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07.02.2024 | Automobilproduktion | Kompakt erklärt | Online-Artikel

Wie funktioniert Mega-Casting?

verfasst von: Christiane Köllner

5:30 Min. Lesedauer

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Mega-Casting ermöglicht Aluminium-Karosseriefertigung aus einem Guss. Das soll Komplexität, Gewicht und Kosten reduzieren. Autohersteller stellen sich mit der Produktionsstrategie für die Elektromobilität neu auf.

Mega-Casting ist ein Druckgussverfahren zur Herstellung von Metallteilen. Das Besondere daran ist: Die Pressen sind riesig groß, sodass sehr große Gussstücke hergestellt werden können. Volvo und Tesla gehören zu den ersten Automobilherstellern, die auf das Mega-Casting setzen. Mega-Casting soll Vorteile in Bezug auf Nachhaltigkeit, Kosten und Fahrzeugleistung bringen. Gerade die zunehmende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in China, Nordamerika und Europa führt zu einem gesteigerten Interesse an großen Strukturbauteilen.

Druckgussverfahren sind in der Automobilproduktion eigentlich seit Langem etabliert: Mithilfe des Verfahrens werden einzelne Fahrwerks-, Motoren- oder Karosserieteile gefertigt. "Beim Druckguss-Verfahren wird flüssiges Metall unter hohem Druck in geteilte Metallformen gedrückt, wobei während des Erstarrungsvorganges des gegossenen Metalls der Druck aufrechterhalten bleibt. Durch dieses Verfahren können dünnwandige Werkstücke mit komplizierten Formen mit hoher Oberflächengüte und engen Toleranzen hergestellt werden", erklären die Springer-Autoren Wolfgang Böge und Marcus Kampf im Kapitel Spanlose Fertigung aus dem Handbuch Maschinenbau

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Einfluss des Mega-Castings auf die Automobilzulieferer

Mega-Casting bietet die Möglichkeit, die Fahrzeugproduktion mithilfe einer druckgegossenen Karosserie neu zu denken und zu vereinfachen. Das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University führt seit 2020 Untersuchungen zum Einfluss des Mega-Castings auf die Fahrzeughersteller und deren Zulieferer durch. Mit einer Analyse nach Porter wird die Attraktivität für jede TIER-Ebene beleuchtet.

Viele Teile durch ein großes Gussstück ersetzen

Mega-Casting funktioniert im Prinzip gleichermaßen. Nur der Maßstab ist größer. Mega-Casting bietet somit die Möglichkeit, "die Fahrzeugproduktion mithilfe einer druckgegossenen Karosserie neu zu denken und zu vereinfachen", wie die Springer-Autoren um Peter Burggräf im Artikel Einfluss des Mega-Castings auf die Automobilzulieferer (Seite 26) aus der Zeitschrift maschinenbau 5-2022 erklären. Beim Mega-Casting wird eine große Anzahl von Teilen durch ein einziges, großes Gussstück ersetzt. Das Verfahren reduziert damit die Anzahl der hergestellten Teile erheblich und ermöglicht so eine größere Flexibilität bei Design und Produktion. Zwischen 70 und 100 Teile sollen sich nach Angaben des Schweizer Anlagenbauers Bühler durch ein einziges Druckgussteil ersetzen lassen. Durch die geringere Komplexität des Fertigungsprozesses lassen sich darüber hinaus Kosten beim Materialeinsatz (etwa kein Metall-Verschnitt) und in der Logistik einsparen, wodurch der gesamte ökologische Fußabdruck in den Produktions- und Lieferkettennetzwerken verkleinert werden soll.

Bekannt wurde das Druckgussverfahren vor allem durch den US-amerikanischen Elektroautobauer Tesla, der das Verfahren Gigacasting nennt. Tesla hat erste Pressen bereits im Einsatz, auch in der Gigafactory in Brandenburg. Tesla setzt etwa für das hintere Bodenblech im Model Y auf Aluminiumdruckguss. Die Pressen stammen vom italienischen Maschinenbauer Idra, der seine Maschinen als Giga Press bezeichnet. Jede Maschine wiegt über 400 t und ist rund 20 m lang und mehrere Meter hoch und breit. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters soll Tesla planen, das Verfahren bald auch für den komplexen Unterboden anzuwenden. Bislang nutzt der Autobauer es vor allem für den Front- und Heckrahmen. Der Unterboden besteht in der Regel aus etwa 400 Einzelteilen, der dann fast in einem Guss hergestellt werden soll. Tesla könnte damit ein Fahrzeug von Grund auf in 18 bis 24 Monaten entwickeln. Womöglich komme das Verfahren erstmals bei Teslas geplantem Kompaktmodell zum Einsatz.

