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21.06.2022 | Automobilproduktion | Schwerpunkt | Online-Artikel

So machen Kunststoffe den Automobilbau nachhaltiger

verfasst von: Christoph Berger

4:30 Min. Lesedauer

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Neben der Fahrleistung und Sicherheit gewinnen auch Konzepte für Nachhaltigkeit und CO2-Bilanzen für die Autobranche zunehmend an Wichtigkeit. Im Kontext einer ressourcenschonenden Produktion stehen Kunststoffe dabei besonders im Fokus.

Kunststoffe stehen beim Blick auf Nachhaltigkeit und CO2-Bilanzen unter besonderer Beobachtung, "auch wenn die Komponenten in modernen Fahrzeugen einen klar reglementierten Weg am Ende ihrer Lebensdauer haben", schreiben Fabrizio Barillari und Fabrizio Chini in ihrem Fachbeitrag Biopolymere – Nachhaltigkeit für die automobile Wertschöpfungskette aus der ATZ 11-2020. Denn selbst unter Einhaltung aller Recycling-Richtlinien habe Kunststoff hinsichtlich seiner Umweltbilanz noch immer Nachholbedarf. Daher seien Autobauer und Zulieferer in der Pflicht, sich intensiv mit Alternativen und neuen Lösungen zu beschäftigen. 

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01.11.2020 | Entwicklung

Biopolymere - Nachhaltigkeit für die automobile Wertschöpfungskette

Kunststoffe sind bei Fahrzeugbauern als hochverfügbarer und leicht zu bearbeitender Werkstoff beliebt, Verbraucher sehen dagegen vor allem Bilder von Müllbergen und Plastikinseln. Biokunststoffe können ein Teil der Lösung für die Unzulänglichkeiten von konventionellem Plastik sein. Röchling Automotive hat nun das Biopolymer Röchling-BioBoom entwickelt und für den Einsatz in der Automobilherstellung optimiert.

So seien beispielsweise für Röchling Automotive Biokunststoffe der nächste Schritt in Richtung ressourcenschonender Produktion – mit dem Ziel, hochverfügbare, kostengünstige und vor allem erneuerbare Rohstoffe einzusetzen: "Dabei wird sich auf CO2-Emissionen konzentriert, die bereits während der Herstellung anfallen. Gemeinsam mit Partnern wurde ein Biopolymer entwickelt, durch das erhebliche Einsparungen möglich sind. Im Vergleich zu fossilen Polymeren werden bei der Produktion bei Biokunststoffen bis zu 90 Prozent weniger Emissionen emittiert", so die Autoren des Artikels. Mit Milchsäure und Polylactide (PLA) als daraus abgeleitetes Polymer sei man erfolgreich gewesen.   

Eine Vielzahl von Ansatzpunkten im Produktlebenszyklus

In Ausgabe 3-4-2020 der ATZproduktion wird im Artikel "Naturfaserverstärkte Kunststoffe als Baustein einer nachhaltigen Mobilität?" ein weiteres Beispiel für den Einsatz biobasierter Werkstoffe und die Substitution von Kunststoffen gebracht. Demnach verfügt das Porsche-Modell 718 Cayman GT4 Clubsport über Karosseriebauteile aus Biofaser-Verbundwerkstoffen, die im Anwendungszentrum für Holzfaserforschung Hofzet des Fraunhofer-Instituts für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut, entwickelt wurden. Wobei einige Besonderheiten von Naturfasern im Fertigungsprozess berücksichtigt werden mussten, um optimale Verbundeigenschaften zu erzielen.

Eine Ökobilanz, die in Anlehnung (ohne kritische Prüfung) an die Anforderungen der Normen ISO 14040:2006 und ISO 14044:2006 durchgeführt wurde, ergab: "Es ist festzustellen, dass das verwendete Flachsgewebe in seiner Herstellung, inklusive der Vorketten, oftmals ein besseres Umweltprofil als das Gewebe aus Carbon vorzuweisen hat." Wobei zu berücksichtigen sei, dass dies nicht ausnahmslos für jede Wirkungskategorie gelte. Prinzipiell ist laut den Autoren aber klar, dass die einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus eine Vielzahl von Ansatzpunkten bieten, die produktbedingten Emissionen zu reduzieren.

