Die Verunsicherung unter Azubis und Bewerbern ist groß. Die einen bangen um ihre Abschlüsse, die anderen, dass der Ausbildungsmarkt einbricht. Die Corona-Krise sorgt dafür, dass Unternehmen und junge Menschen schwerer zusammenkommen.
Bewerbungsgespräch trotz Kontaktverbot? Die Generation Z lässt sich am bestens digital erreichen.
Rawpixel.com / stock.adobe.com
Corona trifft die deutsche Wirtschaft und ihre jungen Nachwuchskräfte hart. Rund 750.000 Betriebe haben Mitte April Kurzarbeit angemeldet, durch das Berufsbildungesetz (BBiB) sind sie aber grundsätzlich dazu verpflichtet, weiterhin auszubilden. Vielen kleinen Betrieben, oder ganzen Branchen wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe, wurde die Vermittlung berufsbezogener Kompetenzen durch die lange Zeit des Shutdown erschwert bis unmöglich gemacht. Nicht alle konnten ihre Ausbildungspläne umstrukturieren oder ihre Lehrlinge in andere Abteilungen schicken. Alle Theorie ist irgendwann gelernt und auf digitales Ausbilden sind die wenigsten Betriebe eingestellt.
Um das Corona-Infektionsrisiko zu senken, waren außerdem die Berufsschulen und andere außerbetriebliche Ausbildungsstätten geschlossen. Die Sorge gilt nun den Azubis, die kurz vor ihren Abschlussprüfungen stehen und Schulabgängern, die nach den Sommerferien auf den Ausbildungsmarkt strömen. Aus- und Weiterbildungsprüfungen sind verschoben, Probezeiten verkürzt, Übernahmen ungewiss, Ausbildungsmessen abgesagt, Praktika können nicht angetreten werden und Bewerbungsverfahren sind nicht eindeutig geregelt. Wie also ist zu verhindern, dass ganze Jahrgänge von der Corona-Pandemie abgehängt werden?
Rettungsschirm für die Ausbildung wegen Corona
"Bildet aus", appellierte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil Ende Mai an die Unternehmen und verabschiedete mit den Partnern der Allianz für Aus- und Weiterbildung ein Maßnahmenpaket zur Sicherung und Stabilisierung der dualen Ausbildung. Darin enthalten sind Übernahmeprämien für Unternehmen, die Auszubildende aus Insolvenzbetrieben aufnehmen. Die digitale Ausstattung der Berufsschulen soll verbessert und Betrieben wie Jugendlichen der Zugang zu digitalen Beratungs- und Vermittlungsangeboten erleichtert werden. Betriebe sollen zur Stärkung des Ausbildungsjahrganges 2020/21 außerdem stärker von den Vorteilen der Verbundausbildung und der Auftragsausbildung profitieren können.
Trends auf dem Lehrstellenmarkt |
|
Quelle: Berufsbildungsbericht 2020, Bundesbildungsministerium, BmBF
Azubis von Corona-Restriktionen betroffen
Die Umfrageergebnisse des Portals Ausbildung.de mit dem Marktforschungsunternehmen Potentialpark unterstreichen die Dringlichkeit des Schutzschirms. Mehr als zwei Drittel der 700 befragten Azubis (69 Prozent) gaben an, in ihrem Beruf direkt von den Auswirkungen der Pandemie betroffen zu sein. Jeder Dritte von ihnen kann wegen erhöhter Ansteckungsgefahr nicht mehr arbeiten. Weil es in den ausbildenden Betrieben für sie nichts zu tun gibt, wurden 14 Prozent vorübergehend nach Hause geschickt und 16 Prozent sind in Kurzarbeit. Weitere 13 Prozent glauben, nach der Ausbildung nicht übernommen zu werden und zwölf Prozent befürchten, ihre Lehrstelle ganz zu verlieren. Auszubildende im Hotel- und Gaststättengewerbe, den Medien, der Gestaltung und in Pflege- und Gesundheitsberufen sind besonders stark betroffen.
