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22.07.2024 | Automobilwirtschaft | Im Fokus | Online-Artikel

Autoindustrie plant erheblichen Stellenabbau

verfasst von: dpa, Christiane Köllner

4 Min. Lesedauer

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In fast allen Weltregionen soll in der Autobranche in den kommenden fünf Jahren Personal aufgebaut werden. Nur nicht in Deutschland und Westeuropa. Der Umstieg auf E-Autos droht zur Job-Bremse zu werden. 

In der deutschen Automobilindustrie stehen laut einer Umfrage zahlreiche Arbeitsplätze auf der Kippe. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen der Branche plant in Deutschland einen Stellenabbau, wie aus einer Umfrage der Unternehmensberatung Horváth unter Führungskräften der Branche hervorgeht. Grund seien vor allem der hohe Kostendruck und neue Konkurrenz vor allem aus China.

So gaben 59 % der befragten Unternehmen an, in Deutschland in den kommenden fünf Jahren mit einer Reduzierung der Mitarbeiterzahl zu rechnen, 14 % sogar mit einer starken Reduzierung. Von einem Personalaufbau gingen dagegen nur 15 % aus. Kaum besser sah es im übrigen Westeuropa aus, wo 53 % der Befragten einen Stellenabbau planten. Zwar investierten die Firmen auch in Deutschland und Westeuropa weiter kräftig. Neue Jobs entstünden aber woanders.

Jobs wandern ins Ausland

"Produziert wird zunehmend in den Regionen, wo die Autos am Ende verkauft werden", sagt Frank Göller, Partner und Automotive-Experte bei Horváth, der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist nicht neu, hat sich aber noch verstärkt." Daran hätten auch die schlechten Erfahrungen der vergangenen Jahre mit Lieferengpässen vor allem bei Halbleitern nichts geändert. "Dieser Prozess beschleunigt sich weiter. Mit der Folge, dass sich Arbeitsplätze verlagern."

Im Ergebnis werde fast überall auf der Welt Personal aufgebaut – nur nicht in Deutschland und Westeuropa. 75 % der befragten Unternehmen wollen demnach in Indien Kapazitäten aufbauen, 60 % in China und ebenso viele in Osteuropa. Auch im übrigen Asien stünden die Zeichen auf Wachstum, ebenso wie in Nord- und Südamerika. "Neue Werke entstehen in Deutschland eher selten", stellt Göller fest. "Wenn neue Werke entstehen, dann in der Regel außerhalb Deutschlands. Und dort findet dann auch der Beschäftigungsaufbau statt."

Überkapazitäten erhöhen Kostendruck

Dennoch fließe weiter ein Großteil der Investitionen nach Deutschland. "Schaut man sich jetzt nur die Unternehmen mit Zentrale in Deutschland an, zeigt sich zumindest: Ein Viertel der Gesamtinvestitionen der allesamt global agierenden Unternehmen fließt nach wie vor hierher", sagt Göller. Das sei deutlich mehr als in jeder anderen Weltregion. 

Doch das Geld gehe von allem in neue Produkte und Technologien und die Umrüstung bestehender Standorte auf Elektro-Antriebe. "In der Produktion wird in hohem Maß in die Automatisierung der Fertigungsanlagen und Digitalisierung investiert." Entsprechend schlecht falle die Beschäftigungsbilanz aus. "Wir sehen jetzt nicht, dass Deutschland zum reinen Entwicklungsstandort reduziert wird", betont Göller. "Viele Unternehmen, gerade auch die großen Konzerne, bekennen sich nach wie vor zum Standort Deutschland und auch zu den Werken hier." Allerdings seien viele der Fabriken in Deutschland und Europa schon heute bei weitem nicht voll ausgelastet. Entsprechend groß sei der Kostendruck, auf den viele Hersteller mit Sparprogrammen und Stellenabbau reagierten. So wollen zahlreiche Hersteller wie Tesla, Ford und Stellantis, vor allem aber auch Zulieferer wie Continental, Bosch, Hella und Webasto Personal abbauen.

OEM bei E-Mobilität und Software unter Zugzwang

Gleichzeitig steigt der Transformationsdruck. So hat sich die Nachfrage nach E-Autos weltweit und in Europa erhöht, auch wenn in Deutschland die Nachfrage aktuell schwächelt. "Die Übergangsphase von traditionellen Antrieben auf E-Fahrzeuge wird aber deutlich länger dauern als noch vor wenigen Jahren gedacht. Entsprechend investieren die Hersteller auch weiterhin in Verbrennerfahrzeuge, um diese wettbewerbsfähig zu halten und die Marktpotenziale weiter auszuschöpfen zu können“, sagt Göller. Dies könne dem Experten zufolge eine riskante Gradwanderung bei der Verteilung der Investitionen sein. Zumal der Anschluss an die chinesische E-Auto-Konkurrenz nicht verloren gehen soll – und die gerade auch im Bereich der Software und digitalen Fahrzeugapplikationen den Wettbewerbsdruck erhöhen.

Richtig ist: "Für die Produktion von Elektrofahrzeugen werden weniger Arbeitskräfte benötigt, und Service- sowie Reparaturleistungen sind bei E-Autos deutlich seltener", macht Prof. Achim Kampker im Kurzinterview, das im ATZelektronik-Artikel Jobkiller Elektromobilität? erschienen ist, deutlich. Dadurch wegfallende Arbeitsplätze ließen sich aber durch Jobs in der Energiebranche und im digitalen Bereich weitgehend ausgleichen, so Kampker, der Gründer und Inhaber des Lehrstuhls Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen ist. Neue Mobilitätsservices könnten zudem eine Chance für den Produktionsstandort Deutschland sein, wie Andreas Burkert im MTZ-Artikel Die Elektromobilität fordert ihren Tribut erklärt. Das vernetzte Automobil sei ein Teil davon.

Für die Untersuchung hatte die Unternehmensberatung Horváth im vergangenen Quartal 91 Führungskräfte der Branche in Einzelgesprächen befragt, davon 55 aus Deutschland. Mehr als die Hälfte der Befragten kam von Zulieferern, der Rest von Autoherstellern, großen Händlern und Mobilitätsanbietern. Die Auswahl sei zwar nicht repräsentativ, aufgrund der großen Zahl aber dennoch aussagekräftig, sagt Göller.

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