Bis zum Jahr 2023 braucht Deutschland fast 700.000 zusätzliche Technikexperten. Und Millionen Erwerbstätige müssen in Schlüsselqualifikationen fortgebildet werden, so eine Studie. Höchste Zeit, es anzupacken.
Wer langfristig erfolgreich sein will, muss bereit sein, lebenslang zu lernen. Bücher treten dabei hinter digitalen Medien zurück.
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Digitalisierung, Transformation, künstliche Intelligenz, Innovationen, Fachkräftemangel – diese Themen treiben Wirtschaft und Politik derzeit massiv um, denn sie bestimmen den Weg in die Zukunft. Dass sie gleichzeitig gravierende Veränderungen der Arbeitswelt mit sich bringen, sorgt allseits für Verunsicherung. Denn andere und neue Kompetenzen werden erfolgsentscheidend – für Firmen ebenso wie für Mitarbeiter. Doch welche Schlüsselqualifikationen sind das? Und wie steht die deutsche Wirtschaft aktuell da?
Das Innovationspotenzial ist bedroht
Einige Antworten darauf gibt die Studie "Future Skills: Welche Kompetenzen in Deutschland fehlen" vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft e.V. und der Unternehmensberatung McKinsey. Gemeinsam mit Unternehmen haben sie die Herausforderungen analysiert und ein Future Skills Framework entwickelt, das die aktuellen Kompetenzbedarfe von Wirtschaft und Gesellschaft darstellt. Als Future Skills werden dabei jene Kompetenzen bezeichnet, die in den nächsten fünf Jahren für die gesellschaftliche Teilhabe und das Berufsleben deutlich wichtiger werden – und zwar über alle Branchen und Industriezweige hinweg.
Die durch quantitative und qualitative Befragungen gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass "Deutschland Digitalexperten in großem Ausmaß fehlen und so das Innovationspotenzial unseres Landes bedroht ist. Aber auch die nicht-technische Belegschaft benötigt in großem Umfang neue digitale Schlüsselqualifikationen", resümiert Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband. Dieser Befund passt zur Einschätzung von Nadine Schön. Sie erklärt digitale Bildung in ihrem Fachbeitrag "Lebenslanges Lernen – Digitale Bildung bedeutet gesellschaftliche Teilhabe!" nicht nur zur Grundkompetenz, sondern zu einer Kulturtechnik, an der alle teilhaben sollten und müssten (Seite 419).
Ein breites Kompetenzspektrum aufbauen
In dem von McKinsey und dem Stifterverband entwickelten Rahmenwerk werden die als zukunftsrelevant identifizierten Kompetenzen drei Kategorien zugeordnet. Für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen sei dabei die Verknüpfung aller drei Fähigkeitskategorien von entscheidender Bedeutung. Die Mitarbeiter müssten möglichst viele der für ihren Arbeitskontext relevanten Future Skills besitzen.
Future Skills nach Kategorien | ||
Technologische Fähigkeiten | Digitale Grundfähigkeiten | Klassische Fähigkeiten |
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Kein Bereich mehr ohne Datenanalysen
Gleichzeitig leiten die Studienautoren aus ihrer Befragung von gut 600 Unternehmen verschiedenster Bereiche einen Gesamtbedarf von 693.000 zusätzlichen Mitarbeitern mit technologischen Fähigkeiten ab. Bei weitem am gefragtesten sind dabei Spezialisten für komplexe Datenanalysen (455.000): Schließlich gehen heute in den meisten Firmen nahezu alle Unternehmensbereiche mit Daten um, von der Forschung über Marketing und Vertrieb bis zu Personal und Organisation. Zudem werden quer durch alle Branchen immer mehr datenbasierte Geschäftsmodelle entwickelt.
Deutlich dahinter rangiert der Bedarf an Technikexperten für nutzerzentriertes Designen (79.000), Web-Entwicklung und Konzeption/Administration vernetzter IT-Systeme (jeweils 66.000) sowie Smart Hardware-/Robotik-Entwicklung (27.000).
Doch damit nicht genug. Millionen Erwerbstätige müssen weitergebildet oder umgeschult werden. Zu den künftigen Grundanforderungen gehört etwa die Fähigkeit zur Kollaboration. Der größte Fortbildungsbedarf besteht der Umfrage zufolge allerdings in der Schlüsselqualifikation digitales Lernen. Und hierfür sind Basiskenntnisse der Informationstechnologie unerlässlich. Für Nadine Schön gehören sie deshalb zur Bildung im 21. Jahrhundert ebenso dazu wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Schließlich gehe es darum, vernetzt zu denken und zu arbeiten sowie mit Hilfe digitaler Möglichkeiten, souverän und selbstbestimmt Probleme zu lösen. (Seite 420)
Eine digitale Bildungsoffensive muss her
Die Springer-Autorin und Politikerin fordert eine digitale Bildungsoffensive vom Kindergarten- bis ins Seniorenalter:
"Wichtig ist, dass wir die Digitale Bildung als einen fortlaufenden Prozess verstehen, als lebenslanges Lernen. Denn die Digitalisierung ist ein dynamischer und entwicklungsoffener Prozess. Es kann heute noch keine Blaupause für die nächsten zehn Jahre geben." Nadine Schön, Seite 421
Ansatzpunkte für eine digitale Bildungsoffensive (vgl. Seite 421 ff.)
- Spielerisches Lernen im Kindergarten
- Bildung 4.0 in der Schule durch bessere Ausstattung, eine nationale Bildungsplattform, digitale Kompetenzzentren, bessere Digitalaus- und -fortbildung des Lehrpersonals, Anpassung der Lehrpläne
- Ermutigung/Befähigung der Hochschulen zu digitaler Bildung, für besseren Wissenstransfer und universitäre Spin Offs
- Digitale Aus- und Weiterbildung der Erwerbstätigen durch die Unternehmen
- Verankerung der digitalen Weiterbildung als zentrales Handlungsfeld in der Bildungspolitik
- Förderung der Erwachsenenbildung mit niedrigschwelligen Angeboten, insbesondere auch für Senioren