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03.05.2023 | Automatisierung | Interview | Online-Artikel

"Vergleichbarkeit ist nur bei identischen Bedingungen gegeben"

verfasst von: Christoph Berger

5:30 Min. Lesedauer

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In der Initiative Manufacturing-X arbeiten Unternehmen und Organisationen daran, eine standardisierte Struktur für Produktinformationen zu entwickeln. Im Interview erklärt Benedikt Rauscher von Pepperl und Fuchs worum es dabei genau geht.

springerprofessional.de: Herr Rauscher, warum ist es für Industrieunternehmen zunehmend wichtig, Daten über die gesamte Liefer- und Fertigungskette – darum geht es bei Manufacturing X – mit anderen Unternehmen zu teilen und sie gemeinsam zu nutzen?

Benedikt Rauscher: Eine Digitalisierung der Supply Chain ist grundsätzlich für jedes Unternehmen interessant und hat Vorteile. Wenn man sich überlegt, wie fehleranfällig und wenig effektiv die papierbasierte Vorgehensweise ist, also das Verschicken von Faxen oder Einscannen von Dokumenten, die dann wieder ausgedruckt werden. Diesen Prozess durch einen strukturierten elektronischen Datenaustausch zu ersetzen, ich denke, das bringt für jedes Unternehmen Vorteile, losgelöst von Manufacturing-X oder anderen Aktivitäten.

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Können Sie erklären, wie man sich das Ökosystem Manufacturing-X vorstellen kann, welche Daten kommen da wo wie zusammen?

Die Grundlage ist die Verwaltungsschale. Diese enthält alle Daten zu einem Produkt oder zu einem Asset in einer standardisierten Struktur. Alle Daten bedeutet, dass sämtliche Informationen über den gesamten Entstehungs- und Lebenszyklus von einem Produkt digital vorliegen und zur Verfügung stehen. Die Informationen existieren also nicht nur auf dem Papier, das in einem Ordner abgeheftet wird, sie liegen stattdessen digital und in Formaten vor, die maschinell gelesen werden können und vereinheitlicht sind. Dabei geht nicht darum, dass jemand ein PDF verwendet, das dann wieder nur vom Menschen gelesen werden kann, es geht um ein von Maschinen lesbares Dokument.

Ähnlich einem digitalen Zwilling?

Ja, genau – ein digitaler Zwilling für die Automatisierung. Wobei man mit dem Begriff digitaler Zwilling ein bisschen vorsichtig sein muss, da der auch für Dinge verwendet wird, die nicht auf Standards basieren: Viele Unternehmen bezeichnen einfach irgendwelche Beschreibungsdateien als digitale Zwillinge, obwohl der letztendlich nur proprietäre Funktionalitäten beinhaltet, also nur innerhalb eines bestimmten Unternehmens funktioniert. Die Verwaltungsschale ist hingegen standardisiert: Es ist genau festgelegt, wie die Datei aufzubauen ist. Außerdem können die Dateien auch von allen Werkzeugen gelesen und geschrieben werden. So kommt es tatsächlich zu einer Standardisierung.

Haben Sie ein Beispiel aus Ihrem Produktportfolio, das auf diesem Standard basiert und entsprechend abgebildet wird?

All unsere Produkte sind entsprechend aufbereitet. Ein Großteil unseres Portfolios sind Sensoren mit unterschiedlichsten Wirkprinzipien – Ultraschall, induktiv, optisch und so weiter. Die haben neben dem eigentlichen physikalischen Sensor eine solche Verwaltungsschale, die auf Rechnersystemen abgelegt werden kann. Auf diese Verwaltungsschale können dann sowohl Kunden als auch Produzenten und Interessenten zugreifen und die Informationen standardisiert abgreifen mit vereinheitlichten beziehungsweise standardisierten Werkzeugen.

Die händischen Arbeiten gehören damit der Vergangenheit an.

Ja. In ein Engineering-Werkzeug muss damit nicht mehr manuell eine Datei reingeladen werden oder, im Extremfall: Daten müssen nicht mehr abgetippt werden, die per Fax zugeschickt wurden. Ebenso müssen CSV-Dateien nicht mehr in Werkzeuge importiert werden, um sie in ein anderes Medium zu übertragen. Das geht nun vollautomatisch, ohne dass ein Mensch in dem Prozess etwas machen muss.  