Chemisch identisch mit Materialien fossilen Ursprungs

Beispiel drei: Im Oktober 2021 gab der Spezialchemie-Konzern Lanxess bekannt, bei der Kunststoff-Produktion immer mehr auf zirkuläre und biobasierte Rohstoffe zu setzen. So seien in dem leichtfließenden Compound mit dem Namen Durethan BLUEBKV60H2.0EF 92 % der Rohstoffe durch nachhaltige Alternativen ersetzt worden. Das sei ein Spitzenwert unter glasfaserverstärkten Kunststoffen in Primaware-Qualität. Und eine echte Lösung für die Kreislaufwirtschaft.

Konkret bedeutet dies, dass in der Produktion des Polyamid-6-basierten Hochleistungs-Kunststoffs unter anderem Cyclohexan aus nachhaltigen Quellen vorkommt. Dabei könne es sich um biobasiertes, biobasiert rezykliertes oder durch chemisches Recycling hergestelltes Cyclohexan handeln. Verstärkt werde das Material zudem mit 60 Gewichtsprozent Glasfasern, bei denen mineralische Rohstoffe durch industrielle Glasabfälle ersetzt würden. Die alternativen Rohstoffe, die in den Vorprodukten für Polyamid 6 eingesetzt würden, seien mit den jeweiligen Materialien fossilen Ursprungs chemisch identisch (sogenannte Drop-in-Lösungen), heißt es in einer Unternehmensmitteilung weiter. Durethan BLUEBKV60H2.0EF habe deshalb die gleichen Eigenschaften wie Primaware und lasse sich genauso gut verarbeiten. Eine Umstellung in der Produktion etwa auf andere Werkzeuge sei nicht erforderlich.

Geeignet für Hochtemperaturanwendungen

Dass biobasierte Verbundwerkstoffe mit entsprechender Verarbeitung und Veredelung auch für Hochtemperaturanwendungen geeignet sind, hat die Machbarkeitsstudie "HoT-BRo" gezeigt. Im Forschungsvorhaben "Biokunststoffe für Hochtemperaturanwendungen (HoT-BRo 2)" sollen nun gezielt Materialien für unterschiedliche Anwendungen – vorwiegend im Automobilbereich – entwickelt und modifiziert werden. Dabei kommen mit (teil-)biobasierten und rezyklierten Polyamiden thermoplastische Kunststoffe zum Einsatz, die ein weltweit ansteigendes Marktvolumen aufweisen. Eingesetzt werden sollen sie zunächst für ein Turbolader-Ladeluftrohr, ein Nutzfahrzeug-Flüssigfiltermodul, ein Thermomanagement-Modul und eine Kabelverschraubung als Referenzbauteile der Industriepartner. 

Qualitative Daten der Kunststoffindustrie über Materialien und Anwendungen liefert die Datenbank "Material Data Center". Dort gibt es auch einen Bereich zu Biopolymeren, wobei die Daten einem Forschungsprojekt entstammen, das M-Base gemeinsam mit verschiedenen akademischen Instituten durchgeführt hat, gefördert von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

Mechanisches und chemisches Kunststoffrecycling

Auch wenn es bis hier vorrangig um den Einsatz nachhaltiger Werkstoffe ging, soll das Thema Recycling auch noch mit einem Beispiel bedacht werden. So präsentierte der Kunststoffhersteller Covestro auf der Fachmesse IFAT Recyclingmethoden für die Kreislaufwirtschaft – Technologieansätze, mit denen Kunststoffe mechanisch und chemisch recycelt werden können. Neben dem mechanischen Recycling, das bereits für den Hochleistungskunststoff Polycarbonat und Thermoplastisches Polyurethan (TPU) zur Anwendung kommt, entwickelt das Unternehmen chemische Recyclingverfahren: Dazu zählen Chemolyse, smarte Pyrolyse und enzymatisches Recycling. Ziel dieser Verfahren sei es, rezyklierte Kunststoffe in Neuwarenqualität herzustellen und dabei den Umweltfußabdruck gegenüber konventioneller fossil-basierter Produktion von Polymeren und Polymerrohstoffen signifikant zu senken.

Der Recycling-Ansatz wird auch speziell im Kapitel Kunststoffe und Bauteile – Umwelt und Recycling des Buchs Polymer Engineering 3 aufgegriffen. Ebenso im Fachbeitrag Industrielles Recycling automotiver Kunststoffe – wie entwickelt sich der Polymerwerkstoffkreislauf in der Automobilindustrie? der Fachzeitschrift Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft.

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