Schulabgänger bewerben sich digital
Von den rund 1.700 befragten Schülerinnen und Schülern befürchten 59 Prozent wegen der Corona-Krise keinen Ausbildungsplatz zu bekommen und zwölf Prozent glauben, dass eine Ausbildung für sie derzeit zu unsicher sei, weshalb sie sich umorientieren wollen. Hoch im Kurs stehen Berufe, die im Zuge der Pandemie als systemrelevant und unverzichtbar eingestuft wurden, sie werden von 45 Prozent als attraktiver empfunden, mit ihnen setzen sich 22 Prozent der Befragten verstärkt auseinander. Doch wie kommen Nachwuchskräfte und Unternehmen in diesen Zeiten zusammen?
Mit der Digitalisierung herangewachsen, verlagern Jugendliche ihre Ausbildungssuche selbstverständlich und aufgeschlossen ins Internet. Nicht erst seit Corona, nun aber verstärkt. Sie googeln mehr (74 Prozent ), nehmen an digitalen Bewerbertagen (42 Prozent) und Jobmessen (32 Prozent) teil oder setzen auf die sozialen Medien (29 Prozent). Digitales Recruiting schreckt sie nicht: 71 Prozent können sich Bewerbungsgespräche per Videocall vorstellen und 64 Prozent würden gerne mit den Unternehmen chatten, um Fragen rund um die Ausbildung in Corona-Zeiten zu klären. Azubi-Messen, die in situationsbedingt in den digitalen Raum verlegt werden, verbuchen bereits beachtliche Resultate. Rund 12.000 Teilnehmer wurden laut "Handelsblatt" bei einer virtuellen Veranstaltung in Hamburg gezählt, weitere 4.500 in Niedersachsen.
HR-Abteilungen arbeiten analog
Bei allem Tatendrang, in den Unternehmen empfangen die jungen Bewerber unzeitgemäße Auswahlverfahren und verstaubte Prozesse, die nun von der Pandemie eingeholt werden. Und so fühlen sich 80 Prozent aller Bewerber von den Ausbildungsbetrieben nicht ausreichend informiert und 56 Prozent beklagen langwierige Bewerbungsprozesse. "In vielen Unternehmen sichten Personaler die Bewerbungen nach wie vor händisch – trotz digitalen Settings", schreibt Springer-Autor Felix von Zittwitz zu den aktuellen Herausforderungen im Employer Branding und Personalmarketing (Seite 142). Auf einem Markt mit nach wie vor mehr Stellen als Bewerbern, müssen junge Menschen nicht warten, sie können es sich leisten, Bewerbungsverfahren abzubrechen und weiter zu ziehen. Mehr als ein Drittel wählt nach Auskunft des Autors genau diesen Weg. Das schadet der Arbeitgebermarke. Was also ist zu tun?
Corona-Krise im Recruiting für Neues nutzen
Zunächst einmal kann es auch digital weniger gut gerüsteten Unternehmen helfen, die Krise als Experimentierfeld in Sachen Candidate Experience zu begreifen und digitale Lösungen auszuprobieren, die vorhanden sind, aber im Recruiting noch zögerlich genutzt werden. Ein Beispiel dafür ist die Einbindung von Chatbots für die 24/7-Beantwortung von dringlichen Fragen. Die Bewerbung per Chat ist für Springer-Autor Luc Dudler "direkter, komfortabler und ansprechender" (Seite 102) als herkömmliche Verfahren. Chat-Funktionen können über die Karriere-Webseite aber auch die Sozialen Medien, Whatsapp oder Telegramm angeboten werden. Die Vorteile von Chatbots im Recruiting sind (Seite 103ff):
- verbesserte Candidate Experience
- Abbau von Vorurteilen
- gestärkte Arbeitgebermarke
"Je mehr Fragen Sie Ihren Bewerbern beantworten, desto eher werden sie sich trotz Unsicherheiten bei Ihnen bewerben", das ist der Rat mit dem das Portal Ausbildung.de Unternehmen dazu ermuntert, sich digitalen Bewerbungsformen in der Krise zu öffnen. Vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum Konzern gibt es derzeit bei der Suche nach jungen Nachwuchskräften nur das eine falsch zu machen und das ist, in den alten Schuhen stecken zu bleiben.
Alle tagesaktuellen Beiträge rund um die Corona-Krise finden Sie hier