Skip to main content

15.02.2023 | Automobilwirtschaft | Schwerpunkt | Online-Artikel

So wirkt sich das Metaverse auf die Automobilbranche aus

verfasst von: Christiane Köllner

8 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Abtauchen in interaktive Digital-Welten: Viele große Marken und Unternehmen haben das Metaverse für sich entdeckt. Auch immer mehr Automobilhersteller zeigen Interesse. 

Was mit der virtuellen Welt "Second Life" begann und zwischenzeitlich wieder in Vergessenheit geriet, wird nun in neuer Dimension fortgesetzt: Die Rede ist vom Metaversum oder Metaverse. Auf Events wie der Videospielmesse Gamescom wird deutlich, dass neben dem Gaming-Sektor auch weitere Branchen Vorteile in digitalen, holistischen 3-D-Welten suchen. Allen voran: die Automobilindustrie. Tatsächlich gibt es hier erste Projekte für kollaboratives Arbeiten in digitalen Umgebungen, neue Ansätze in der Konstruktion und Produktion sowie frische Ideen für innovativen Vertrieb und Marketing.

Das Metaverse, das es als solches noch gar nicht gibt, ist ein Sammelbegriff für digitale und interaktive Welten. Es soll zum Werkzeug der nächsten Generation des Internets – des Web 3.0 – avancieren. Erste Metaverse ähnliche Welten und Umgebungen existieren bereits, etwa beim Onlinespiel Fortnite oder bei Facebooks Horizon Workrooms. Bislang sind diese Proto-Metaverse-Projekte aber nur Silos und keine zusammengewachsene Welt. Die Vision ist ein synchrones, dreidimensionales Echtzeitinternet. Um das zu erreichen, müsste die gesamte Infrastruktur des Internets neu überdacht werden. Ein vollständig entwickeltes Metaversum erwarten Experten aufgrund der gigantischen Rechenleistung erst in 10 bis 20 Jahren. 

Empfehlung der Redaktion

2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

The Metaverse and the Real-World Universe

Metaverse is undoubtedly a hot word in industry and academia since 2021, and has become a hot new concept in the global technology field recently. At the beginning of 2021, the pre-IPO campaign of the game company Roblox and Epic Games’ investment of $1 billion to create a “metaverse” made the concept of “metaverse” popular. Especially after the Facebook company in the United States changed its name to Meta [1], the Metaverse was instantly popular all over the world.

3-D-Erweiterung der realen Welt: from scrolling to (st)rolling 

Der Begriff "Metaverse" wurde erstmals 1992 in dem dystopischen Cyberpunk-Roman Snow Crash von Neal Stephenson verwendet, wie Springer-Autorin Kae Novak im Artikel Introducing the Metaverse, Again! (Seite 737) aus der Zeitschrift TechTrends 5-2022 erklärt. Doch was ist das Metaverse genau? "Unter dem Metaverse versteht man – einfach gesagt – eine virtuelle, dreidimensionale Erweiterung der realen Welt, in der man als digitaler Zwilling oder Avatar lebt und künftig eventuell auch arbeitet und alltägliche Aktivitäten unternimmt, z.B. eine Universität oder ein Konzert besucht", erklärt der Digitalverband Bitkom. Im Mittelpunkt steht die Interoperabilität von Anwendungen. Bereits ein gutes Viertel der Deutschen hat bereits vom Begriff Metaverse gehört, wie eine Bitkom-Umfrage ergeben hat. 

Das Metaverse ist mit der realen Welt verknüpft: So können im Metaverse mit realem Geld virtuelle Güter gekauft werden. Hinter Avataren verbergen sich reale Personen, hinter virtuellen Maschinen reale Anlagenparks im Sinne eines digitalen Zwillings. Nutzer scrollen nicht einfach mehr wie gewohnt durch Unternehmenswebsites, sondern nehmen als virtuelle User an digitalen Welten teil. Dabei sind die Zugänge ins Metaverse vielfältig: je nach Plattform via PC, per Smartphone oder mit Virtual-Reality-Brillen, künftig auch verstärkt per erweiterter Realität (Augmented Reality). Das Metaverse baut dabei laut Bitkom auf Technologien auf, die etabliert sind, aber noch weiterentwickelt werden wie zum Beispiel Augmented (AR) und Virtual Reality (VR), Blockchain oder künstliche Intelligenz. Tech-Giganten wie etwa Facebook und Microsoft haben angekündigt, dass sie ihre Plattformen in Richtung Metaverse umgestalten wollen, erklären die Springer-Autoren Ariana Polyviou und Ilias O. Pappas im Kapitel Metaverses and Business Transformation (Seite 315) des Buchs Co-creating for Context in the Transfer and Diffusion of IT.

