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23.04.2025 | Automobilwirtschaft | Im Fokus | Online-Artikel

So tickt Chinas Automarkt

verfasst von: dpa, Christiane Köllner

7 Min. Lesedauer

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In China liefern sich Tech-Giganten und heimische Autokonzerne ein Rennen um die Führerschaft auf dem Markt für E-Autos. Bleibt dabei Platz für deutsche Traditionsmarken? 

Wer erfolgreich Autos bauen will, muss in China bestehen können. Deutsche Autobauer hatten in der Volksrepublik lange hervorragende Geschäfte gemacht – bis die Chinesen aufholten und in einigen Bereichen überholten. Bei der Auto Shanghai 2025 (23. April bis 2. Mai 2025) wird sich zeigen, wer im Kräftemessen vorn liegt. 

Denn Bekanntheit und guter Ruf allein reichen nicht als Erfolgsgaranten. Den Markt und seine Käufer zu verstehen, ist der neue Gradmesser. Diese Fragen und Antworten erklären, wie Chinas Automarkt tickt und warum es auch in Deutschland lohnt, einen Blick auf die Messe in Fernost zu werfen. 

Wie ist die Lage auf dem chinesischen Automarkt?

China bleibt der größte Automarkt der Welt: Rund 31 Millionen Autos wurden dort im vergangenen Jahr verkauft. Doch der Wettbewerb ist härter denn je. Heimische Hersteller haben ihren Vorsprung bei Elektroautos weiter ausgebaut, die in China besonders gefragt sind. Branchenführer BYD dominiert das Segment. Neue Modelle kommen mit Hightech-Features und Assistenzsystemen auf den Markt, oft ohne Aufpreis. 

Zugleich drängen Technologieunternehmen wie Xiaomi und Huawei in den Markt. Sie bringen ihre Expertise bei Software, Sensorik und Nutzererlebnis ein und machen vernetzte Fahrzeuge zu "Smartphones auf Räder". Die Folgen: ein immer rasanterer Innovationszyklus, sinkende Preise, massive Überkapazitäten.

"Durch die Überkapazitäten auf dem chinesischen Markt besteht ein großer Druck auf Herstellern und Zulieferern, global zu expandieren und zu exportieren", sagt Autoexperte Philipp Seidel von der Unternehmensberatung Arthur D. Little. Dieser Expansionsdruck werde in den kommenden Jahren noch stärker in Europa zu spüren sein – vor allem, wenn die USA sich als Zielmarkt weiter abschotteten, erklärte er. 

Wie geht es deutschen Autoherstellern aktuell in China?

Die deutschen Hersteller verlieren seit Jahren an Boden: Volkswagen, aber auch deutsche Premiummarken wie Mercedes, BMW und Porsche kämpfen mit Problemen, da einheimische Elektro-Newcomer aggressiv Marktanteile gewinnen. Die deutschen Marken versuchen, sich mit Anpassungen dagegenzustemmen: Sie investieren verstärkt vor Ort und bringen Modelle heraus, die speziell auf chinesische Kunden zugeschnitten sind. Die VW-Tochter Audi geht dabei so weit, eine eigene neue Marke einzuführen mit dem Namen in Großbuchstaben und ohne die vier Ringe. 

Dennoch ging der Abwärtstrend im ersten Quartal weiter: Die BMW Group verlor in China gut 17 % Absatz, die Pkw-Sparte von Mercedes-Benz rund 10 % und Volkswagen auf Konzernebene gut 7 %. Dabei hängen alle drei deutlich von China ab. Bei Volkswagen machte der Markt auf Konzernebene mit 644.000 Autos rund 30 % der Auslieferungen aus, bei Mercedes waren es im Pkw-Bereich 34 % und bei BMW auf Konzernebene mit 155.000 trotz des starken Rückgangs immer noch gut 26 %. 

Warum sind E-Autos in China so beliebt?

Elektroautos sind in China deutlich verbreiteter als in Deutschland. China fördert die Elektromobilität seit Jahren durch staatliche Subventionen, Steuererleichterungen und Vorteile bei der Zulassung, wodurch der Anteil von Elektrofahrzeugen an den Neuwagenverkäufen im vergangenen Sommer erstmals über 50 % stieg. Zudem bieten chinesische Hersteller eine breite Palette an günstigen Modellen an, die teilweise weniger als 10.000 Euro kosten. In Deutschland hingegen sind Elektroautos oft teurer, und der Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie politische Maßnahmen verlaufen langsamer oder werden nicht durchgehalten.

Welche Rolle spielen Zölle im Handel zwischen China und Europa?

Zölle sorgen derzeit für Spannungen im Autohandel zwischen China und Europa. Die EU hat Ende 2024 wegen unterstellter chinesischer Staatshilfen hohe Strafzölle auf E-Autos aus China verhängt. Peking verurteilte das als protektionistisch und drohte mit Gegenmaßnahmen. Deutsche Hersteller und Verbände betrachten die EU-Zölle kritisch: Der deutsche VDA etwa nannte die Abgaben einen Fehler und drängt auf Verhandlungen. Es laufen Gespräche über Alternativen, etwa Mindestpreise für chinesische E-Autos.

