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19.03.2025 | Aus- und Weiterbildung | Schwerpunkt | Online-Artikel

KI-Fortbildungen vor allem für Männer

verfasst von: Annette Speck

7:30 Min. Lesedauer

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Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. Von der Wirtschaft wird sie mehrheitlich als Zukunftsmotor verstanden. Doch Frauen sind in KI-Schulungen vergleichsweise selten zu finden. Ein folgenschwerer Fehler. 

Zahlreiche Softwaretools auf der Basis von Künstlicher Intelligenz (KI) haben Einzug in den privaten und beruflichen Alltag gehalten. Laut der Bitkom-Studie "Künstliche Intelligenz in Deutschland" hat jeder zweite Befragte schon generative KI genutzt, also Software, die nach eigenen Vorgaben Übersetzungen, Bewerbungen, Texte, Grafiken, Fotos und Videos erstellt oder optimiert. Weitverbreitet sind dabei etwa Chat GPT, Deep-L, Dall-E, Adobe Firefly oder Midjourney.

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Weltweit nutzen weniger Frauen als Männer KI

Laut der globalen Meta-Studie "Global Evidence on Gender Gaps and Generative AI" gibt es allerdings deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede bei der KI-Nutzung. Wie die Analyse von 16 Studien mit insgesamt 100.000 Befragten in 26 Ländern, und neuen Daten zum Geschlecht der Nutzer von KI-Plattformen zeigt, betrifft dies fast alle Regionen, Sektoren und Berufe. Lediglich in einer Studie zu "US Tech Workers" überwiegen die Frauen bei der KI-Nutzung geringfügig.

Nutzungsunterschiede zwischen Frauen und Männern bei generativer KI (in Prozent)

Neben Zugangshürden auch strukturelle Hindernisse

Zudem weisen die Forschenden anhand von Daten aus zwei der Studien nach, dass Frauen KI-Tools weniger häufig als Männer nutzen, auch wenn ihnen die gleichen Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten dafür geboten werden.

Das Team um Nicholas G. Otis betont, dass diese Ergebnisse den dringenden Bedarf an gezielten Maßnahmen unterstreichen, die über den reinen Zugang zu KI-Tools hinausgehen. Es gelte, auch strukturelle und verhaltensbedingte Hindernisse anzugehen, die weltweit zu der Geschlechterkluft bei der KI-Nutzung geführt haben.

Nur fünf Prozent der Firmen bieten KI-Schulungen für Alle

Während sich im Privatleben die Nutzerinnen und Nutzer meist selbst an die KI-Anwendungen herantasten - oder eben auch nicht -, sollten Unternehmen, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten, ihre Beschäftigten damit vertraut  machen.

Tatsächlich schulen beispielsweise in Deutschland aber nur fünf Prozent der Unternehmen all ihre Mitarbeitenden im Umgang mit Software-Werkzeugen wie ChatGPT, meldete der Digitalverband Bitkom im November 2024. Weitere 16 Prozent bildeten zumindest einen Großteil weiter. Und 28 Prozent beschränken ihre KI-Fortbildungen auf ausgewählte Beschäftigte.

Demgegenüber ermöglicht fast die Hälfte der Unternehmen (48 Prozent) den Beschäftigten gar keine Weiterbildungen rund um das Thema künstliche Intelligenz. Und das, obwohl 61 Prozent aller Erwerbstätigen sagen, sie würden sich gerne zu KI fortbilden. Die Zahlen basieren auf zwei repräsentativen Umfragen von Bitkom Research im Juli/August 2024 unter 602 Unternehmen sowie 1.007 Personen ab 16 Jahren in Deutschland.

Riesiges Geschlechtergefälle bei KI-Kenntnissen

Vor dem Hintergrund der Klagen über Fachkräftemangel und fehlendes KI-Know-how verwundert es sehr, wie wenig strategisch die meisten Unternehmen ihre Personalentwicklung angehen. Der Randstad-Report "Understanding Talent Scarcity: AI & Equity" liefert hierzu ernüchternde Zahlen, und das ebenfalls nicht nur für Deutschland.

