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Strategische Investoren aus China suchen gezielt nach westlichen Unternehmen, mit denen sie ihre eigene technologische Wettbewerbsposition verbessern können. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Roland-Berger-Studie mit dem Titel "Chinese Appetite - Emerging market players are buying into the European auto supplier industry".
Ein Beispiel für eine chinesische Akquisition ist die Übernahme von Preh durch Joyson. Noch im Sommer 2010 hatten beide Unternehmen ein Joint-Venture vereinbart, dann wurde im April dieses Jahres die mehrheitliche Übernahme von Preh durch Joyson Investment aus dem chinesischen Ningbo angekündigt. Unterzeichnet wurde die mehrheitliche Übernahme im Rahmen des 6. Deutsch-Chinesischen Forums für wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit von Joyson-Inhaber Jeff Wang (links im Bild) und Deutsche-Beteiligungs-AG-Vorstandsmitglied Dr. Rolf Scheffels (rechts im Bild). Ende Juni 2011 hat nach Zustimmung der zuständigen Behörden die Übernahme Rechtswirksamkeit erlangt, verlautbarte der deutsche Zulieferer. Damit halte Joyson 74,9 Prozent der Anteile an Preh, wie es heißt, während die bisherigen Mehrheitsgesellschafter, die Deutsche Beteiligungs AG und von ihr verwaltete Fonds (DBAG-Gruppe) sowie das Management mit insgesamt 25,1 Prozent beteiligt bleiben.
Nach den Krisenjahren 2008 und 2009 hat sich der Markt für die weltweite Zulieferindustrie deutlich erholt; die Anzahl der Insolvenzen ging signifikant zurück, berichtet die Unternehmens- und Strategieberatung. Hätten im Jahr 2009 in Europa etwa 100 Automobilzulieferer Insolvenz gemeldet, so seien es 2010 noch rund 25 gewesen. In den USA sei die Zahl der Insolvenzen in der Branche von 55 Unternehmen im Jahr 2009 auf zehn im Folgejahr gesunken. Im gleichen Zeitraum seien die Insolvenzmeldungen in Japan von 70 Unternehmen auf rund 25 zurück gegangen.
"Seitdem sich die Automobilmärkte weltweit stabilisiert haben, kommen immer mehr Unternehmen auf den Markt, die nicht aus einer Zwangslage - wie etwa einer Insolvenz - heraus verkauft werden", erklärt Marcus Berret, Partner bei Roland Berger Strategy Consultants. Von der Insolvenz seien im vergangenen Jahr vor allem Zulieferer betroffen gewesen, die sich schon im Besitz von Finanzinvestoren befunden hätten und von der Unterstützung durch Automobilhersteller besonders abhängig gewesen seien.
Auch die Zulieferer, die in den Krisenjahren Insolvenz anmelden mussten, wurden überwiegend weitergeführt und anschließend veräußert, heißt es aus München. Eine Konsolidierung im Sinne einer Marktbereinigung sei weitgehend ausgeblieben. "Verantwortlich dafür sind vor allem die Automobilhersteller", erklärt Berret. "Denn ihre Strategie liegt darin, die Marktanteile jedes einzelnen Zulieferers je nach Produktsegment unter maximal 40 Prozent zu halten. Zu große Marktanteile in einem bestimmten Marktsegment würden zu einer Übermacht der Zulieferer führen. Entsprechend könnten Lieferanten die Produktpreise selbst bestimmen - zu Lasten der Abnehmer."
Insgesamt nimmt die weltweite Zahl der Mergers-and-Acquisitions(M&A; Fusionen und Übernahmen)-Transaktionen in der Zuliefersparte weiter zu, weiß das Beratungsunternehmen. Im Krisenjahr 2009 seien 302 Übernahmen von Zulieferbetrieben weltweit abgeschlossen; im Jahr 2010 waren es 341 - Tendenz steigend. "Der Markt für M&A-Transaktionen hat sich erholt und mittlerweile das Vorkrisenniveau erreicht. Dies liegt hauptsächlich daran, dass sich die generellen Marktbedingungen für Übernahmen erheblich verbessert haben", erläuter Berret weiter.
Dabei soll sich laut Studie ein klarer Trend im Transaktionsmarkt abzeichnen: Seien vor der Krise noch die Finanzinvestoren die zentralen Spieler im Transaktionsgeschäft gewesen, habe sich während der Krise der Schwerpunkt auf industrielle, strategische Investoren verlagert. "Grund dafür waren unter anderem die schlechten Erfahrungen der Automobilhersteller mit den Finanzinvestoren", betont Dirk Kohlen, Principal bei Roland Berger. "Eine wichtige Rolle spielten außerdem die anfälligen Finanzierungsstrukturen vieler Zulieferer, die auf die hohe Schuldenlast reiner Finanztransaktionen aus der Vorkrisenzeit zurückzuführen waren."
Vor allem strategische Investoren aus Asien - allen voran aus China - sind zunehmend daran interessiert, westliche Zulieferer zu übernehmen, um sich neue Marktanteile zu sichern und technologisches Know-How zu erwerben, stellt das Beratungsunternehmen heraus. Die OEMs setzen dem nur wenig entgegen, weil sie eine weitere Qualifizierung der chinesischen Zuliefererbasis durchaus wünschen, wird hinzu gefügt. Gleichzeitig bestehe die Hoffnung auf eine Kombination von chinesischen Low-Cost-Ansätzen mit westlicher Technologie.
Während Übernahmen durch chinesische Investoren vor der Krise oft an mangelnder Zahlungsbereitschaft und Professionalität scheiterten, sehe es inzwischen anders aus, erläutert Berger-Experte Kohlen: "Chinesische Investoren haben verstanden, dass gute Unternehmen entsprechend viel kosten und sind mittlerweile bereit, dafür zu zahlen. Außerdem haben sie ihre Übernahmeprozesse erheblich professionalisiert. "
Die Expansion chinesischer Zulieferer auf dem europäischen Markt sei nicht zuletzt auf die Wirtschaftspolitik der Volksrepublik China zurückzuführen: Im Rahmen des aktuellen Fünfjahresplans zielen chinesische Unternehmen darauf, ihre technologische Position durch Investitionen im Ausland zu verbessern und zu global agierenden Marktführern in ihren jeweiligen Segmenten zu werden, berichtet die Strategieberatung. So strebe die chinesische Automotive-Branche ein Jahreswachstum von mindestens zehn Prozent an. Bis 2012 solle die Automobilproduktion in China um 22 Prozent im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2007 zunehmen.
Diese Entwicklung wird die Verhältnisse in der Zulieferindustrie weltweit verändern, folgert das Beratungsunternehmen. Denn einerseits stünden die durch Übernahmen entstandenen Unternehmen vor einem hohen Integrationsaufwand: Zulieferer werden starke kulturelle Unterschiede überwinden und Managementmethoden aufeinander anpassen müssen. Andererseits haben diese Unternehmen potenziell erhebliche Wettbewerbsvorteile, erklärt Marcus Berret: "Chinesische Investoren verfügen in der Regel über große Kapitalreserven, um das Unternehmenswachstum zu finanzieren. Außerdem besteht in der Automotive-Branche die Hoffnung, dass chinesische Zulieferer in Zukunft niedrige Kosten mit den hohen Standards westlicher Technologie verbinden werden. Dadurch würden sie weiter an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen und ihren Marktanteil deutlich ausbauen."
(Panoramabild: Preh; Aufmacher: Preh)