Stellenabbau, Werkschließungen, Lohnkürzungen: Aus der deutschen Automobilindustrie häuften sich zuletzt die schlechten Nachrichten. Wie geht es 2025 weiter? Ein Überblick.
Die Nachfrage ist schwach, der Markt in China kriselt: Für die deutschen Autobauer sind es keine schönen Zeiten. Die Gewinne sinken.
zeynep boğoçlu / Getty Images / iStock
Sie ist mit 770.000 Beschäftigten Deutschlands Schlüsselindustrie und gemessen am Umsatz die mit Abstand größte Industriebranche: Doch die Automobilindustrie ist wegen einer schwachen Nachfrage, Flaute bei E-Autos und neuer Konkurrenz in China in die Krise gestürzt. Allen voran Volkswagen, wo Lohnkürzungen, Werksschließungen und Stellenabbau drohen.
Europas größter Autobauer ist nicht allein: Bei Ford sollen bis Ende 2027 in Deutschland 2.900 Stellen wegfallen. Der Zulieferer Bosch will hierzulande Tausende Stellen abbauen – erst jüngst kündigte er die Streichung von bis zu 3.800 Jobs an. Bei Schaeffler sind es 2.800, bei ZF zwischen 11.000 und 14.000 und bei Continental weltweit mehr als 7.000. Bei Michelin sollen zwei Reifenwerke in Deutschland schließen und Mercedes-Benz will die Kosten in den kommenden Jahren um mehrere Milliarden Euro drücken.
"Die nächsten Jahre könnten brutal werden"
Bereits im dritten Quartal 2024 traf die schwächelnde Autokonjunktur die Branche. Von Juli bis September lag der operative Gewinn (Ebit) von Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz bei rund 7,1 Milliarden Euro – und brach damit im Vergleich zum dritten Quartal 2023 um annähernd die Hälfte ein. Der Umsatz sank um fast 6 % auf 145,4 Milliarden Euro. Das geht aus einer Analyse hervor, für die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY die Finanzkennzahlen der 16 weltweit größten Autohersteller aufgewertet hat. Für die deutschen Autobauer sah bereits das erste Halbjahr alles andere als rosig aus: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ging der Gewinn um 18 % zurück, der Umsatz sank leicht um 0,4 %.
Vor allem hinter den drei Unternehmen liegt nach Angaben von EY-Marktbeobachter Constantin Gall ein "rabenschwarzes Quartal". Die Rekorde der Nach-Corona-Jahre hätten tiefliegende strukturelle Probleme verdeckt, die nun schonungslos zutage träten. So falle es der deutschen Autoindustrie schwer, im Elektrobereich das Tempo der neuen Angreifer – zum Beispiel aus China – mitzugehen. Die Kosten seien zu hoch, die Apparate zu schwerfällig. "Die nächsten Jahre könnten brutal werden."
Nachfrage nach Neuwagen nie ganz erholt
Vom Corona-Einbruch 2020 hat sich die Nachfrage nach Neuwagen nie ganz erholt. Für 2024 rechnet der Verband der Automobilindustrie (VDA) in Deutschland mit 2,8 Millionen Neuzulassungen, etwa ein Viertel weniger als im Vorkrisenjahr 2019. Dazu kommen Probleme in China, wo der heimische Hersteller BYD am langjährigen Marktführer VW vorbeizog.
2025 dürfte kaum besser werden: Wegen der verschärften CO2-Flottenziele der EU drohen Herstellern hohe Strafzahlungen, sollte der E-Auto-Absatz nicht sprunghaft steigen. Für Volkswagen und Ford wird es laut Dataforce besonders schwer. Und nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA könnten neue Zölle das Geschäft auf dem wichtigsten Auslandsmarkt der deutschen Autoindustrie erschweren.
Absatz in Europa dürfte steigen
Immerhin: In Europa dürften der Autoabsatz 2025 etwas zulegen, schätzt der Marktbeobachter Dataforce. Mit 13,7 Millionen Neuzulassungen dürfte das Vor-Corona-Niveau von fast 16 Millionen aber außer Reichweite bleiben. "Der europäische Markt ist im Wesentlichen ein gesättigter Markt", sagt Branchenexperte Stefan Bratzel. Mehr als eine Rückkehr zum Vor-Corona-Niveau 2019 sei kaum zu erwarten. "Und auf dem Level wird es wohl auch die nächsten zehn Jahre bleiben."
Interne Strukturen verbessern
Aus der Sicht des EY-Marktbeobachters Gall haben insbesondere die europäischen Autokonzerne keine andere Wahl, als ihre Kosten zu senken und gleichzeitig an ihrer technologischen Wettbewerbsfähigkeit zu arbeiten: Denn trotz der sinkenden Profitabilität müssten Milliarden investiert werden – zum Beispiel in den Bereichen Software und Batterietechnik, aber neuerdings auch wieder in die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors.
"Dieser Spagat könnte einige Unternehmen überfordern, was zu Massenentlassungen und mittelfristig auch zu einer neuen Konsolidierungswelle in der Autoindustrie führen könnte." Umso wichtiger sei es, dass die Konzerne ihre internen Strukturen verbessern. "Massive Einschnitte gerade bei den Verwaltungskosten sind unumgänglich", so Gall. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung der deutschen Hersteller stiegen im dritten Quartal um 12 % auf 8,3 Milliarden Euro an – laut EY ein Rekordwert.
Standort stärken, Produktivität erhöhen
Konkrete Ansätze, wie der deutsche Automobilsektor in Zukunft erfolgreich bleiben kann, hat der vom Bundeswirtschaftsministerium berufene Expertenkreis Transformation der Automobilwirtschaft (ETA) in seinem Empfehlungspapier "Zukunft der automobilen Wertschöpfung am Standort Deutschland" formuliert.
So muss nach Einschätzung der Experten die deutsche Autoindustrie deutlich effizienter arbeiten. "Nur so bleibt sie international mittelfristig bis langfristig wettbewerbsfähig", heißt es im Empfehlungspapier. "Es geht wirklich darum, in der gleichen Zeit mehr zu produzieren und die Kosten zu reduzieren", sagte Ina Schaefer, die an TU Braunschweig Professorin für Softwaretechnik und Fahrzeuginformatik ist.
Den Empfehlungen zufolge ist eine "radikale Vernetzung entlang der gesamten Wertschöpfungskette notwendig". "In regionalen Clustern und Produktionsverbünden kann gemeinsam entwickelt, Teile der Wertschöpfungskette aufeinander abgestimmt und Investitionen zusammen gestemmt werden." Nur bei einer grundsätzlichen Umstellung seien wesentliche Produktionssprünge möglich.
Batterien oder Halbleiter sollten in Deutschland entstehen
Die Autobranche in Deutschland steht unter Druck. "Es findet ein Verteilungskampf um die Zukunft der Automobilindustrie und deren Wertschöpfung statt", befindet der ETA. Der globale Standortwettbewerb verschärfe sich auch aufgrund umfassender staatlicher Investitions- und Subventionsprogramme vor allem in den USA und China. Vor diesem Hintergrund nennen die Experten weitere Empfehlungen sowohl für die Wirtschaft als auch die deutsche und europäische Politik.
Dazu zählt auch der Aufbau von Schlüsselbereichen der Wertschöpfungskette für Elektroautos – also beispielsweise Batterien oder Halbleiter. Die Politik dürfe sich nicht scheuen, einzelne Unternehmen durch Förderungen anzusiedeln. Um die Bedingungen für Unternehmen zu verbessern, müssten zudem etwa Energiekosten gesenkt und Bürokratie abgebaut werden.