv im Original, M.B.
 
42
Kursiv im Original, M.B.
 
43
Kursiv im Original, M.B.
 
44
Kursiv im Original, M.B.
 
45
Kritisch zu Poulantzas’ Ansatz, den besonderen Aufbau des kapitalistischen Staates in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zu suchen: Hirsch/Kannankulam (2006: 66); Bretthauer (2006: 85). Siehe auch die Replik von Demirovic (2007a: 213).
 
46
Hayek spricht in ähnlicher Absicht von den „konzeptiven Intellektuellen" (zit. nach Cockett 1995: 159).
 
47
Gramsci fasst das Alltagsbewusstsein als einen analytischen Begriff; es umschreibt also keine ,wahre Substanz’, mit der es möglich wäre, zu tiefer liegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen vorzudringen. Das schließt freilich nicht aus, dass sich im Alltagsbewusstsein als einem gegebenen Stand des Volkswissens auch rationale Elemente des „gesunden Menschenverstands" (buon senso) finden ließen, aus dem heraus die emanzipativen Momente eines „neuen Intellektuellen" entstehen könnten (GH: 1397).
 
48
Teilkursivsetzung im Original, M.B.
 
49
Kursiv im Original, M.B.
 
50
Kursiv im Original, M.B.
 
51
Poulantzas neigt dazu, die Rolle der (Staats)Apparate zu überschätzen. Die Macht geht im integralen Staat freilich über diese hinaus. Dem soll insbesondere durch Gramscis Akzentuierung der Zivilgesellschaft und des Alltagsverstandes genüge getan werden. Gramsci hatte ein feines Gespür dafür, dass der Begriff Macht „soziologisch amorph" (Weber 1980: 28) ist, wie es Max Weber ausdrückte.
 
52
Kursiv im Original, M.B.
 
53
Kursiv im Original, M.B.
 
54
Kursiv im Original, M.B.
 
55
Kursiv im Original, M.B.
 
56
Kursiv im Original, M.B.
 
57
Kursiv im Original, M.B.
 
58
Gelingt diese nicht und kristallisiert sich in den staatlichen Verdichtungsprozessen keine hegemoniale Klasse oder Klassenfraktion des Machtblocks heraus, die darin reüssiert, die beherrschten Klassen zu desorganisieren, besteht die Gefahr einer politischen Krise (vgl. Sablowski 2006: 260f.). Einzelne Fraktionen der Bourgeoisie können den Versuch unternehmen, dieser Krise in Form einer „passiven Revolution“ (GH: 1778), d.h. einer elitengesteuerten Transformationsstrategie entgegenzutreten; dauerhafte, stabile Herrschaftsbedingungen wird sie damit freilich nur schaffen können, insofern sich das neue Staatsprojekt auch in die materiellen Praktiken, Bräuche und Lebensweisen der Bevölkerung übersetzen lässt bzw. als ideologischer Zement Kontur annimmt.
 
59
Kursiv im Original, M.B.
 
60
Frankreichs Staatspräsident Sarkozy berief im Frühjahr 2008 die sog. Stiglitz-Kommission (unter der Leitung des gleichnamigen Nobelpreisträgers für Ökonomie) ein, die dann im September 2009 einen Bericht präsentierte, der zwölf Verschläge zur „Reform" des tradierten Wohlstandsindikators „Bruttoinlandsprodukt" beinhaltete. Unter anderem zielten diese darauf ab, das Wohlbefinden Einzelner (Einkommen, Konsum, Lebensqualität und -erwartung, Gesundheit und Freizeit) sowie die Umweltverträglichkeit des Wachstums stärker zu akzentuieren. Sarkozy fügte bei der feierlichen Präsentation noch die Punkte ehrenamtliche Arbeit, haushaltsnahe Dienstleistungen und das Funktionieren des öffentlichen Dienstes hinzu. Es gehe darum, die qualitativen Aspekte des Wohlstands in Zukunft vermehrt zu berücksichtigen (Süddeutsche Zeitung, 14. September 2009). Siehe auch die Einrichtung der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" in der Bundesrepublik Deutschland, die am 17. Januar 2011 ihre Arbeit aufnahm und eine ähnliche Zielvorstellung verfolgt (http://​www.​bundestag.​de/​presse/​hib/​2011_​01/​2011_​012/​01.​html, zuletzt abgerufen am 08. Februar 2011).
 
61
Kursiv im Original, M.B.
 
Metadaten
Titel
Auf der Suche nach dem Souverän
verfasst von
Martin Bitter
Copyright-Jahr
2013
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-03406-1_2