Wie entwickelt sich der Markt China für die einheimischen, aber auch für die westlichen Autobauer? Eine Studie hat analysiert, welche Trends und Kräfte den größten Automobilmarkt der Welt 2025 prägen werden.
Geely-Automobilfabrik in Linhai City, Provinz Zhejiang, China: Geely ist einer der größten chinesischen Autohersteller und dominiert neben BYD das NEV-Segment.
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Die chinesische Automobilindustrie soll auch 2025 von einem harten Innovationswettkampf und aggressiven Preissenkungen geprägt sein. Das geht aus einer Analyse des Beratungsunternehmens Berylls by AlixPartners hervor. "Angeführt von Marken wie BYD, XPeng und Geely haben chinesische Automobilhersteller die Technologieführerschaft neu definiert. Sie liefern sich einen anhaltend intensiven Preiskampf und haben die Dominanz der internationalen OEMs und Zulieferer längst gebrochen", sagt Dr. Jan Burgard, CEO der Berylls Group.
BYD und Geely dominieren das NEV-Segment
Klar ist damit: Die Marktdynamik verschiebt sich zu Ungunsten westlicher OEMs und Zulieferer. Denn chinesische Unternehmen dominieren der Studie zufolge das Segment der Elektromobilität, die New Energy Vehicles (NEV). So waren im vergangenen Jahr rund 50 % der in China verkauften Pkw NEVs. "Die heimischen Marken statten ihre Modelle mit Eigenschaften aus, die sehr genau auf die lokalen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Dies stellt die internationalen OEMs vor die Frage, wie sie sich anpassen müssen, um auf Augenhöhe konkurrieren zu können und auf dem größten Automobilmarkt der Welt relevant zu bleiben", heißt es von den Berylls-Analysten.
Tatsächlich sei die Gefahr der Bedeutungslosigkeit für westliche OEMs real, wie die sinkenden Zulassungszahlen bis 2024 in einem wachsenden Markt zeigen würden, so die Studie. Die einheimischen NEV-Hersteller, allen voran BYD und Geely, hätten dagegen einen Anstieg der Auftragseingänge im Jahr 2024 verzeichnet. Dazu kommt: Sie würden in ihren Heimatmärkten bereits eine neue Generation intelligenter und vernetzter Fahrzeuge (Intelligent and Connected Vehicles, ICV) entwickeln, bauen und verkaufen.
Technik-Features in chinesischen Autos steigen
Derzeit seien laut Studie Premiumfahrzeuge in China so günstig wie nie zuvor: Modelle von Marken wie ZEEKR, Denza, IM und DeepAI würden umgerechnet nur 30.000 bis 35.000 Euro kosten. "In China sinken zwar die Preise, aber chinesische Autos sind immer noch vollgestopft mit Technik und digitalen Features. Die Zahl der Funktionen nimmt sogar noch zu. Denn der technische Overkill ist neben dem Preis das wichtigste Instrument, um sich von anderen Marken abzuheben", wie Willy Wang, Associate Partner bei Berylls by AlixPartners, erklärt. In der Wahrnehmung der chinesischen Kunden hätten die westlichen OEMs diesem Trend wenig entgegenzusetzen. Bislang seien es die europäischen Hersteller gewohnt gewesen, dass sinkende Fahrzeugpreise mit einer Reduzierung des Ausstattungsumfangs, dem sogenannten Decontenting, einhergingen. Ein Mittel, um die Margen auf einem erträglichen Niveau zu halten.
Allerdings sei der Führungsanspruch bei elektrischen Antrieben und intelligenten Fahrzeugfunktionen bei Assistenz- und Infotainmentsystemen nur ein Etappenziel der chinesischen Hersteller. Sie würden ihre Entwicklungskapazitäten zunehmend den klassischen Fahrzeugeigenschaften widmen. Fahrdynamik, Handling, Bremsverhalten und Fahrkomfort, bisher Domänen westlicher OEMs, würden laut Studie rasant an Bedeutung gewinnen und auch von den chinesischen Kunden sehr geschätzt werden.
Bedürfnisse der Passagiere statt Fahrerlebnis
Dazu kommt: Die chinesischen Hersteller legen ihren Fokus auf die Passagiere und bieten ihnen so viel Unterhaltung und Komfort wie möglich. Im Gegensatz dazu würden sich die typischen Kundenangebote internationaler OEMs auf das Fahrerlebnis konzentrieren. So liege der Schlüssel zur Dominanz chinesischer Hersteller auf dem heimischen NEV-Markt "in einer Erfolgsformel, die eine Fülle von Technik- und Komfortmerkmalen mit einem aggressiv niedrigen Preis verbindet", heißt es von Berylls.
Zur dieser Formel gehören auch die schlanken Strukturen und schnellen Entwicklungsprozesse der chinesischen OEM. Sie ermöglichen eine schnelle Anpassung an veränderte Kundenwünsche. Für chinesische Kunden seien Assistenzsysteme und automatisierten Fahrfunktionen mittlerweile auch in preisgünstigen Modellen ein Muss. Dr. Jan Burgard: "Wir gehen davon aus, dass die chinesischen OEMs ihre Erfolgsformel für NEVs weiterverfolgen und noch mehr Funktionen in die Fahrzeuge integrieren werden. So wird sich das typische chinesische NEV schnell zu einem technologiegeladenen People-Mover entwickeln, der Komfort und Fahrspaß bietet und bei den chinesischen Verbrauchern gut ankommt."
Ansatz "in-China-für-China" verfolgen
Wie kann die internationale Konkurrenz dagegenhalten? Vor allem die deutschen Premiumhersteller müssten ihr Denken, Handeln und ihre Produkte an der Maxime "in-China-für-China" ausrichten, so die Studie. Willy Wang: "Es reicht aber nicht aus, mit den chinesischen OEMs gleichzuziehen und den Kunden ein ähnliches Fahrerlebnis zu bieten". Damit ausländische Hersteller in China ihre Preisaufschläge rechtfertigen und mehr Käufer gewinnen könnten, müssten sie ihre lokalen Konkurrenten mit zusätzlichen Features ausstechen. Allerdings birgt das auch Gefahren, wie Andreas Burkert im Artikel Verloren im Kosmos des digitalen Cockpits ausführt.
Zudem liege ein Schlüssel zum Erfolg auch in einer hohen Flexibilität und der Fähigkeit, das Produktportfolio und die Produktmerkmale schneller als die lokale Konkurrenz anzupassen.