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Erschienen in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte 10/2020

Open Access 04.11.2020 | Originalarbeit

Aufbereitung der bei der Kabelschrott-Verarbeitung anfallenden Mischkunststofffraktion zu marktfähigen Produkten

Vorstellung des Dissertationsprojektes

verfasst von: Dipl.-Ing. Oliver Simon, Hubert Alexander Schwarz, Helmut Flachberger

Erschienen in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte | Ausgabe 10/2020

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Zusammenfassung

Die Firma Schaufler GmbH entwickelt gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung der Montanuniversität Leoben und mit Unterstützung der FFG im Rahmen des Forschungsprojektes „Re:PVC-P“ ein neuartiges Verfahrens- und Anlagenkonzept für die bei der Kabelschrott-Aufbereitung anfallende Mischkunststofffraktion. Dabei gilt es vielfältige Herausforderungen zu überwinden: ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien die möglichst vollständige Störstoffabtrennung, die Herstellung sortenreiner Kunststoffkonzentrate (mit einer gewissen Fokussierung auf PVC) mithilfe innovativer Verfahrenskonzepte und Aufbereitungsaggregate und die Erzeugung qualitativ hochwertiger Regranulate aus den erzeugten Kunststoffkonzentraten mittels modernster Kunststoff-Maschinentechnik genannt. Die solcherart erzeugten Regranulate, die Primärrohstoffe der verarbeitenden Industrie substituieren können, sollen einen bedeutenden Beitrag zu Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung leisten.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Die Firma Schaufler GmbH mit Sitz in Ybbs an der Donau ist ein österreichisches Privatunternehmen mit rund 120 Mitarbeitern, Abb. 1 zeigt das breit gefächerte Leistungsangebot.
Aus aufbereitungstechnischer Sicht ist vor allem das oberste Sechseck und damit die Spezialisierung auf das Recycling von Eisen- und Metallschrotten samt den im Zuge der Reststoffaufbereitung anfallenden Nebenprodukten von forschungsrelevantem Interesse. Mit Hilfe von modernsten Analysegeräten und auf Basis langjähriger Sortiererfahrung werden die bei Schaufler angelieferten Reststoffe zunächst in einzelne Schrottfraktionen vorsortiert. Diese Schrottfraktionen werden anschließend derart aufbereitet, dass sie von der metallverarbeitenden Industrie ohne weitere Bearbeitung als hochwertige Sekundärrohstoffe eingesetzt werden können. Die Nebenprodukte werden bislang überwiegend verkauft. Schaufler leistet dabei ganz im Sinne der Circular Economy einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Nutzung metallischer Reststoffe.
Lag der Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten der Firma Schaufler GmbH daher bislang auf der Herstellung qualitativ höchstwertiger, sortenreiner (Nicht-)Eisen-Metallgranulate (z. B. Kupfergranulat), so rücken nun die dabei anfallenden Nebenprodukte verstärkt in den Mittelpunkt der Forschungsbemühungen. Eines dieser Nebenprodukte ist die bei der Kabelschrottaufbereitung anfallende Mischkunststofffraktion. Der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung ist als langjähriger Forschungspartner abermals mit grundlegenden Arbeiten zur Charakterisierung und Aufbereitung dieser Fraktionen hinzugezogen.