Bislang spielen chinesische Marken auf dem deutschen Automarkt aber so gut wie keine Rolle. Nimmt man chinesische Marken im engeren Sinn und lässt die vom chinesischen Geely-Konzern übernommene schwedische Marke Volvo samt gemeinsamer Tochter Polestar sowie Smart, das Geely und Mercedes gemeinsam gehört, außen vor, kamen sie 2024 auf einen Anteil von 1,0 % an den deutschen Neuzulassungen, von denen der mit Abstand größte Teil auf MG Roewe zurückgeht. Selbst Branchengrößen wie BYD kamen nur auf magere rund 2.900 Neuzulassungen beziehungsweise 0,1 % Marktanteil.

Warum fahren kaum chinesische Marken auf deutschen Straßen?

Doch warum kommen die chinesischen Marken auf dem deutschen Markt nicht an? Obwohl den Marken auch Experten durchaus gute Qualität bescheinigen. Einem ADAC-Test zufolge sind chinesische Autos mittlerweile auf Augenhöhe mit der Konkurrenz. Dass sich hierzulande aber dennoch kaum Autos chinesischer Marken finden, hat mehrere Gründe. 

Es fehlt im Vertriebs- und Servicenetz
Die chinesischen Marken hätten "die Komplexität des deutschen Marktes" unterschätzt, sagt Branchenexperte Stefan Bratzel. Wenn sie erfolgreich sein wollten, müssten sie sich sehr viel intensiver damit beschäftigen und bräuchten einen langen Atem. Ein Problem dabei ist, dass die Vertriebs- und Servicenetze noch nicht gut entwickelt seien. Das mache dann beispielsweise auch Schwierigkeiten, wenn Kunden ihr altes Auto eintauschen oder ihr neues finanzieren wollten. Und auch der wichtige Flottenmarkt werde dadurch abgeschreckt. 

Falscher Ansatz beim Marketing
"Die Chinesen verstehen Europa und die Kunden in Deutschland nicht", sagt Bratzels Kollege Ferdinand Dudenhöffer. "Schauen Sie etwa auf BYD: Sie kommen mit einem Schiff mit tausenden von Autos, machen eine Bandenwerbung bei der Fußball-EM, machen einen großen Deal mit einem Vermieter über 100.000 Autos und meinen, damit laufen die Geschäfte." Ohne Strategie von Aktion zu Aktion zu gehen, funktioniere es aber nicht. 

"Bei uns kennen die Autofahrer ihre Marke, und sie wechseln nicht mal einfach so", sagt Dudenhöffer. In China sei das anders, denn viele Kunden seien neue und teils unerfahrene Käufer ohne längerfristige Beziehungen zu einer Marke. 

Zu hoch angesetzt
Für Bratzel ist auch die Strategie, mit der viele chinesische Hersteller auf dem europäischen und deutschen Markt Fuß fassen wollen, "ein bisschen schiefgegangen". Das liege auch an deren gewachsenem Selbstbewusstsein. "Die wollen zeigen, was sie haben und dafür auch entsprechend Geld haben", sagt er mit Blick auf die teilweise eher im Premiumsegment angesiedelten Angebote beispielsweise von BYD oder Nio. Doch viele Kunden seien bei den chinesischen Marken noch skeptisch. "Da muss der Preis etwas unter den etablierten Anbietern liegen", sagt er. Kia und Hyundai beispielsweise seien mit einem solchen Ansatz damals erfolgreich gewesen. 

Dass MG Roewe bislang der mit Abstand volumenstärkste chinesische Anbieter in Deutschland ist, scheint Bratzel recht zu geben. Die Marke hat deutlich günstigere Autos im Angebot. 

Insgesamt will Bratzel die Skepsis der deutschen Kunden gegenüber den chinesischen Marken nicht zu hoch hängen. "Die haben jetzt eine ganz andere Qualität", sagt er mit Blick zurück auf Zeiten, in denen chinesische Autos bei europäischen Crashtests katastrophal durchfielen. Und auch das Fazit von Dudenhöffers Diagnose geht in diese Richtung: "Die China-Autos sind gut, das Marketing eine Katastrophe. Sie verstehen die Kunden einfach nicht und daher verbrennen sie sehr, sehr viel Geld."

Weshalb ist die Messe für deutsche Verbraucher interessant?

Die Messe Auto Shanghai 2025 ist ein Schaufenster der globalen Automobil-Zukunft – und damit auch für deutsches Publikum spannend. Über 100 neue Modelle, so berichten chinesische Staatsmedien, werden in Shanghai ihr Debüt feiern. Darunter sind auch einige Weltpremieren deutscher Marken. Experte Seidel verweist auf Volkswagens neue Produktoffensive: "Diese sind zwar zunächst für den chinesischen Markt vorgesehen, können aber auch Hinweise auf die kommende globale Produktstrategie geben – und somit auch auf Fahrzeuge und Funktionen, die wir bald auch in Europa sehen könnten", sagt er.

Auch deutsche Zulieferer wie Bosch werden ihre Neuheiten präsentieren. Besonders wichtig dürfte in diesem Jahr das Thema autonomes Fahren werden. Auch hier wollen sich die chinesischen Hersteller wie zuvor bei E-Autos an die Spitze setzen. Zudem geht es um die Vernetzung der Cockpits in den Autos.

Nach dem vieldiskutierten Unfall eines Sportwagens der chinesischen Marke Xiaomi im Zusammenhang mit der Nutzung des Fahrassistenzsystems in diesem Monat könnte auch das Thema Sicherheit bei der 21. Ausgabe der "Auto Shanghai" wichtig werden.

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