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18.03.2025 | Automobilwirtschaft | Im Fokus | Online-Artikel

Verlieren VW, Mercedes und BMW den Anschluss?

verfasst von: dpa, Christiane Köllner

6:30 Min. Lesedauer

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Nach Jahren extremer Erträge geht es für die Autohersteller gerade abwärts. Doch selbst nach den aktuellen Einbrüchen verdienen Konzerne wie BMW gut. Aber die Zukunft hält Herausforderungen bereit. 

BMW, Volkswagen und Mercedes-Benz haben zuletzt Gewinneinbrüche vermeldet.


Jetzt auch BMW: Der Münchner Autohersteller muss für das abgelaufene Geschäftsjahr 2024 einen Gewinneinbruch hinnehmen. Nach Steuern verdiente der Konzern 7,7 Milliarden Euro. Das klingt viel, ist aber 37 % weniger als im Jahr davor und schon der zweite starke Rückgang. Neben schwächelnden Verkäufen in China litten die Münchner auch unter Problemen mit vom Zulieferer Continental bezogenen Bremsen. 

Auch beim Umsatz musste BMW einen deutlichen Dämpfer hinnehmen. 142 Milliarden Euro sind ein Minus von 8,4 %. Schuld waren vor allem ein gesunkener Absatz und der intensive Preiswettbewerb in China. Immerhin, für das laufende Jahr erwartet BMW eine steigende Nachfrage. Trotz der "herausfordernden" Situation und den zuletzt von den USA verhängten Zollerhöhungen soll das Vorsteuerergebnis wieder in etwa auf dem Niveau von 2024 landen.

Mögliche weitere Zölle sind dabei noch nicht berücksichtigt, allerdings stellt man beim BMW auch die Möglichkeit in den Raum, dass einige der aktuell geltenden Zölle am Ende des Jahres schon wieder verschwunden sein könnten. Eine Prognose zum Gewinn nach Steuern gibt BMW nicht.

Gesamte Branche schwächelt

BMW steht mit seinem Gewinneinbruch nicht alleine da. Auch die beiden anderen großen deutschen Autokonzerne, Volkswagen und Mercedes-Benz, haben ähnliche Abstürze gemeldet. Bei VW war es um 31 % auf 12,4 Milliarden Euro nach unten gegangen, bei Mercedes-Benz um 28 % auf 10,4 Milliarden Euro. Auch sie klagen unter anderem über das schwierige Umfeld in China.

Sind die deutschen Autobauer also tief in der Krise? Das kommt darauf an, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet: Geld oder Zukunft.

Noch wird gut verdient

Um die Frage nach der finanziellen Lage richtig einzuschätzen, lohnt es, den Blick zu weiten. Man dürfe die aktuellen Ergebnisse nicht nur mit den letzten paar Jahren vergleichen, sagt Branchenexperte Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover lehrt. 

"Wir sehen im Moment eine Normalisierung nach einer Sondersituation mit bisher nicht gekannten Profiten. Nach dem ersten Corona-Einbruch 2020 gab es in den folgenden Jahren – insbesondere durch den Chip- beziehungsweise Fahrzeugmangel – kaum Rabatte und eine Verschiebung hin zu teureren Modellen", erklärt er. Das habe den Herstellern exorbitant hohe Margen eingebracht, die normalerweise so nicht zu erreichen seien.

Das lässt sich auch an den BMW-Zahlen nachvollziehen: Der bisherige Rekordgewinn von 18,6 Milliarden Euro datiert aus dem Jahr 2022. 2021 und 2023 waren es jeweils mehr als 12 Milliarden. Verglichen damit sieht das aktuelle Ergebnis mickrig aus. Doch bevor diese drei besonderen Jahre den Maßstab veränderten, lag der alte Rekordgewinn aus dem Jahr 2017 bei 8,7 Milliarden. Selbst wenn man die Inflation berücksichtigt, sieht das aktuelle Ergebnis von 7,7 Milliarden im Vergleich nicht mehr ganz so schlecht aus. 

So sieht das auch Schwope, der sich damit aber auf alle drei großen Konzerne bezieht: "Die aktuellen Zahlen sind nicht schlecht. Sie sehen nur im Vergleich mit den Sonderjahren schlecht aus", sagt er. Von Krise will er deswegen nicht sprechen. "Natürlich kommt es immer darauf an, wie man Krise definiert, aber ich denke da eher an Zeiten, in denen beispielsweise VW in die roten Zahlen gerutscht ist." Die aktuellen Zahlen jedenfalls seien kein Grund, zu jammern.

Branche hat Sorgen vor der Zukunft

Das ist aber kein Grund zur Entwarnung: Denn die Zeiten seien herausfordernd und die Hersteller hätten berechtigte "Sorge vor einer drohenden Krise und tun gut daran, die Strukturen frühzeitig wetterfest anzupassen", sagt Schwope.

