Um der großen Kündigungswelle Einhalt zu gebieten, sind Weiterbildungsangebote derzeit das Mittel der Wahl. Doch die Lernoffensive verpufft, weil es an einer zielgerichteten Personalentwicklungsstrategie und an flankierender Kommunikation mangelt.
Weiterbildung um der Weiterbildung willen: So lässt sich der aktuelle Status Quo des organisationalen Lernens in vielen deutschen Unternehmen beschreiben. Denn es mangelt nicht nur an umfangreichen Angeboten, sondern auch an übergreifenden, zielgerichteten Personalentwicklungsstrategien. Das geht aus dem Studytube Learning & Development Monitor 2023 hervor, für den 2.050 HR-Professionals, Führungskräfte und Mitarbeitende online befragt wurden.
Lernangebote werden ziellos eingesetzt
Demnach stimmen 73 Prozent der Teilnehmenden der Aussage zu "Wenn wir nicht in Weiterbildung und berufliche Weiterentwicklung investieren, dann können wir die benötigten Talente nicht für uns gewinnen und an uns binden". Gleichzeitig bewerten aber 43 Prozent der Personalverantwortlichen die Lernangebote in ihrem Unternehmen als nicht ausreichend und nur 44 Prozent können berichten, dass ihren Mitarbeitenden ein Tag pro Monat für Weiterbildung zur Verfügung steht.
Insgesamt hapert es an der Weiterbildungsstrategie. Jedes fünfte Unternehmen agiert rund um die Lernangebote ziellos. So ist lediglich in 28 Prozent der befragten Firmen Learning & Development an die Business-Ziele gebunden. Konkrete Entwicklungsvorgaben existieren vor allem für Führungskräfte (54 Prozent).
Diese profitieren auch am meisten von den Lernangeboten, indem sie im vergangenen Jahr im Durchschnitt 2,5-mal an kurzen Seminaren teilnehmen konnten, während Mitarbeitende nur 1,9-mal in diesen Genuss kamen. Manager hatten laut Umfrage durchschnittlich einen längeren Ausbildungsgang pro Jahr, alle anderen Beschäftigten nur alle fünf Jahre. Und beim Coaching fällt die Bilanz für Fachkräfte noch schlechter aus. Hier profitieren Führungskräfte dreimal so häufig von Maßnahmen wie Mitarbeitende.
Aussage | Führungskräfte | Mitarbeitende |
Unser Lernangebot ist für mich als Beschäftigter leicht zugänglich. | 55 % | 46 % |
Ich kann einfach selbst Schulungen buchen. | 41 % | 34 % |
Mein Unternehmen bietet Schulungen an, die innerhalb des Unternehmens entwickelt wurden. | 55 % | 46 % |
Ich habe bereits selbst für meine Kollegen einen Lehrgang entwickelt. | 27 % | 2 % |
Quelle: Studytube Learning & Development Monitor 2023, Führungskräfte = 452; Mitarbeitende = 905
HR kommuniziert Weiterbildungsbudgets nicht
Budgets sind zwar vorhanden, sagen 92 Prozent der HR-Manager, allerdings wissen nur 62 Prozent der Belegschaft davon. "Die vorhandenen Möglichkeiten zur persönlichen und fachlichen Weiterentwicklung bleiben dadurch für die Mitarbeitenden unklar", heißt es in der Studienzusammenfassung. Deren Autoren konstatieren zudem ein eklatantes Kommunikationsproblem zwischen Personalabteilung und Mitarbeitenden.
Nach den Zielen ihrer Weiterbildungsoffensive gefragt, geben 41 Prozent Retention Management an, 37 Prozent nennen die Mitarbeitergewinnung als Grund und 33 Prozent erhoffen sich dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Lernstrategie ist die Basis
Doch wenn einzelne Themen und Formate des organisationalen Lernens nur individuelle Bedürfnisse erfüllen, kann Weiterbildung ihr Potenzial für Unternehmen gar nicht entfalten. "Eine Strategie muss her", betonen Oliver Gast, Jan Seifert, Dirk Werth im Zeitschriftenartikel "Der Mensch im Fokus der digitalen Transformation des Lernens: Erfolgreiche Aus- und Weiterbildung im Unternehmen". Wenn beispielsweise digitale Lernformate eingeführt werden sollen, sollte der Fokus auf einer Weiterbildungsstrategie auf der einen Seite und einer Einführungsstrategie auf der anderen Seite liegen.
Die Weiterbildungsstrategie muss den Rahmen aller Aktivitäten bilden und die Perspektive und Zielrichtung vorgeben und dabei alle Beteiligten und Stakeholder berücksichtigen. Die Tatsache, dass nach einer Bitkom-Studie (2018) unter mehr als 500 Unternehmen zwar 90 Prozent Aus- und Weiterbildung im Unternehmen für sehr wichtig halten, nur aber etwa die Hälfte über eine explizit ausgearbeitete Weiterbildungsstrategie verfügt, zeigt dass die Relevanz einer strategischen Betrachtung von Weiterbildung im Management noch zu wenig beachtet wird. Eine Weiterbildungsstrategie stellt den ersten Schritt dar und dient als Basis." (Seite 1447)
Weiterbildung an Unternehmenszielen ausrichten
Gegenstand der strategischen Planung sei es, die Personalentwicklung an den Unternehmenszielen auszurichten, schreiben auch Doris Lindner-Lohmann, Florian Lohmann und Uwe Schirmer in einem Buchkapitel über "Personalentwicklung". Als Vorgehensweisen werden hierfür in der Praxis häufig "die offene Analyse normativer und strategischer Planungsdokumente, die Balanced Scorecard und das Kompetenzmanagement" eingesetzt (Seite 201 ff.).
Analyse normativer Grundsätze und strategischer Pläne: Gibt es eine Unternehmensphilosophie, bestehend aus Werthaltungen und Grundsätzen der Zusammenarbeit, aus der sich strategieorientierte Personalentwicklungsmaßnahmen ableiten lassen, beispielsweise in Hinblick auf die Konfliktkultur?
Balanced Scorecard zur strategischen Bedarfsanalyse: Finanzielle Perspektive, Kundenperspektive, Interne Prozessperspektive sowie die Lern- und Entwicklungsperspektive sind die vier zentralen Erfolgsdimensionen eines Unternehmens, die in einer Balanced Score Card miteinander verknüpft werden.
Kompetenzmanagement: Hier geht es darum, die für ein Unternehmen besonders erfolgsrelevanten Kompetenzen zu identifizieren, zu operationalisieren, in benötigtem Umfang zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen.