Während die öffentliche Hand immer weniger Geld für den Wissensausbau der Bürger zur Verfügung stellt, tragen Betriebe und Privatleute den Löwenanteil der jährlichen Weiterbildungskosten von rund 27 Milliarden Euro, so eine Langzeitstudie.
Während Firmen und Mitarbieter ihre Investitionen in die Weiterbildung in den vergangenen Jahren hochgeschraubt haben, hat der Staat seine Finanzierungsmittel gekürzt.
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Rund 11,1 Milliarden Euro lassen sich deutsche Unternehmen derzeit die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter pro Jahr kosten. Das sind 4,7 Prozent mehr als zum Tiefststand 2012. Privatpersonen investierten rund 9,5 Milliarden Euro in den Ausbau des persönlichen Know-hows, ein Plus in Höhe von 14 Prozent verglichen mit 2012. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuell veröffentlichte Untersuchung "Weiterbildungsfinanzierung 1995 bis 2015" der Bertelsmann Stiftung.
Geringqualifizierte profitieren nicht von Weiterbildung
Auffällig ist der deutliche Rückgang des staatlichen Engagements im Untersuchungszeitraum. Der liegt aktuell bei 6,3 Milliarden Euro im Jahr. Im Vergleich zu 2012, als der Staat nur 4,9 Milliarden Euro für Weiterbildung zur Verfügung stellte, ist das zwar ein positiver Trend. Aber mit Blick auf den gesamten Untersuchungszeitraum von 1995 bis 2015 ein Rückgang von 43,3 Prozent. Bislang gelang es den Betrieben bei der Personalentwicklung und den Mitarbeitern, die durch die öffentliche Hand entstandene Finanzierungslücke durch eigene Investitionen zu kompensieren.
Wenn öffentlichen Mittel fließen, kommen sie vor allem den Beziehern des Arbeitslosengelds I zu Gute, sagen Rolf Dobischat, Dieter Münk und Anna Rosendahl. Die drei Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen haben die Untersuchung durchgeführt. Sie betonen, dass Geringqualifizierte oder Hartz-IV-Empfänger nur selten davon profitierten. "Weiterbildung war zu lange das Stiefkind der öffentlichen Bildungsfinanzierung und erreicht noch immer nicht diejenigen, die besonders auf Unterstützung angewiesen sind", erklärt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Dabei senke die Digitalisierung die Ausgaben in diesem Bereich, schreiben die Studien-Experten. Lagen etwa 2012 die durchschnittlichen Weiterbildungskosten noch bei 298 Euro pro Teilnehmer, waren es 2016 nur noch 254 Euro.
Fachwissen staatlich anerkennen
Dräger fordert, berufliche Weiterbildungen für klassische Berufsabschlüsse anzurechnen. Das gelte vor allem für viele "formal geringqualifizierte Mitarbeiter", die in Betrieben bereits als Fachkräfte eingesetzt werden. In der Regel werde deren bei der Tätigkeit erlangtes Know-how nicht anerkannt. "Für viele Menschen werden Weiterbildungen attraktiver, wenn sie zu einem vollwertigen beruflichen Abschluss führen können." Daher sollen auch Kompetenzen, die während der Berufstätigkeit erworben wurden, im Hinblick auf einen Jobwechsel formell nachweisbar sein. Gerade dieses informelles Lernen sei für Arbeitgeber und Arbeitnehmer "die wichtigste Quelle für berufliche Handlungsfähigkeit".
Weiterbildung ist Basis für Unternehmen
Für Springer-Autorin Gabriele Molzberger steht fest, dass Unternehmen aufgrund der demographischen Entwicklung und technologischen Trends, wie der Digitalisierung, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Buchkapitel "Arbeitsintegrierte betriebliche Kompetenzentwicklung – Innovation oder Exnovation?" schreibt sie auf Seite 188, dass die betriebliche Weiterbildung laut der Einschätzung von Experten zu einem noch bedeutsameren Segment der Arbeitsmarktqualifizierung werde, "da sie passgenau und schnell auf diagnostizierte Bedarfe reagieren könne". Berufliche und hochschulische Ausbildungen seien mehr denn je notwendige Voraussetzungen, jedoch keine Garanten für den Erhalt von Arbeitsmarktbefähigung.