Ist dieser Digitalisierungsschritt auch ein neuer Weg, die eigenen Produkte auf dem Markt zu präsentieren beziehungsweise sie dort zu positionieren?

Es ist natürlich ein Weg, dies zu unterstützen – indem man beispielsweise digitale Zwillinge oder eben Verwaltungsschalen für die Produkte bereitstellt, die dann in Engineering-Systeme eingelesen werden können. Und, die überhaupt erst mal genutzt werden können, um Produkte zu vergleichen und Produkte auszuwählen für bestimmte Aufgaben. Da die Produkteigenschaften in der Verwaltungsschale beschrieben sind, können mit diesen Informationen Simulationen gemacht werden. Das ist etwas, was für die eigenen Produkte von großem Vorteil ist.

Gerne würde ich noch etwas näher auf die Funktionsweise der Verwaltungsschale eingehen.

Wichtig ist, dass sie standardisiert ist. In ihr steht, dass man diese und jene Teilmodelle hat – ebenfalls wieder standardisiert. Beispielsweise die Identifikation oder das "Digital Name Plate", also ein digitales Typenschild. Dabei handelt es sich um ein Template, in dem genau steht: Es soll der Herstellername und die Seriennummer angegeben werden, das Baujahr sowie weitere Dinge. All das, was üblicherweise auf die Blechschilder gestanzt wird. Auf den Produkten wird dann ein optischer Identifier aufgebracht, ein QR-Code, der zu diesem Typenschild verweist. So kann man sich mit jedem Mobilgerät, das eine Kamera und Internetzugang hat, dieses Typenschild anschauen. Genauso können entsprechende Dokumentationen zu dem Produkt direkt nachgeladen werden – in der Sprache, die man gerade braucht.

Was sind die großen Herausforderungen bei der Entwicklung solcher Standards?

Die Standards, die grundlegenden Normen und Schnittstellen, die gibt es größtenteils schon. Es gibt sehr viele und nun muss eine Auswahl getroffen werden. Außerdem muss es zur Umsetzung kommen. Das setzt voraus, dass man sich auf eine gemeinsame Semantik oder ein gemeinsames Vokabular einigt – praktisch: eine gemeinsame Sprache. Daher ist man gerade dabei, eine solche Semantik und Syntax zu etablieren, die man dann auf Basis der bestehenden Standards umsetzt und entsprechende Beschreibung für die Produkte hat.

Damit gilt: Nur durch die Einigung auf eine Sprache wird Vergleichbarkeit möglich.

Die Vergleichbarkeit ist nur bei identischen Bedingungen gegeben. Ein einfaches Beispiel: Es ist entscheidend, ob ich bei einem Abstandssensor den Erfassungsbereich in Millimetern, Zentimetern, Metern oder Inches angebe. Genauso, dass genau festgelegt ist, was unter Maximalabstand zu verstehen ist. Und es müssen einheitliche Berechnungsvorschriften vorliegen. Ein schönes Beispiel für die Verwaltungsschale und letztendlich auch Manufacturing-X ist der PCF-Show-Case, den ZVEI, der Verband der Elektro- und Digitalindustrie, entwickelt hat: Aufgebaut wurde ein Schaltschrank, in den verschiedene Produkte von verschiedensten Herstellern eingebaut wurden. Wobei jeder Hersteller den Product Carbon Footprint im (PCF)-Teilmodell in der Verwaltungsschale abgelegt hat, also den CO2-Fußabdruck seines Produkts. So kann der ganze Schaltschrank genommen und geschaut werden, mit welchen Produktkomponenten der niedrigste CO2- Fußabdruck erreicht wird. Das setzt aber voraus, dass dieser CO2-Fußabdruck überall gleich berechnet wird.

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Lesen Sie auch Teil 2 des Interviews unter dem Titel "Geht man standardisiert vor, bringt das alle Unternehmen voran". Darin erläutert Benedikt Rauscher, vor welchen Herausforderungen insbesondere Unternehmen mit einer langen Historie stehen und warum sich KMUs lieber früher als später an Manufacturing-X beteiligen sollten.

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