VW ist bereits dabei: Unter anderem soll bei der Kernmarke VW Pkw bis 2030 in Deutschland fast jeder vierte Job wegfallen. Auch Mercedes will die Kosten in den kommenden Jahren um mehrere Milliarden Euro drücken und hat ein Abfindungsprogramm angekündigt. Und die Liste lässt sich fortsetzen: Bei Porsche stehen 1.900 Jobs auf der Streichliste bei Ford in Deutschland 2.900. Bei den Zulieferern wird ebenfalls gestrichen oder abgebaut: Bosch, Schaeffler, ZF, Continental, ThyssenKrupp – um nur einige Namen zu nennen. Immerhin: BMW kann sich dem ein Stück weit entziehen. Sowohl weltweit als auch in Deutschland soll die Größe der Belegschaft 2025 gleich bleiben, nachdem sie vergangenes Jahr sogar um 4.000 gestiegen war.

Autozulieferer verschieben Investitionen

Diese Sorgen drücken sich auch in der Stimmung in der Branche aus. Und die ist schlecht – insbesondere wenn man auch die Zulieferer mit in den Blick nimmt. Der vom Münchner Ifo-Institut erhobene Geschäftsklimaindex für die Autoindustrie liegt derzeit knapp 35 Punkten tief im Minus. 

Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen halten sich die deutschen Autozulieferer mit Investitionen zunehmend zurück. Rund 75 % der Unternehmen planen einer Umfrage des Verbands der Automobilindustrie (VDA) zufolge, Investitionen hierzulande zu verschieben, zu verlagern oder ganz zu streichen. Das waren sechs Prozentpunkte mehr als bei einer Umfrage im Oktober des vergangenen Jahres. Als zentrale Belastung gaben knapp 60 % der Unternehmen hohe Arbeitskosten an. Viele seien nach wie vor von hohen Energiepreisen betroffen. Zudem spiele die niedrige Absatzerwartung für den deutschen und europäischen Automarkt eine Rolle. Sorge bereitet der Industrie auch die US-Zollpolitik unter US-Präsident Donald Trump.

Verwerfungen stehen an

Kalt ist: Die Automobilindustrie befindet sich inmitten einer vielschichtigen Disruption. "Für die deutsche Automobilindustrie ist es daher zwingend erforderlich, die Geschwindigkeit der Transformation zu erhöhen, umfassende Systemlösungen und -architekturen anzubieten und sich konsequent an den neuen technologischen Megatrends auszurichten", sagen die Springer-Autoren Reinhard Wagner und Jens Erasmus im Buchkapitel Disruption in der Automobilindustrie.

Auch die Unternehmensberatung AlixPartners sieht die globale Autoindustrie besonders von Disruption betroffen. Die größten Probleme seien gestörte Lieferketten, steigende Materialkosten und wachsende Unsicherheiten in internationalen Handelsbeziehungen. Letztere werden nicht zuletzt von den Zollplänen des US-Präsidenten bedroht. 

Dazu kommen die relativ hohen Kosten für Personal und Energie im Heimatland. Und dann ist da noch China: Einerseits ist der weltgrößte Markt, der lange für rasantes Wachstum und hohe Gewinne gesorgt hatte, deutlich schwieriger geworden. Andererseits wird die Konkurrenz von dort immer stärker – gerade im immer wichtiger werdenden Bereich der Elektromobilität.

Problemfeld Elektromobilität

Letztere ist ebenfalls ein Problemfeld für sich. Noch machen die reinen Elektrofahrzeuge nur relativ kleine Anteile an den Verkäufen der Konzerne aus und das parallele Arbeiten mit Verbrennern, Hybriden und reinen E-Autos macht vieles komplizierter. Und bei den meisten Herstellern kommt der Absatz der Elektroautos nicht recht voran. BMW steht hier zwar sehr viel besser da, als die anderen deutschen Hersteller und konnte seinen Absatz vergangenes Jahr deutlich steigern. Doch auch verkaufte 427.000 E-Fahrzeuge sind noch nicht einmal ein Fünftel der eigenen Gesamtproduktion.

Dennoch – und obwohl der Konzern den Wert von Technologieoffenheit betont – bezeichnet BMW die Elektrofahrzeuge als wichtigsten Wachstumstreiber. Zusätzlichen Schub soll hier die "Neue Klasse" bringen, mit der BMW einen breiten Generationswechsel einleitet. Deren erstes Serienfahrzeug soll Ende 2025 in Produktion gehen. Auch dafür hat BMW vergangenes Jahr viel Geld in die Hand genommen. Für Forschung und Entwicklung gab der Konzern insgesamt 18 Milliarden Euro aus. Diese Ausgaben sollen in den kommenden Jahren aber wieder sinken.

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