Seit Februar 2024 ist es offiziell: Das Bankhaus M.M.Warburg & CO bekommt ein neues Kernbankensystem. Welche Herausforderungen dies für die Mitarbeiter und die gesamte Organisation mit sich bringt und wie das Institut die Aufgabe angeht, erläutert Vorstandsmitglied Markus Bolder im Interview.
Markus Bolder ist Mitglied des Vorstandes von M.M.Warburg & CO.
M.M.Warburg & CO (AG & Co.)
springerprofessional.de: Die Migration der kompletten Prozess- und IT-Infrastruktur gilt als Mammutaufgabe. Warum hat sich Ihr Haus dennoch für den Wechsel entschieden?
Markus Bolder: Bei der immer schneller voranschreitenden Digitalisierung ist es wichtig, Schritt zu halten. Die Erwartungen unserer Kundschaft an unser Leistungsangebot wachsen stetig. Aktuelle Studien zeigen, dass deutsche Banken insbesondere in Bezug auf Digitalisierung noch weit hinter globalen Wettbewerbern und auch Kundenerwartungen zurückliegen. Dabei sollte Digitalisierung heute kein besonderes Schlagwort mehr sein. Ich sehe darin eine Notwendigkeit und im besten Fall ein positives Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb. Somit stand für uns außer Frage, dass wir unser digitales Herzstück der Bank, das Kernbankensystem nicht nur robust, sondern auch sicher und zukunftsorientiert aufstellen müssen. Der Wechsel unseres Kernbanksystems ist einer der wesentlichen Bausteine der strategischen Neuausrichtung von M.M.Warburg & CO.
Wie haben Sie ihre aktuellen Prozesse und Organisationsstrukturen "fit" für das Projekt gemacht?
Einer der Schlüssel zu erfolgreicher Projektarbeit liegt in der sorgfältigen Vorbereitung sowie der präzisen Planung mit den richtigen Partnern. Wir haben unsere Prozesse und Strukturen im Vorfeld intensiv analysiert, Wechselwirkungen und Risiken bewertet und das neue Kernbankensystem bei allen technischen und regulatorischen Überlegungen bereits berücksichtigt. Wir wussten, dass sich die Arbeitsweise in einem großen Projekt vom Tagesgeschäft einer Privatbank deutlich unterscheidet und haben uns daher rechtzeitig auch kulturell modernisiert und ebenso schlagkräftig wie agil aufgestellt. Dieser Paradigmenwechsel geschah nicht ausschließlich vor dem Hintergrund der anstehenden Projektaufgaben, aber unsere Prozesse und Strukturen profitieren nun davon.
Wie sieht Ihre Projektplanung aus? Wann soll die Umstellung abgeschlossen sein?
Wir haben uns für die Umstellung auf ein am Markt etabliertes System mit einem erfahrenen externen IT-Dienstleister im Finanzbereich auf Basis von grundlegenden Entscheidungsfaktoren wie Umfang der Erneuerung, Zeitrahmen, personellen und finanziellen Ressourcen, laufenden Prozessen und langfristigen Betreuungsmöglichkeiten entschieden. Seit Ende 2023 arbeiten wir mit Atruvia zusammen und sind somit eine Partnerschaft mit einem Digitalisierungspartner eingegangen, mit dem bereits viele Banken erfolgreich zusammenarbeiten.
Welche Schritte haben Sie bereits unternommen?
Wir haben unser Projektteam seit Jahresbeginn erweitert und erfolgreich implementiert. Unser Zielbild ist klar definiert, Teilaufgaben und Meilensteine sind festgelegt. Jetzt arbeiten wir nach einer intensiven Initialisierungsphase konzentriert gemäß Projektplan. Teilaufgaben sind hier z.B. Datenübertragungen in zukünftige Systeme, regelmäßige Kontrolltests sowie natürlich auch der notwendige Wissenstransfer und -aufbau innerhalb unserer Bank. Bis zum tatsächlichen Wechsel des Kernbankensystems im Frühsommer 2026 liegt noch ein gutes Stück Wegstrecke vor uns. Für diesen anspruchsvollen Zeitplan haben wir die richtigen Mitarbeitenden und Partner an unserer Seite und blicken zuversichtlich nach vorne.
Ein solcher Systemwechsel bindet in der Regel enorme personelle Ressourcen. Wie stemmen Sie diese Aufgabe in der Praxis?
Ausgewählte Mitarbeitende sind tiefergehend ins Projektteam eingebunden und werden zusätzlich unterstützt durch externe Expertinnen und Experten auf dem Gebiet von IT-Systemwechseln, sowie Spezialistinnen und Spezialisten von Atruvia. Dadurch gewinnen wir systematisch Expertise in der neuen Systemlandschaft, und parallel in Prozessen innerhalb der Organisationsstruktur unserer Bank. Gleichzeitig entwickelt sich unsere Belegschaft Stück für Stück zu Expertinnen und Experten des neuen Kernbanksystems weiter, sodass wir mit Abschluss des Systemwechsels das Know-how über das zukünftige System auch intern tief verankert haben.
Gibt es hierdurch Änderungen beim Produkt- und Service-Angebot - wenn auch nur kurzfristig?
Stabilität und Verlässlichkeit sind wichtige Grundpfeiler einer vertrauensvollen und erfolgreichen Partnerschaft zwischen einer Privatbank und ihrer Kundschaft. Unsere Kerndienstleistungen und unser Produktangebot verändern sich durch den Wechsel des Kernbankensystems nicht. Besonders im Bereich des digitalen Service freuen wir uns zudem, unseren Kundinnen und Kunden künftig noch attraktivere und zeitgemäßere Lösungen anbieten zu können. Änderungen versuchen wir so zu gestalten, dass diese transparent und komfortabel für unsere Kundschaft sind.
Nicht immer laufen solche Transformationsprojekte reibungslos ab, wie das Beispiel Apo Bank zeigt. Wie gehen Sie mit dem Risiko möglicher technischer Probleme bei Kunden und Mitarbeitern um?
Wir haben trotz des anspruchsvollen Zeitplans hinreichende technische und prozessuale Kontrollschritte eingeplant, sodass wir optimistisch auf die anfallenden Aufgaben blicken. Unser Partner Atruvia verfügt über umfangreiche Erfahrungen in großen Migrationsprojekten. So schaffen wir, einen geräuscharmen und sauberen Systemwechsel.
Der Schlüssel für ein erfolgreiches Transformationsprojekt liegt neben technischer Exzellenz und Kompetenz auch immer in guter und klarer Kommunikation. Deswegen achten wir auf zeitnahe Informationen gegenüber unseren Kundinnen und Kunden sowie selbstverständlich auch unseren eigenen Mitarbeitenden.
Welche langfristigen Chancen erhoffen Sie sich vom neuen Kernbankensystem?
Wir bleiben zukunftsfähig. Der Wechsel zum neuen Kernbanksystem hat weitreichende Folgen sowohl mit Blick auf unsere Kundenbeziehungen, unsere operative Leistungsfähigkeit als auch die Positionierung am Markt. Auf dieser Basis können wir die Entwicklungen neuer Produkte zielgerichteter vorantreiben, zeitgleich auf neue Anforderungen des Marktumfeldes schneller reagieren und Kundenwünsche noch optimaler erfüllen.