Vertriebswege neu denken

Für Unternehmen bietet das Metaverse bereits heute endlose Fläche und zahlreiche Möglichkeiten, Produkte und Services virtuell erlebbar zu machen. Der Vorteil: Wer Produkte oder Dienstleistungen über moderne, virtuelle Wege anbietet, kann für sich neue Absatzwege erschließen und sich von der Masse abheben. "Der Erstkontakt mit einem neuen Produkt ist entscheidend, um einen bleibenden Eindruck als Brand bei Konsument:innen zu hinterlassen. Unternehmen punkten, wenn sie ihre Kund:innen auf eine aufregende Customer Journey mitnehmen und mit alternativen Designs und durch kluges Storytelling auftrumpfen", erklärt Simon Graff, CEO der Beratungsagentur For Real?!. Das Metaverse biete alles, um schnöde Vertriebswege zu revolutionieren und neu zu denken. Über interaktive, virtuelle Funktionen oder Chats könnten sich Anwender digital zu Produktneuheiten austauschen, was neue Darstellungsformen für Unternehmensprodukte und -dienstleistungen erschließe.

Wie eine Umfrage des Joint Innovation Hub am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) zeigt, hat das Metaverse das Potenzial, große Auswirkungen auf Arbeit, Mobilität und Wohnen zu haben. "Während der Übergang in digitalen Branchen wie der Videospiel-Industrie vergleichsweise geringe Veränderungen im Geschäftsmodell mit sich bringen dürfte, werden andere Bereiche wie Shopping, Essenslieferung und Dating größeres Potential für neue Vertriebswege und Absatzkanäle mit sich bringen", heißt es. Produkte wie beispielsweise Autos könnten virtuell getestet werden, selbst wenn Menschen noch nicht das Mindestalter zum Führen eines Pkw erreicht haben.

Automarken im Metaverse: von Holoride über Joytopia bis Skodaverse

Die deutschen Automobilhersteller Audi und BMW nutzen bereits die Metaverse-Technologie. So bietet Audi via Holoride, einer Plattform für integriertes, adaptives In-Car Entertainment, virtuellen Fahrspaß an. Und BMW kreiert mit Joytopia gleich eine ganze Welt. Regelmäßig tauchen dort aktuell zu bewerbende Produkte auf und werden virtuellen Besuchern präsentiert. Joytopia war zum Beispiel der virtuelle Schauplatz für die Weltpremiere des BMW iX1. Auch Mercedes-Benz wagt sich Richtung Metaverse vor. Die Stuttgarter sind im Frühjahr 2022 dem Aura Blockchain Consortium, zu dem weitere Luxuskonzerne wie Prada und Cartier gehören, beigetreten. Es handelt sich um eine gemeinnützige, private Blockchain, auf der digitale Zwillinge der Markenprodukte realisiert werden können, um die Authentizität der Produkte zu zertifizieren. Das Aura Blockchain Consortium verfolgt eine langfristige Strategie in Richtung Metaverse. 

Um insbesondere für eine jüngere Käuferschicht attraktiv zu sein, ist auch Skoda ins Metaverse eingestiegen: Das sogenannte Skodaverse ist eine virtuelle 3-D-Erlebniswelt, die auf der Nemesis-Plattform basiert. Im Ausstellungsraum erwartet die Besucher zum Beispiel das neue Enyaq Coupé RS iV für virtuelle Probefahrten. Künftig soll sich das Skodaverse auch für Live-Events wie Pressetage oder Produktpräsentationen nutzen lassen. Und im Fiat-Metaverse-Store können die Kunden zukünftig wie in einem realen Showroom die Fahrzeugmodelle der Marke konfigurieren und kaufen. Sie treffen online auf reale Fiat-Experten, die Fragen zu den Fahrzeugmodellen der Marke live beantworten.