2 Ziele und Entwicklungsinhalte

Im Rahmen des mehrjährigen, von der FFG geförderten Forschungsprojektes „Re:PVC-P“ befasst sich Schaufler mit der Entwicklung eines innovativen Verfahrenskonzeptes mit dem übergeordnetem Ziel der möglichst vollständigen Nutzung dieser anfallenden Mischkunststofffraktion. Dazu soll diese Mischkunststofffraktion möglichst vollständig in hochwertige Kunststoff-Konzentrate aufgetrennt werden, wobei vor allem die Erzeugung eines markttauglichen PVC-Regranulats fokussiert wird.
Die Prozessführung zur Aufbereitung dieser Mischkunststofffraktion in der erforderlichen Güte gilt als höchst anspruchsvoll, da hinreichende Aufschlussverhältnisse für eine qualitativ hochwertige Trennung schwer zu erzielen bzw. nutzbare Unterschiede in den Trennmerkmalen gering sind. Im Erfolgsfall ist das erzeugte PVC-Konzentrat das Ausgangprodukt für die Erzeugung eines qualitativ hochwertigen PVC-Regranulates, welches internationale Qualitätsstandards erfüllt und zu 100 % Primär-Granulate zu substituieren vermag. Durch Herstellung eines solchen Regranulats wird ein Beitrag zu Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Ressourcenschonung geleistet.

3 Der Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC)

Hauptkomponente der betrachteten Mischkunststofffraktion ist Polyvinylchlorid, kurz PVC. PVC wird als thermoplastischer Kunststoff klassifiziert. Das bedeutet, dass PVC durch Wärme erweicht und verformbar ist. Durch Abkühlung kommt es zum Wiedererstarren. Dieser Prozess ist beliebig oft wiederholbar. Die Formgebung von PVC kann im Spritzguss- und Strangpressverfahren geschehen, es lässt sich biegen, schweißen und verschäumen.
PVC-Harzen werden Zusatzstoffe wie Stabilisatoren, Füllstoffe, Gleitmittel, Schlagzähigkeits-Modifizierer und Weichmacher zugesetzt, dadurch sind seine Gebrauchseigenschaften weitgehend einstellbar – das erschließt vielfältige Einsatzmöglichkeiten und macht PVC seit den sechziger und siebziger Jahren zu einem der meist verwendeten Kunststoffe Europas. Die Zugabe von Weichmachern macht aus dem harten Roh-PVC einen flexiblen und dehnbaren Werkstoff (Weich-PVC), der z. B. in der Kabelindustrie, zur Herstellung von Wand- und Bodenbelägen, Schläuchen, Beschichtungen und für medizinische Produkte wie Infusionsbeutel u. a. Anwendung findet. Aufgrund seiner guten Isoliereigenschaften (wegen des hohen spezifischen Durchgangswiderstandes) ist Weich-PVC das Material der Wahl bei Kabel- sowie Leitungsisolierungen und -ummantelungen. Die Mantel- bzw. Isolierschicht wird mittels Extrusionsverfahren aufgebracht. Die Drähte und Kabel werden durch eine Düse geführt und dort mit im Extruder plastifiziertem PVC ummantelt. Das so aufgebrachte PVC isoliert spannungstragende Leiter untereinander und schützt die Kabellitzen vor mechanischen und thermischen Einflüssen, vor Feuchtigkeit und vor Witterung [1].

4 Verwertungsstrategien

Am Ende der Nutzungsdauer, welche – je nach Anwendung und Kabeltyp – bis zu 50 Jahre lang sein kann, steht die Suche nach adäquater Verwertung bzw. Entsorgung. Für Kunststoffe stehen hier mehrere Möglichkeiten zur Auswahl: werkstoffliches Recycling, chemisches Recycling, energetische Verwertung (durch Verbrennen) und Deponierung.
Länder, welche ein Deponieverbot für Kunststoffe durchgesetzt haben, so wie Österreich mit der Deponieverordnung 2008, haben einen höheren Anteil an stofflicher und energetischer Verwertung, deren Ziel die Rückgewinnung der in den Kunststoffen enthaltenen Energie zur Erzeugung von Strom und/oder Dampf ist. Diese Verwertungsmethode ist insbesondere für vermischte, verschmutzte und schadstoffbelastete Kunststofffraktionen geeignet [2].
Chemisches Recycling umfasst Verfahren, bei denen die einzelnen Komponenten der Kunststoffe als Rohstoffe gewonnen werden. Bei PVC geht es hierbei hauptsächlich um Chlor in Form von Chlorwasserstoff (HCl) für die chemische Industrie [3]. In Österreich sind derzeit keine industriellen Anlagen zum chemischen Recycling in Betrieb (weder für PVC, noch für andere Kunststoffe).
Beim mechanischen Recycling werden mechanische Prozesse zur Aufarbeitung des Rezyklats eingesetzt, die stofflichen Eigenschaften des Ausgangsmaterials bleiben dabei erhalten. Es kommt weitgehend zu keiner Veränderung oder Umwandlung des PVC-Compounds.

