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14.07.2015 | Automobilelektronik + Software | Schwerpunkt | Online-Artikel

Datenbank soll Tachobetrug eindämmen

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4:30 Min. Lesedauer

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Eine neue Datenbank soll vor Tachobetrug schützen. Doch hilft das? Für den ADAC sind die Kilometer-Datenbanken keine Lösung. Der Automobilclub fordert stattdessen mehr Initiative von den Autobauern.

Tacho-Manipulation ist ein bekanntes Problem und gehört zu den gängigsten Betrügereien im Gebrauchtwagenhandel. In wenigen Momenten lässt sich der Kilometerstand einfach manipulieren. Durch diese Manipulationen am Kilometerzähler von Gebrauchtwagen entsteht Schätzungen zufolge allein in Deutschland jährlich ein Schaden von sechs bis sieben Milliarden Euro. Die Polizei schätzt, dass die Laufleistung jedes dritten Gebrauchtwagens zurückgedreht wurde, wie der Automobil-Club Verkehr (ACV) angibt. In Deutschland wird die kriminelle Verjüngung von Tachoständen mit einer Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr geahndet. Da der Nachweis aufwendig und kostenintensiv ist, kommt es de facto aber so gut wie nie zu einer Strafverfolgung.

Zur Bekämpfung der Tachokriminalität diskutieren Politik und Öffentlichkeit aktuell wieder verstärkt über Datenbanken. "Derzeit werden in Deutschland und auf EU-Ebene gesetzliche Rahmenbedingungen vorangetrieben, um Tachobetrug künftig einzudämmen", sagt Wolfram Stein von der Initiative gegen Tachomanipulation. In der Datenbank würde der tatsächliche Lebenslauf eines Fahrzeuges in Bezug auf seine Kilometerleistung dokumentiert. Sie soll die Kilometerstände von Autos, etwa bei einer Reparatur, Hauptuntersuchung (HU) oder Inspektion, erfassen und damit die Manipulation des Wegstreckenzählers verhindern.

Wie hilfreich eine derartige Datenbank sein könnte, machen Kfz-Experten immer wieder deutlich. Denn die für eine Tachomanipulation erforderlichen Geräte sind problemlos im Internet zu erwerben. Ebenso ist das Zurückdrehen des Tachos derzeit technisch noch sehr leicht über die einheitliche OBD-Buchse möglich, Manipulationsgeräte kosten nur circa 150 Euro. Neu auf dem Manipulationsmarkt ist auch die Möglichkeit der permanenten Manipulation. Hier stellt der Fahrer während der Fahrt die Funktion des Kilometerzählers mithilfe einer Smartphone App ab, sodass sich die gefahrene Strecke nicht auf den Zähler niederschlägt.

So funktioniert die Tacho-Datenbank

Doch um den Tachobetrug künftig effektiver einzudämmen, laufen die Planungen für die Anti-Manipulations-Datenbank bereits und das System, auf dem sie basieren soll, ist denkbar einfach: Jedes Fahrzeug wird über seine Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) in einer neutralen Datenbank abgespeichert. Halter können die Daten kostenlos eintragen lassen und Fahrzeug-Lebensläufe jederzeit über das Internet abrufen. Die Voraussetzung für den Abruf ist immer die vorliegende Erlaubnis des Halters, daher muss er einmalig einen Autorisierungsprozess durchführen, der für die Zeit seiner Halterschaft gilt.

Kfz-Versicherer sprechen sich für eine Datenbank aus

Kfz-Versicherer sprechen sich grundsätzlich für den Aufbau einer solchen Datenbank aus, da sie durch die kriminellen Tachomanipulationen ähnlich geschädigt werden wie ihre Kunden. So werden private Gebrauchtwagen-Käufer Berechnungen zufolge im Schnitt um mehr als 3000 Euro betrogen, weil ihnen ein zurückgedrehter Kilometerzähler eine geringere Laufleistung des betreffenden Fahrzeugs vorgaukelt, gibt das Goslar Institut an.

Doch damit nicht genug: Es handelt sich dabei nicht nur um einen Betrug am tatsächlichen Kaufpreis eines Gebrauchtwagens, sondern vielmehr um eine Sicherheitsfrage, da durch externe Zugriffe in das System Wartungsarbeiten und Werkstattintervalle in gefährliche Längen gestreckt werden. Folglich werden sicherheitsrelevante, verbaute Komponenten unregelmäßig vom Fachmann auf ihre Funktionalität überprüft werden.

ADAC setzt auf technischen Manipulationsschutz direkt im Auto

Daher fordert der ACV Automobil-Club Verkehr von der Automobilindustrie die Sicherheitsanforderungen, die vor externen Manipulationen schützen, drastisch zu erhöhen. "Die Fahrzeuge sind derzeit ab Werk bereits unzureichend vor Tachobetrug geschützt", warnt Lars Wagener, Vorsitzender der Geschäftsleitung des ACV Automobil-Club Verkehr. "Gleichzeitig ist die Tacho-Datenbank in Form einer zentralen Dokumentationsstelle für Kilometerstände ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Tachobetrug", sagt Wagener. Zum Beispiel hätten sich in Belgien durch die ständige Kilometerstanderfassung bei Wartungs- und Reparaturmaßnahmen in eine unabhängige Datenbank die externen Zugriffe auf ein Geringstmaß reduziert.

Diesen Ansatz sieht der ADAC hingegen kritisch, da dem Verbraucher eine falsche Sicherheit suggeriert werde. Denn: Viele dieser Datenbankeintragungen würden erst mit der ersten HU beginnen, wenn das Fahrzeug drei Jahre alt ist. Kriminelle, die ein Auto manipulieren und dadurch seinen Wiederverkaufswert steigern wollen, könnten beispielsweise vor einer HU den Kilometerstand des Pkw gezielt verändern. Das Ergebnis mit dem vermeintlich echten Kilometerstand bekämen sie dann mit der HU sogar noch "amtlich" bestätigt. Den besten Schutz vor Tachobetrug sieht der ADAC in einer technischen Lösung, also der manipulationssicheren Speicherung des tatsächlichen Kilometerstands direkt im Fahrzeug.

Ein weiterer Kritikpunkt des ADAC an Datenbanklösungen ist finanzieller Natur. Jeder Eintrag und Abruf von Daten kostet Geld. Diese Kosten würden letztendlich auf den Verbraucher umgelegt werden. Eine technische Lösung durch die Autohersteller direkt am Pkw würde dagegen nur etwa einen Euro pro Fahrzeug kosten.

Tachomanipulation mit erweiterter Steuergerätekonfiguration verhindern

Dass eine technische Umsetzung heute schon auf einfache Weise möglich ist, erklärt der Halbleiterhersteller Infineon. Es ließe sich auf bestehende Elektronikkomponenten zurückgreifen, die bereits für Steuerungs- und Überwachungsfunktionen im Fahrzeug zum Einsatz kämen, erklärt das Unternehmen im Artikel "Tachomanipulation - Technisch Vorbeugen" aus der ATZelektronik 2-2013. Der Automobilhersteller müsse hierzu nur zusätzliche Softwarefunktionalität bereitstellen. Als wesentliche Mikrocontrollerkomponente zum Implementieren der erforderlichen Schutzmechanismen sollen die sogenannte Secure Hardware Extension (SHE) und das sogenannte Hardware Security Module (HSM) in Frage kommen.

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