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14.11.2018 | Automatisiertes Fahren | Schwerpunkt | Online-Artikel

Autonomes Fahren hat Nebenwirkungen

verfasst von: Christiane Köllner

4 Min. Lesedauer

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Mehr Pkw, weniger ÖPNV: Ohne Regeln verursachen selbstfahrende Autos mehr Verkehr und verringern die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Das hat jetzt eine Simulation von Forschern der TU Wien gezeigt. 

Lesen, E-Mails über das Smartphone beantworten oder sogar Schlafen – die Hoffnungen, die in die Annehmlichkeiten des automatisierten Fahrens gesetzt werden, sind oftmals sehr groß. Sicher ist: Automatisierung und fahrerlose Fahrzeuge werden kommen und den Straßenverkehr grundlegend verändern. Der Siegeszug der autonomen Autos ist wohl nur noch eine Frage der Zeit. Irgendwann in den Dreißigerjahren, so schätzt Professor Günter Emberger vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien, werden auf unseren Straßen mehr autonome Autos als von Menschen gelenkte Fahrzeuge unterwegs sein.

Doch die Folgen dieses Mobilitätswandels werden oft unterschätzt: Wie eine Studie der TU Wien, der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) und der Universität Leeds jetzt zeigt, sind die Auswirkungen selbstfahrender Autos teilweise problematisch: Die Anzahl der mit dem Auto zurückgelegten Kilometer pro Person soll steigen, der öffentliche Verkehr unter Druck geraten, die Zersiedelung noch weiter zunehmen. Damit die nächste Mobilitätsrevolution eine Erfolgsgeschichte werden kann, müsse man jetzt die nötigen politischen Rahmenbedingungen schaffen, so die Forscher. 

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Autonomes Fahren und Stadtstruktur

Mobilität, Verkehr und die physische Gestalt städtischer Räume sind eng miteinander verknüpft. Die Stadtstruktur bildet eine wichtige Grundlage für Mobilitätsentscheidungen von Haushalten und Unternehmen und gibt in entscheidendem Maße vor, welche Formen von Verkehr ermöglicht oder aber auch ausgeschlossen werden. 

"Selbstfahrende Autos haben zweifellos viele Vorteile", sagt Günter Emberger. "Sie könnten die Kapazität unserer Straßen erhöhen, die Gefahr von Verkehrsstaus senken und somit die Effizienz steigern." Allerdings müsse man laut Emberger auch die negativen Seiten bedenken: Autofahren werde plötzlich für jeden zugänglich. Damit sei das Auto ein noch stärkerer Konkurrent für den öffentlichen Verkehr. Insbesondere autonomes Carsharing, also das Teilen von selbstfahrenden Autos, könnte laut Springer-Autor Johannes Ritz in dünn besiedelten Regionen den ÖPNV komplett ablösen, schreibt er im Kapitel Autonomes Carsharing – Das Ende vom Privatauto? aus dem Buch Mobilitätswende – autonome Autos erobern unsere Straßen.

Zersiedelung verstärkt sich

Lässt man sich im autonomen Fahrzeug komfortabel ans Ziel fahren, kann man die Zeit für andere Aktivitäten nutzen – etwa zum Arbeiten. "Das könnte dazu führen, dass man längere Pendelstrecken in Kauf nimmt, sich weit entfernt vom Arbeitsplatz niederlässt und somit die problematische Zersiedelung des ländlichen Raums weiter verstärkt wird", heißt es in einer Mitteilung der TU Wien zur Studie. Auch müssten wir unseren Umgang mit Parkplätzen völlig neu überdenken, da sich ein autonomes Fahrzeug selbstständig auf die Suche nach einem Parkplatz machen könne.

"Selbstfahrende Autos werden unseren Umgang mit Mobilität in jeder Hinsicht verändern", ist Günter Emberger überzeugt. "Wir müssen uns daher heute schon Gedanken darüber machen, welche Auswirkung diese bevorstehende Revolution in der Mobilität auf die verschiedenen Aspekte unseres Zusammenlebens hat. Zweifellos müssen wir politisch darauf reagieren – nicht nur in der Verkehrsplanung, sondern auch in der Raumordnung, in der Parkraumbewirtschaftung und in Bezug auf nötige steuerliche Lenkungsmaßnahmen."

Zunahme der pro Person zurückgelegten Kilometer 

Wie die vielen betroffenen Bereiche – von der Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel über die Kosten privater Parkplätze bis hin zu den Anschaffungskosten selbstfahrender Autos – zusammenhängen, wurde in der gemeinsamen Studie von TU Wien, Boku und Universität Leeds untersucht. In Computermodellen, berechnet am Beispiel der Stadt Leeds, wurde analysiert, wie die vielen maßgeblichen Parameter realistischerweise aufeinander einwirken können. 

"Unsere Modelle sagen eine Zunahme der pro Person zurückgelegten Kilometer von 30 bis 40 Prozent voraus", sagt Günter Emberger. "Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie die zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegten Strecken gehen hingegen um 5 bis 20 Prozent zurück." Die Daten wurden für Leeds errechnet, zumindest ihre Tendenz lasse sich aber laut den Forschern auch auf andere Städte übertragen. Simulationen zur Stadt Wien seien derzeit in Vorbereitung. Einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse habe die Frage, ob in Zukunft Privatpersonen ihre eigenen selbstfahrenden Autos besitzen werden, oder ob die Fahrzeuge als gemeinschaftlich genutztes Mobilitätssystem allen zur Verfügung stehen. Im Fall geteilter Fahrzeuge seien die Auswirkungen weniger dramatisch.

Mehr Forschungsarbeit nötig

Festhalten lässt sich also, dass autonome Verkehrsmittel das Potenzial haben, das Verkehrssystem zu verändern. 

Ihre Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten werden […] Auswirkungen auf Entscheidungen zur Entwicklung von Flächennutzungen und Raumstrukturen haben", fasst es Springer-Autor Dirk Heinrichs im Kapitel Autonomes Fahren und Stadtstruktur aus dem Buch Autonomes Fahren zusammen. 

Welche Veränderungen sich konkret vollziehen könnten, hänge dabei stark davon ab, in welche Richtung sich autonomes Fahren entwickeln werde, so Heinrichs.

"Man kann aus heutiger Sicht keine einfache Lösung vorschlagen", sagt Günter Emberger. "Aber klar ist, dass wir heute darüber nachdenken müssen, wenn wir in Zukunft die Nachteile dieser Entwicklung in den Griff bekommen wollen." Günter Embergers Team an der TU Wien ist daher nun dabei, mehr internationale Forschungsarbeit zu diesem Thema anzustoßen.

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