Die herrschende Weltordnung trägt noch Züge der Nachkriegsordnung von 1945, auch wenn sie sich inzwischen verändert hat. Als Sieger haben die USA die Ordnung aus einem aufklärerisch-liberalen Geist geschaffen und durch multilaterale internationale Organisationen abgestützt, deren wichtigste die UNO mit ihren Unterorganisationen ist. Die USA sind auch die Architekten der Weltwirtschaftsordnung gemäß dem Paradigma des Wirtschaftsliberalismus.
Dank ihrer überragenden militärischen Stärke wie auch ihrer Wirtschaftskraft besitzen die USA eine Vormachtstellung.
Die Nachkriegszeit zerfällt in zwei Epochen: Von 1945 bis zu den späten 1970er-/Mitte 1980er-Jahren herrschte politisch der Kalte Krieg; die Wirtschaft des Westens war weitgehend durch den Keynesianismus gekennzeichnet mit hohen Wachstumsraten und sozialer Stabilität.
Mit der Aufhebung der Dollar-Konvertibilität in Gold 1971 durch Präsident Nixon begann die Epoche des Finanzkapitalismus und des „Washington Consensus“ gemäß den Leitworten Liberalisierung, Deregulierung, Privatisierung, Globalisierung.
Ende der 1980er-Jahre wurde mit dem Treffen zwischen den Präsidenten Ronald Reagan und Michail Gorbatschow das Ende des Kalten Kriegs eingeleitet und mit der Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 zur Tatsache. Die USA errangen eine weltweite Hegemonie. Doch man verpasste die Chance, eine umfassende euroatlantische Friedens- und Sicherheitsarchitektur „von Vancouver bis Wladiwostok“ zu schaffen. Stattdessen führten USA und NATO die Containment-Policy weiter. Russland fühlte sich in seinem Friedens- und Öffnungswillen betrogen und geopolitisch wie auch geoökonomisch eingeschnürt. Es machte den „Schwenk nach Osten“ und sucht seither eine strategische Partnerschaft mit China.
Jetzt herrscht eine Großmächtekonkurrenz. Die geltende Weltordnung wird von den mit den USA rivalisierenden Großmächten und von „außereuropäischen“ Kulturen in Frage gestellt. Sie fordern eine polyzentrische Weltordnung und ein System, in dem auch ihre Interessen und Wertvorstellungen zur Geltung kommen.