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17.04.2018 | Bank-IT | Schwerpunkt | Online-Artikel

Digitale Vermögensverwalter strategisch einsetzen

verfasst von: Uwe Krakau

5:30 Min. Lesedauer

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Die digitale Transformation führt in nahezu allen Branchen zu gravierenden Veränderungen. Diese lassen im Finanzdienstleistungssektor neuartige Modelle der digitalen Vermögensberatung entstehen. Angesichts dieser Entwicklung ist es für Vermögensverwalter und Privatbanken unerlässlich, die strategische Perspektive im Blick zu behalten. Ein Gastbeitrag von Uwe Krakau.

Neben den traditionellen Finanzanlegern steht die Finanzbranche einer wachsenden Zahl an jungen, technikaffinen Kunden, aber auch hochvernetzten, global agierenden Unternehmern gegenüber. Diese unterschiedlichen Klienten haben ein breiteres Spektrum an Wünschen und Vorlieben sowie unterschiedliche Erwartungen an Service, Beratung und an das Nutzererlebnis im Netz. Vermögensverwalter müssen daher neben einem qualitativ herausragenden Service digitale Lösungen bieten, die die gesamte Bandbreite an traditionellen wie neuen Kunden bedienen und sich zugleich vom Massenmarkt positiv abheben.

Wie eine Untersuchung zeigt, die das Fintech-Unternehmen Avaloq und die Unternehmensberatung Deloitte gemeinsam durchgeführt haben, erbringt das eilige Implementieren einer neuen Technologie aber nicht immer die gewünschten Resultate. Daher sollten innovative Technologien wie Robo-Advisors, also digitale Vermögensverwalter, immer auf Basis einer durchdachten, klaren Digitalisierungsstrategie eingesetzt werden. Denn die Digitalisierung hat nur dann Erfolg,  wenn sie den tatsächlichen Bedarf der Kunden und einzelner Anlegergruppen trifft und zugleich die nötigen Veränderungen in der Unternehmenskultur berücksichtigt.

Unter den Avaloq-Kunden steigt die Zahl der Projekte, die statt der reinen Modernisierung der Online-Präsenz einer umfassenden Digitalisierung des Kundenerlebnisses in der Vermögensverwaltung dienen. Heute haben bereits mehr als ein Drittel der Klienten mit entsprechenden Avaloq-Softwarelösungen gearbeitet.

Manche wollen mehr als modernisieren

Allerdings gehen die Zielsetzungen der Kunden dabei signifikant auseinander. Manche Banken folgen einer eher defensiven Strategie. Hier dienen neue technische Lösungen vor allem dazu, regulatorischen Anforderungen, etwa im Compliance-Bereich, zu entsprechen sowie das Risk Management oder die Betrugsprävention zu unterstützen. Eine nutzerfreundlichere Website zielt bei ihnen vor allem darauf ab, moderner zu erscheinen. Eine steigende Zahl von Instituten mit einer offensiveren Haltung setzt digitale Lösungen dagegen bewusst dazu ein, neue Marketingziele zu erreichen und Umsatzwachstum zu generieren.

Oft lassen sich neue Technologien für beide Strategien nutzen. So lässt sich etwa die digitale Textgenerierung (Natural Language Generation, NLG) einsetzen, um die Texterstellung bei Antigeldwäsche-Aktivitäten zu unterstützen, wenn so genannte Suspicious Activity Reports erforderlich sind. NLG hat aber auch offensiven Nutzen, beispielsweise wenn aus Gesprächen mit dem Kunden entsprechende Investment-Reports generiert werden müssen.

Von den unterschiedlichen Digitalisierungsprojekten eröffnen längst nicht alle die Möglichkeit, mit ihnen auch Umsätze und Margen zu erhöhen. Im Idealfall wird die neue Technologie jedoch beides leisten: bestimmten defensiven Anforderungen genügen und zugleich offensive Chancen eröffnen.

Robo-Advisory zählt zu den großen Trends

Von den vielfältigen Technologietrends, die die Vermögensberatung beeinflussen, entfalten aktuell drei besonders große Wirkung: 

  1. Robo-Advisors
  2. Investitionen in Fintechs 
  3. die Open-Banking-Bewegung. 

Während die letzteren vor allem politisch getrieben sind, ist die Robo-Advisory ein Techniktrend. Diese digitale Form der Vermögensverwaltung ist ein automatisierter Beratungsprozess, der Investmententscheidungen auf Basis mathematischer Algorithmen vorschlägt, ganz ohne menschliches Zutun. Dem Kunden wird die Beratungsleistung über mobile Endgeräte oder Online-Kanäle zur Verfügung gestellt. Diese Lösung investiert also die Assets eines Klienten auf Basis einer automatisierten Beratung.  

