Das Geschäft mit E-Autos lahmt. Kunden schrecken vor allem die hohen Preise ab. Importierte E-Autos aus China könnten Preissenkungen auch bei europäischen Herstellern auslösen.
Seit Monaten nehmen große chinesische Frachter Kurs auf Deutschland und Europa. Sie haben Elektroautos geladen, unter anderem vom chinesischen Abräumer BYD ("Build Your Dreams"), der in der Volksrepublik mit aggressiven Rabatten den Markt auf den Kopf stellt. Die gigantischen Schiffe machen Eindruck, die Chinesen stehen bei ihrer Expansion jedoch erst am Anfang. Gerade einmal knapp 34.000 Modelle aus China wurden etwa in Deutschland 2023 neu zugelassen. Doch diese Zahl dürfte steigen.
Fest steht: Der Gürtel sitzt wegen der wirtschaftlichen Lage bei vielen Autokäufern eng. Und die deutschen Hersteller haben für den kleinen Geldbeutel wenig im Angebot. Der ADAC stellte Anfang des Jahres eine Liste mit den 30 günstigsten Elektroautos zusammen. Dabei wurden die Kosten für Anschaffung und Betrieb einberechnet – allerdings keine Rabatte. Der erste deutsche Vertreter fand sich mit dem Opel Astra Electric auf Rang 9: Anschaffungsgrundpreis ohne Rabatte 41.990 Euro. Nimmt man die ausländischen VW-Töchter Cupra (Seat) und Skoda dazu, kamen nur 8 von 30 Autos aus deutschen Konzernen. Chinesische Autos waren in der ADAC-Auswertung noch nicht dabei.
Deutsche Anbieter bekommen Verschnaufpause
"Die deutschen Autobauer müssen sich im Heimatmarkt keine allzu großen Sorgen machen", glaubt Philipp Kupferschmidt, der bei der Unternehmensberatung Accenture im deutschsprachigen Raum für die Automobilindustrie verantwortlich ist. Denn so richtig billig seien die chinesischen Autos gar nicht. "Es ist der große Nachteil der chinesischen Autobauer, dass sie sehr selbstbewusst mit hohen Preisen in den Markt gegangen sind. Da haben sie sich massiv verschätzt", sagt der Branchenkenner. "Daher gibt es bei BYD inzwischen auch erhebliche Preisnachlässe." BYD hat etwa als Konkurrenz zum VW ID.3 den Dolphin im Programm, als Gegenspieler zum VW ID.4 das Modell Atto.
Angesichts der schwierigen Lage auf dem Elektroautomarkt hätten die deutschen Anbieter eine Verschnaufpause bekommen, um Entwicklungsrückstände mit Blick auf E-Mobilität und Software sowie Infotainment aufzuholen, sagt Kupferschmidt. Neben dem Wegfall staatlicher Prämien sorgten auch die deutlichen Preissenkungen des Elektroauto-Platzhirschs Tesla dafür, dass am Markt Unsicherheit herrscht. Viele Käufer fragen sich: Wie viel ist mein teures Elektroauto in einigen Jahren überhaupt noch wert?
Je erschwinglicher, desto schneller die Verbreitung
Andere Experten sehen dennoch eine offene Flanke bei den Deutschen. "Für viele Kunden ist es wichtig, dass man ein Auto für 15.000 bis 20.000 Euro kaufen kann", sagt Branchenexperte Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover lehrt. "Das bezahlbare Elektroauto aus China ist ja so etwas wie die große Hoffnung des deutschen Bürgers." Es seien zwar Autos etwa von VW geplant, die 25.000 oder auch irgendwann 20.000 Euro kosten sollen. "Aber ob sie angesichts der Inflation jemals diese Marken knacken werden, ist fraglich", bezweifelt Schwope.
Die Erschwinglichkeit sieht auch die Internationale Energieagentur (IEA) als einen Faktor bei der Verbreitung von Elektroautos. Wachsende Exporte chinesischer Hersteller, auf die 2023 mehr als die Hälfte aller Verkäufe weltweit entfielen, könnten den Druck auf die Autopreise weiter erhöhen, teilte die IEA mit. Chinesische Unternehmen mit Produktionsstätten im Ausland hätten in Überseemärkten einen starken Absatz erzielt mit erschwinglicheren Modellen, die 2022 und 2023 auf den Markt gekommen seien.