Virtuelle Probefahrten auf der "Nissan Sakura Driving Island"

Ihr eigenes "Miniverse" hat auch die britische Automarke Mini ins Leben gerufen. Auf der Gamescom 2022 durften Nutzer auf einer virtuellen Plattform mit dem neuesten Mini-Modell, dem rein für virtuelle Anwendungszwecke gedachten Concept Aceman, interagieren. Die zusätzliche Integration diverser Mini-Games in die virtuelle Mini-Produktwelt hat zudem den Gamification-Aspekt dieser Veranstaltung betont. "Das Metaverse wird hierbei zum eigentlichen Vehikel, welches Produkt und Narrativ des Unternehmens zu den Konsument:innen transportiert. Die positive Kommunikation gelingt und eröffnet neue Wege, an eine sonst eher verschlossene Zielgruppe heranzutreten, deren vorrangiger Wunsch oft nicht der Fahrzeugbesitz ist", sagt Graff. Automarken wie Mini, BMW und Audi würden damit vormachen, so Graff, wie sich derartige Brand-Marketing-Strategien positiv auf potenzielle künftige Zielgruppen auswirken. 

Auch der japanische Automobilhersteller Nissan hat eine Virtual-Reality-Präsentation veranstaltet, und zwar des neuen elektrischen Kleinwagens Nissan Sakura im Mai 2022. Interessierte konnten den Sakura auf der "Nissan Sakura Driving Island" im Metaverse Probe fahren. Vergangenes Jahr eröffnete Nissan das VR Nissan Crossing, eine Metaverse-Version seiner Markenerlebnisgalerie in Tokio, in der Besucher virtuelle Touren durch die Galerie und durch Teile Japans mit dem vollelektrischen Crossover-SUV Ariya unternehmen konnten. 

VR ermöglicht weltweit vernetzte, virtuelle Fertigungsplanung

Der Durchbruch von AR und VR vor allem in der Produktion und der verstärkte Einsatz von digitalen Zwillingen lässt die Autoindustrie immer näher ans Metaverse heranrücken. Digitale Zwillinge können hier virtuelle Ebenbilder von Produkten, Maschinen oder Prozessen sein. Auch Produktionsanlagen existieren heute längst nicht mehr nur in der physischen Welt. So generieren zum Beispiel BMW und Nvidia gemeinsam mit der Omniverse-Plattform einen neuen Ansatz für die Planung komplexer Fertigungssysteme. Das Tool zur virtuellen Fabrikplanung integriert verschiedene Planungsdaten und -anwendungen und ermöglicht eine Zusammenarbeit in Echtzeit ohne Kompatibilitätsgrenzen.

Auch Audi setzt auf eine virtuelle Montageplanung, die auch eine neuartige, flexible und standortübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht. Die Gestaltung und Optimierung der Montageabläufe und bestimmter Logistikaspekte erfolgt in sogenannten 3P-Prozessworkshops durch interdisziplinäre Teams. So nutzt Audi mithilfe des digitalen Zwillings und einer eigens entwickelten VR-Lösung die Vorteile der Digitalisierung und Visualisierung.

Ein weiteres Beispiel: Während der Corona-Krise arbeiteten Ford-Designer gemeinsam an neuen Fahrzeugen in einem virtuellen Designstudio. Mit VR-Headsets erstellten sie computergestützte Fahrzeugentwürfe in einer vollständig digitalen Umgebung, da das Arbeiten mit realen Werkstücken, beispielsweise mit Clay-Modellen, nicht möglich war.

Automotive-Metaverse-Markt wächst

Für Automobilhersteller stellt sich die Frage, welche Rolle sie im Metaverse allgemein künftig spielen möchten. "Unternehmer:innen, die diese Entwicklung erkennen, sollten das Metaverse als Chance begreifen, eigene, ganzheitliche Lösungen zu entwickeln, die zu den analogen Brand Angeboten nun auch virtuelle Lösungen bereitstellen", meint Simon Graff. Eigens geschaffene Metaversen erlauben neuartige Entertainment-Angebote und Customer Journeys sowie ein kluges Community-Building durch Marken. 

Und es kann sich lohnen. Es ist absehbar, dass für das Web 3.0 riesige Summen investiert werden. Laut Prognosen des Finanzdienstes Bloomberg Intelligence soll der Markt im Jahr 2024 ein Volumen von rund 800 Milliarden US-Dollar erreichen können. Bevor das Metaverse jedoch allgegenwärtig wird, muss es eine Reihe von Hürden überwinden. Dazu gehören laut Morgan Stanley die Stärke bestehender digitaler Plattformen bis hin zu Fragen der Rechenleistung und des Datenschutzes. Auch Rechtsfragen, etwa in Bezug auf virtuell geschaffene Gegenstände, müssen geklärt werden. 

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren

27.09.2022 | Simulation + Berechnung | Kompakt erklärt | Online-Artikel

Was bringt ein digitaler Zwilling?

25.02.2022 | Vertriebskanäle | Schwerpunkt | Online-Artikel

Welche Chancen im Metaversum stecken

    Premium Partner