Welche Gestalt eine Robo-Advisory-Lösung letztlich annimmt, hängt von wenigstens vier Faktoren ab: 

  1. Zielgruppe
  2. Investment-Philosophie
  3. Service-Level
  4. Individualisierung.  

Ein Robo-Advisor ist naturgemäß verfügbarer als ein menschlicher Berater. Dennoch sind die meisten Implementierungen aktuell auf das gehobene Massensegment und damit auf die Geschäftsausweitung ausgerichtet. Dabei konzentrieren sich die meisten Robo-Advisory-Lösungen auf passive ETF-Fonds. So können sie bei hochdiversifizierten, aber kleinen Portfolios für Kosteneffizienz sorgen. Durch sehr hohe Volumina wird es möglich, vernünftige Margen zu erzielen. Einige digitale Berater unterbreiten ihre Investment-Entscheidungen als Vorschläge. Andere platzieren in Abhängigkeit von Zielen und Risikoprofil des Klienten die Orders gleich automatisch.

Beim Vergleich der Zahl der Investorprofile mit der Zahl der Risikoklassen, die eine Lösung abdeckt, gibt es jedoch große Unterschiede. Hier gilt: Je mehr verfügbare Risikoklassen, desto genauer lässt sich ein Investment auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zuschneiden. Derart leistungsfähige Robo-Advisors sind allerdings kostenintensiver und aufwendiger. Vor allem für vermögende Klienten kann Robo-Advisory eine willkommene Ergänzung zur herkömmlichen individuellen Beratung sein.

Drei Nutzungsmodelle, drei Zielgruppen

Derzeit zeichnen sich drei neue Modelle für die Vermögensberatung ab, alle mit einem mehr oder minder ausgeprägten Grad an Robo-Advisory-Unterstützung: eine persönliche Beratungsbeziehung, die durch digitale Technologie erweitert wird, ein hybrides Beratungsmodell sowie eine vollautomatische Beratung durch den Robo-Advisor. Die drei Beratungsmodelle unterscheiden sich durch die adressierten Zielgruppen. Das ist für die strategische Planung besonders bedeutsam.

Viele Vermögensberater und Privatbanken konzentrieren sich nach wie vor auf ein Modell, in dessen Zentrum der direkte Kontakt zum Klienten steht. Vor allem besonders vermögende Klienten schätzen den persönlichen Service. Treffen mit dem Bankberater bleiben die Regel, werden aber durch Robo-Advisory-Funktionalitäten flankiert und stärken so das Vertrauen des Kunden in die Beratung.

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Reine Robo-Advisory-Lösungen sind dagegen noch recht selten. Dennoch rücken sie langsam in den Fokus der Banken. Zielgruppe sind hier das Massen- und das gehobene Massensegment. Das Spektrum reicht dabei von Beratungsleistungen für den Retailmarkt bis zu ausgewählten Kernleistungen für vermögende Kunden, wie etwa ein grundlegendes Rebalancing. Sie helfen dabei, wenn Vermögensberater oder Banken ihr grundlegendes Investment Management auslagern möchten, um sich anschließend auf die spezifische Investmentberatung und die Klientenbeziehung zu konzentrieren.

Beim hybriden Modell gliedern Vermögensberater Service Level Agreements (SLA) in Gold-, Silber- und Bronze-Klassen mit entsprechend differierenden Gebühren. Diese Service Level legen den Grad von Monitoring und aktivem Management eines Portfolios fest – bei immer noch regelmäßigen persönlichen Treffen. Das Modell eröffnet die Möglichkeit, zusätzliche Services wie Steuerberichte online einzusehen und zu analysieren. Gleichzeitig werden auch interne Prozesse für die Berater selbst automatisiert.

Fazit: Robo-Advisory ist kein Allheilmittel

Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Wer einfach einen Robo-Advisor installiert, ohne die strategischen Implikationen zu durchdenken, hat den Misserfolg oft schon vorprogrammiert. In der digitalen Transformation gibt es zwar keine vorgezeichneten Wege mit festen Leitplanken und ein gewisses Maß an Trial-and-Error scheint unvermeidbar. Dennoch gilt es, im sensiblen Bereich besonders vermögender Anleger gewagtere Experimente zu vermeiden. Zielführend könnte da eine Politik der kleinen Schritte sein, mit einem agilen Ansatz, der sich verändernden Marktbedingungen oder einer spezifischen Klientenbeziehung nach und nach annähert und dem Bedarf gerecht wird. Das verlangt von Organisationen, sich schneller und flexibler anzupassen, einschließlich eines kollaborativen Arbeitsstils und einer Unternehmenskultur mit explorativen Elementen. Für eine digitale Transformation braucht es letztlich auch eine digitale Organisation, den Einklang von Technologie und Strategie.

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