Die Analyse von Daten aus 15 Ländern offenbart klare Defizite, wenn es um Geschlechtergerechtigkeit und KI-Möglichkeiten am Arbeitsplatz geht. Im Schnitt geben 71 Prozent der Männer, aber nur 29 Prozent der Frauen an, über bestimmte KI-Kenntnisse zu verfügen. Dies entspricht einem Geschlechtergefälle von 42 Prozent.

Methodik: Grundlage der Studie ist eine Befragung unter mehr als 12.000 Arbeitnehmenden in 15 Märkten, darunter 800 in Deutschland, ergänzt durch die sekundäre Auswertung von mehr als drei Millionen Jobprofilen weltweit im Zeitraum von September 2023 bis September 2024.

Indien ist top bei der KI-Fortbildung von Frauen

Ein Grund dafür kann der geringere Zugang zu Fortbildungen sein. Der Bericht belegt, dass Frauen weltweit - abgesehen von Indien und Belgien - seltener die Möglichkeit für eine Weiterbildung zum Thema KI erhalten. Darüber hinaus sind sie auch weniger zuversichtlich, dass die Ausbildung, die sie erhalten haben, sie auf die Nutzung der Technologie in ihrer Karriere vorbereitet hat.

So erklären etwa in Deutschland 36 Prozent der Männer, bereits KI-Schulungen erhalten zu haben, während der Anteil bei den Frauen nur 28 Prozent beträgt. 36 Prozent der Männer fühlen sich durch diese Qualifikationen auch befähigt, KI-Tools erfolgreich anzuwenden, verglichen mit nur 27 Prozent der Frauen. Bei letzterer Frage bleibt allerdings offen, inwiefern die Zahlen mit dem geschlechtstypisch unterschiedlich stark ausgeprägten technischen Selbstbewusstsein zusammenhängen. Die ungleichen Chancen schlagen sich jedoch auch in der Begeisterung nieder: 52 Prozent der Männer äußern Interesse an KI, aber nur 41 Prozent der Frauen.

KI-Weiterbildung im Job

Internationaler Vergleich des Männer-/Frauenanteils

Mangelnde Weiterbildung schadet Unternehmen

Verena Menne, Director Group HR der Randstad Gruppe Deuschland, hält die fehlende Chancengleichheit für einen großen Fehler. Sie sagt: “Frauen erhalten deutlich weniger Möglichkeiten, sich im Bereich KI fortzubilden - das wirkt sich langfristig negativ auf die berufliche Laufbahn von Talenten, die Mitarbeiterbindung und auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen aus.“

Aber nicht nur Frauen werden bei KI-Fortbildungen benachteiligt. Neben dem Gender Gap offenbart die Studie auch einen Generationen-Gap: Während in den jüngeren Generationen Gen Z und Millennials rund vier von zehn Befragten bereits KI-Qualifizierungen erhalten haben, sind dies in den älteren Generationen Gen X und Babyboomer deutlich weniger.

Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz?

Nicht ganz unerheblich ist in diesem Zusammenhang das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Es verbietet Benachteiligungen aufgrund personenbezogener Merkmale wie unter anderem Geschlecht, Alter und Generationszugehörigkeit. Dies gilt auch für den Zugang zu Berufs(aus)bildung, beruflicher Weiterbildung sowie Umschulung und praktischer Berufserfahrung. Verstöße dagegen dürften allerdings schwierig zu belegen sein.

Randstad-Expertin Verena Menne hebt vor allem den Willen vieler Beschäftigter hervor, sich weiterzuentwickeln. Das sollten Betriebe für sich nutzen. Sie sagt: "Angesichts eines chronischen Arbeitskräftemangels können es sich Unternehmen nicht leisten, bestehende Talente im Unternehmen nicht zu fördern - denn neue Arbeitskräfte zu finden, ist heute eine große Herausforderung für alle Betriebe."

Weiterbildungsprivileg fördert Elitenbildung

Die Tatsache, dass betriebliche Weiterbildung vielfach ein Privileg weniger Personen ist, beleuchten Eva Voß und Sonja Würtemberger näher. In dem Buchkapitel "Lernen und Entwickeln: die Kompetenzen aller steigern und Know-how erhalten"“ zeigen sie auf, wie betriebliche Weiterbildung inklusiver und im Sinnes des Diversity Managements gestaltet werden kann.