5 Stand der Technik

Momentaner Stand der Technik zur Behandlung von Abfällen aus der Kabelschrott-Aufbereitung ist die Verarbeitung zu qualitativ minderwertigen Produkten mittels des Spritzguss-Verfahrens, beispielsweise die Herstellung von Formteilen aus thermoplastischen Kunststoffen. Bauteilgrößen von 1 mg bis 10 kg sind mit kurzen Zykluszeiten und minimalem Nachbearbeitungsaufwand herstellbar [4]. So lassen sich beispielsweise PVC-Bodenplatten und -Komponenten für Verkehrsbeschilderungen wie Bakenfüße für Verkehrszeichen, Leitschwellen, Randsteine und Tempohemmschwellen herstellen. Erkennbar ist, dass die aus Kabelschrott erzeugte PVC-Kunststofffraktion derzeit ihr End-of-Life überwiegend im Downcycling, also der Umwandlung eines Produktes zu einem qualitativ minderwertigeren Endprodukt, findet.
Aktuell arbeitet die Europäische Kommission an einem Anhang zur REACH-Chemikalienverordnung (Anhang XVII), um die Exposition von Blei aus PVC zu minimieren und potenzielle Gesundheitsbeeinträchtigungen auszuschließen. Wird dieser Anhang realisiert, ist das Downcycling, so wie es zurzeit umgesetzt wird, nicht mehr möglich. Der Druck zur Auffindung realisierbarer Verwertungs-Optionen mit aus technischer wie auch wirtschaftlicher Sicht angemessener Aufbereitung und Valorisierung dieser Mischkunststofffraktion steigt kontinuierlich an.

6 Geplante Forschungsaktivitäten

Die gemeinsamen forschungsrelevanten Aktivitäten unterteilen sich, wie in Abb. 2 dargestellt, zum einen in einen aufbereitungstechnischen und zum anderen in einen kunststofftechnischen Schwerpunkt, welche durch die Betrachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen begleitet wird.

6.1 Aufbereitungstechnische Herausforderungen

Die aufbereitungstechnischen Herausforderungen in diesem Projekt werden in der Evaluierung geeigneter Verfahrenskonzepte zur effizienten Auftrennung der Mischkunststofffraktion aus der Kabelschrott-Aufbereitung gesehen, mit dem Ziel der Herstellung sortenreiner und störstofffreier Kunststoff-Konzentrate. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit der Aufbereitung als Trocken- und Nassprozess. Zur Schonung des schützenswerten Rohstoffes „Wasser“ wird versucht, das Verfahren als Trockenprozess zu führen.
Zur Erstellung dieser Kunststoff-Konzentrate ist es erforderlich, jene trennwirksamen Merkmalsunterschiede zu suchen, die es im Rahmen von Sortierprozessen für eine möglichst vollständige Trennung auszunutzen gilt.
Ein erfolgreiches Sortierverfahren hat in diesem Projekt vordergründig zwei Aufgaben zu erfüllen, nämlich zum einen die möglichst vollständige Abreicherung von Fremdstoffen (wie z. B. Reste von in der Mischkunststofffraktion verbliebenen Kupfer- und Aluminiumpartikeln) und zum anderen die Trennung der enthaltenen Kunststoffarten um markttaugliche bzw. verarbeitbare Kunststoff-Konzentrate zu gewinnen.
Die orientierenden Voruntersuchungen zeigten auf, dass eine Reihe von unterschiedlichen Sortiermethoden zur Konzentrat-Anreicherung zur Auswahl stehen, etwa die Dichtesortierung, die sensorgestützte Sortierung oder die Elektroscheidung.
Um die jeweiligen Sortierprozesse möglichst effizient betreiben und hochwertige Konzentrate erzeugen zu können, ist die Erzeugung gewisser Partikelgrößenspektren notwendig, um wirkungsvoll zu verhindern, dass die für eine selektive Trennung auszunutzenden Merkmalsunterschiede von einem Partikelgrößeneffekt überlagert werden.