Neben Tesla setzt auch Volvo auf Mega-Casting

Neben dem E-Autobauer aus Kalifornien setzt auch Volvo auf Mega-Casting. Ab 2025 wollen die Schweden in ihrem Stammwerk Torslanda diese innovative Fertigung zur Produktion von Aluminium-Karosserieteilen für die nächste Generation der Volvo-Elektroautos nutzen. Große Teile der Bodenstruktur werden dabei als ein zusammenhängendes Aluminiumteil gegossen. Dies soll das Gewicht reduzieren und so die Energieeffizienz und in der Folge auch die elektrische Reichweite der E-Fahrzeuge verbessern. Auch "Volkswagen plant den Einsatz im Trinity-Projekt und Mercedes-Benz hat für sein neues Modell EQXX angedeutet, Mega-Casting (eigene Bezeichnung: Bionic-Cast) im Hinterwagen des Fahrzeugs einzusetzen", erklären die Springer-Autoren um Peter Burggräf im Artikel Einfluss des Mega-Castings auf die Automobilzulieferer (Seite 27). Chinesische Automobilhersteller wie Nio oder Xpeng hätten nach Teslas Vorbild entsprechende Druckgießmaschinen für das Mega-Casting bestellt. Mit einer neuen modularen Gigacast-Technologie und einer selbstfahrenden Produktionslinie will auch Toyota die Anzahl der Prozesse und die Anlageninvestitionen halbieren.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, könnten bald weitere Automobilhersteller auf das Mega-Casting setzen. "Ich wette, dass 80 Prozent der Autohersteller bis 2035 Gigapressen verwenden werden", sagt der Idra-Geschäftsführer Riccardo Ferrario in einem Interview mit Reuters. Zumindest, so Ferrario, für batterieelektrische Fahrzeuge, die auf neuen Plattformen basieren. Idra soll 2021 einen Umsatz von 100 Millionen Euro (108 Millionen US-Dollar) erzielt haben.

Verlagerung des Wertschöpfungsanteils 

Für die Automobilzulieferer beinhaltet Mega-Casting daher auch Risiken. Denn die Fertigungstechnologie hat das Potenzial, Kompetenzen und Wertschöpfung zwischen OEMs und Zulieferer zu verschieben. Wie das Mega-Casting die Fahrzeughersteller und deren Zulieferer beeinflussen wird, untersucht das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University seit 2020. Jan-Philip Ganser, Vice President Automotive bei der Unternehmensberatung Drive Consulting, sieht besonders Komponentenlieferanten im Karosseriebau auf der Tier-1-Ebene vom Mega-Casting betroffen: "Diese Unternehmen müssen für sich nun diesen Markt neu bewerten und ihre strategische Aufstellung hinterfragen. Obgleich mehr und mehr Unternehmen sich mit dem Mega-Casting auseinandersetzen, ist unter anderem aufgrund der OEM-seitig vorhandenen Strukturen und Entwicklungszyklen mittelfristig von einer Koexistenz verschiedener Karosseriebauweisen und Technologien auszugehen", so Ganser im Artikel Einfluss des Mega-Castings auf die Automobilzulieferer (Seite 29).

Für Zulieferer können sich aber durchaus auch neue Chancen bieten, vor allem, wenn es ihnen gelingt, OEMs als Kunden für die großen Strukturgussteile zu gewinnen. Ein Beispiel ist Duoli Technology. Der chinesische Automobilzulieferer produziert große Gussteile für viele globale OEMs in der Automobilindustrie. Jüngst hat Duoli Technology vier neue Mega-Casting-Anlagen vom Typ Carat 920 von der Schweizer Bühler Group gekauft. Der Auftrag sei einer der größten Einzelaufträge für das Mega-Casting-Geschäft der Bühler Group, heißt es vom Unternehmen. "Mit diesen neuen Kapazitäten können wir für unsere Kundinnen und Kunden zuverlässig Heckunterwagen in einem Durchgang produzieren", so Jianqiang Jiang, General Manager und Director von Duoli. Wie Bühler betont, führe der rasante Anstieg der Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in China zu einer gesteigerten Nachfrage nach großen Strukturbauteilen. Duoli ist im Dezember 2020 ins Druckgussgeschäft eingestiegen und hat seine Zusammenarbeit mit Bühler im Jahr 2021 mit der Installation der Carat-610-Mega-Casting-Lösung begonnen. Mit den jüngsten Anschaffungen wird Duoli mit drei Gießereien in China zu einem der größten Anbieter von Mega-Casting-Teilen weltweit.

Nachteile des Mega-Casting-Verfahrens

Das Mega-Casting hat aber auch Nachteile. So sind die Wandstärken dieser Bauteile aktuell deutlich größer als bei der klassischen Umformung mit Blechpressen. Das erhöht wiederum das Gewicht und den Materialeinsatz. Gleichzeitig vergibt man beim Mega-Casting – im Gegensatz zur klassischen Blechschalenbauweise – die Option, gewünschte Materialeigenschaften an bestimmte Stellen im Bauteil zu realisieren. Kritiker merken zudem an, das Verfahren berge Qualitäts- und Flexibilitätsrisiken, da ein einziger Fehler ein ganzes Modul beeinträchtigen und die Reparatur erschweren könne. Zudem werden die Gussformen mit steigender Bauteilgröße immer wuchtiger und schwerer, was die Handhabung erschwert und den Platzbedarf erhöht.

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