Es sei wirtschaftlich zwar nachvollziehbar, dass insbesondere kostspielige Weiterbildungen mit Anreise und Tagungshotel lediglich einem ausgewählten Kreis an Personen ermöglicht werden. Der gewollte Nebeneffekt solcher Maßnahmen wie die Stärkung innerhalb von Abteilungen und Teams sowie der Aufbau von Netzwerken, berge jedoch das Risiko der Elitenbildung. Die könne wiederum weitere Ausschlüsse produzieren. "Genau deshalb sind im Lernen-und-Entwicklungsumfeld Analysen der Prozesse und Policies ein wichtiger Baustein für ein erfolgreich umgesetztes Diversity Management", heißt es auf Seite 215.

Daten auswerten, um Diskriminierung zu erkennen

Um Ungleichbehandlungen in der Personalentwicklung zu verhindern, müssten Unternehmen diese erst einmal erkennen, betonen die Springer-Autorinnen. Dafür sei es nötig, entsprechende quantitative und qualitative Daten für Lernen und Entwickeln zu erheben und auszuwerten. Dies seien (Seite 240):

  • Anmeldezahlen getrennt nach fachlichen und überfachlichen Schulungen nach Geschlecht, Alter, Ebene, Funktion, Vollzeit/Teilzeit
  • Absagen innerhalb der Frist, außerhalb der Frist getrennt nach fachlichen und überfachlichen Schulungen nach Geschlecht, Alter, Ebene, Funktion, Vollzeit/Teilzeit sowie Begründung hierzu (Kundenprojekt, Krankheit selbst/Kind/Pflege etc.)
  • Erfolgreich abgeschlossene Trainings nach fachlichen und überfachlichen Schulungen nach Geschlecht, Alter, Ebene, Funktion, Vollzeit/Teilzeit
  • Teilnahmequoten für Diversity-bezogene Trainings und weitere Formate nach Ebene und Funktion (zum Beispiel UBTs, Webinare, Allyship-Programme etc.) nach Geschlecht, Alter, Ebene, Funktion, Vollzeit/Teilzeit
  • Alle qualitativen Daten, wie  etwas Auswertungen von Feedback-Bögen zu Trainings und weiteren Formaten

Wie Fortbildungen inklusiver werden

Darüber hinaus nennen Voß und Würtemberger auch verschiedene Maßnahmen, die zu inklusiveren Fortbildungen/Tagungen, gerade auch im Hinblick auf Frauen, beitragen können (Seite 228):

  • Panels statt Manels: bei Diskussionsrunden, Workshops und der Auswahl an Referenten wird auf Vielfalt geachtet (Frauen, Schwarze Experten und People of Color, Mitglieder der LGBTIQ-Community, Menschen mit Behinderungen),
  • Die Registrierung berücksichtigt verschiedene Pronomen und die Ansprache aller Geschlechter,
  • Unterrepräsentierte Gruppen werden zur Teilnahme ermutigt (beispielsweise Vergünstigungen oder Kontingent kostenfreier Tickets),
  • Partys und Abendveranstaltungen sind offen für alle und nicht von einer Trinkkultur geprägt.

Die Welt besteht nicht nur aus Männern

Wie wichtig weibliche und andere in der KI oftmals unterrepräsentierte Sichtweisen für die Entwicklung und Gestaltung von Produkten, Dienstleistungen sowie Geschäftsmodellen aller Art sind, ist mittlerweile hinreichend bekannt.

KI-Systeme, die hauptsächlich auf männlichen Eingabedaten trainiert wurden, geben auch hauptsächlich männliche Antworten." Eva-Marie Müller-Stüler, Führt Künstliche Intelligenz zu mehr Diskriminierung von Frauen oder ist sie eine Chance für eine gerechtere Welt?, Seite 12

Umso wichtiger ist es, mehr Frauen für Künstliche Intelligenz zu begeistern und zu befähigen, ihre weiblichen Perspektiven in die KI-Welt einzubringen.

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