6.2 Kunststofftechnische Herausforderungen

Eines der Hauptverfahren zur kontinuierlichen Verarbeitung von Kunststoffen ist die Extrusion. Dabei werden die zu verarbeitenden Polymere vor der eigentlichen Formgebung im Werkzeug in den schmelzflüssigen Zustand übergeführt. Dieser Aufschmelzvorgang erfolgt in der Regel in einem Extruder, einer Schneckenmaschine, welche das Aufgabematerial aufschmilzt, fördert und homogenisiert.
Mittels Extruder sind sowohl die kontinuierliche Erzeugung von Regranulaten aus Rezyklaten (durch Abschlagen dünner Stränge) als auch die Direktextrusion von Halbzeugen (z. B. Rohre und Profile) möglich. Die Mischwirkung des Extruders ermöglicht „Compoundierung“ (Zumischung von Rezyklat oder Regranulat zu Neuware) und die sogenannte „Coextrusion“ bei Rohren und Profilen. [3, 5].
Um die im Zuge der Aufbereitung erzeugten Kunststoff-Konzentrate in ein Regranulat, also ein verkaufsfähiges Produkt, zu überführen, wird das Konzentrat einem Extrusionsprozess unterzogen. Zur Herstellung hochwertiger Regranulate ist es notwendig, das über Sortierprozesse aus der Mischkunststofffraktion der Kabelschrott-Aufbereitung aufkonzentrierte PVC-Konzentrat zu homogenisieren, zu verdichten und gegebenenfalls Additive wie Stabilisatoren, Füll- oder Farbstoffe einzumischen. Dies geschieht in der Extrusionsanlage, welcher bei Bedarf Zusatzeinrichtungen zugeschaltet werden können.
Mit der Erzeugung eines Regranulates, welches bereits definierten Qualitätskriterien zu entsprechen hat und gleich wie Neuware einsetzbar sein soll, muss die Abfalleigenschaft enden und das Regranulat soll als Produkt gelten.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
2.
Zurück zum Zitat Stoifl, C.; Bernhardt, A.: Kunststoffabfälle in Österreich – Aufkommen und Behandlung, Wien: Umweltbundesamt, 2017 Stoifl, C.; Bernhardt, A.: Kunststoffabfälle in Österreich – Aufkommen und Behandlung, Wien: Umweltbundesamt, 2017
3.
Zurück zum Zitat Wolters, L.; Marwick, J.; Regel, K.; Lackner, V.; Schäfer, B.: Kunststoff-Recycling, München, Wien: Hanser, 1997 Wolters, L.; Marwick, J.; Regel, K.; Lackner, V.; Schäfer, B.: Kunststoff-Recycling, München, Wien: Hanser, 1997
4.
5.
Zurück zum Zitat Michaeli, W.: Einführung in die Kunststoffverarbeitung, München, Wien: Hanser, 1992 Michaeli, W.: Einführung in die Kunststoffverarbeitung, München, Wien: Hanser, 1992
Metadaten
Titel
Aufbereitung der bei der Kabelschrott-Verarbeitung anfallenden Mischkunststofffraktion zu marktfähigen Produkten
Vorstellung des Dissertationsprojektes
verfasst von
Dipl.-Ing. Oliver Simon
Hubert Alexander Schwarz
Helmut Flachberger
Publikationsdatum
04.11.2020
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte / Ausgabe 10/2020
Print ISSN: 0005-8912
Elektronische ISSN: 1613-7531
DOI
https://doi.org/10.1007/s00501-020-01041-7

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