EU-Rechnungshof: E-Autos müssen breite Masse erreichen
In China waren 2023 nach IEA-Angaben über 60 % der verkauften Elektroautos in der Anschaffung günstiger als ein entsprechendes Verbrennermodell. In Europa und den USA blieben dagegen die Anschaffungspreise für Autos mit Verbrennungsmotoren im Durchschnitt billiger. Der zunehmende Wettbewerb und die besseren Batterietechnologien würden die Preise in den kommenden Jahren aber voraussichtlich senken.
Dass europäische E-Autos teils zu teuer sind, sieht der Europäische Rechnungshof als Hindernis für die Verkehrswende – also dem EU-Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein. Elektrofahrzeuge müssten die breite Masse erreichen. Zudem weise das Ladenetz in Europa große Löcher auf. Auch alternative Kraftstoffe seien keine echte Alternative, da die Menge schlicht nicht ausreiche.
Ladeprobleme könnten hemmen
Schwopes Meinung nach könnte es sinnvoll sein, kompakte Fahrzeuge zu "vernünftigen Preisen" anzubieten. "Vor allem, da die chinesischen Hersteller hier angreifen werden und ihre Software und Batterietechnologie ausgereift ist." Nicht nur Start-up, sondern auch Massenhersteller setzen zum Sprung an.
Der größte chinesische Autoexporteur Chery will dieses Jahr über niedergelassene Händler Elektro- und Verbrenner-SUVs im Mittelklassesegment anbieten. Dennoch: Ob Elektroautos viel erschwinglicher werden, steht auf einem anderen Blatt. Unter anderem könnte die Nachfrage nach günstigen Autos angesichts von Ladeproblemen insgesamt zu gering sein, um mit Massenproduktion über Größenvorteile zu günstigen Preisen zu kommen, zeigt sich Experte Kupferschmidt von Accenture skeptisch.
Wie die IEA betont, sei für ein anhaltendes Wachstum entscheidend, dass die Verfügbarkeit von öffentlichen Ladepunkten mit dem Absatz von Elektrofahrzeugen Schritt halte. Die Zahl der weltweit installierten öffentlichen Ladestellen stieg 2023 im Vorjahresvergleich um 40 %. Um die von den Regierungen angestrebte Verbreitung von Elektrofahrzeugen zu erreichen, müssen die Ladenetze bis 2035 noch um das Sechsfache wachsen, so die Analyse der Energieagentur.
Nicht jede Marke wird überleben
"Chinesen werden in Westeuropa absehbar in den nächsten Jahren nicht der Retter für den kleinen Geldbeutel sein, sie wollen keine Billigheimer sein", sagt Kupferschmidt. Frachtkosten, Marketing und Zölle würden ohnehin viel vom Vorteil der niedrigeren Herstellungskosten aufzehren. "Das könnte sich mit eigener Produktion in Europa aber etwas ändern", gibt Kupferschmidt zu bedenken. Chery kündigte unlängst den Aufbau einer eigenen Produktion in Spanien an. Dafür ziehen die Chinesen mit einem Gemeinschaftsunternehmen in ein ehemaliges Nissan-Werk in Barcelona. BYD will derweil in einer eigenen Fabrik in Ungarn produzieren.
Eigene Werke würden unterstreichen, dass man es ernst meine. "Von den Chinesen wird auch in Europa nicht jede Marke überleben, aber fünf bis zehn dürften es schon bleiben", sagt Schwope. "Mittel- bis langfristig könnten die 10 bis 15 Prozent der Marktanteile ergattern."
In China ist die Zuversicht groß, dass man mit den eigenen E-Autos in Deutschland bestehen kann. Nicht nur wegen des Preises. "Ich glaube, dass chinesische Autos durchaus eine Chance haben, auf dem deutschen Markt erfolgreich zu sein", sagt Cui Dongshu, Generalsekretär des chinesischen Automobilverbands CPCA. Modelle aus anderen Ländern seien in Deutschland schließlich schon lange verbreitet. Deutsche Autokäufer müssten sich zudem bei chinesischen Fahrzeugen kaum umgewöhnen. Schließlich habe China die "automobilen Grundlagen" von Deutschland erlernt. Produkt- und Designkonzepte seien verwandt. Hinzu kämen Chinas Vorteile, was Innovationen angehe.