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12.11.2019 | Bank-IT | Schwerpunkt | Online-Artikel

Banken verschlafen Automatisierung des Kreditgeschäfts

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4 Min. Lesedauer

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Die Finanzindustrie kämpft mit Negativzinsen, sinkenden Margen und branchenfremden Wettbewerbern. Sparen können die Institute etwa bei den Kreditvergabeprozessen. Doch das schaffen nicht alle Banken, so eine aktuelle Studie. 

Die Banken in Deutschland agieren bei der Automatisierung ihres Kreditgeschäft häufig phlegmatisch und sind nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Verfahren wie die digitale Antragsstrecke oder Robotic Process Automation werden in vielen Instituten kaum oder gar nicht eingesetzt. Das geht aus einer Studie hervor, für die die Beratungsgesellschaft PwC mehr als 40 der 150 größten Banken aus der DACH-Region befragt hat. Demnach erreichen die Geldhäuser im Retail-Segment im Schnitt nur einen Industrialisierungsgrad von 48 Prozent. Im Firmenkundenbereich sind es sogar nur 31 Prozent.

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Digitalisierung im Bankensektor – Notwendigkeit von neuen kundenzentrierten Geschäftsmodellen

Die Digitalisierung im Bankensektor ist nicht nur ein anhaltender Trend, sondern stellt auch den Großteil der Institute vor eine signifikante Herausforderung. Neben dem wachsenden Druck zur Erfüllung der Regulatorik, damit steigenden Kosten und rückläufigen Erträgen verschärfen die Anforderungen der Digitalisierung die schwierige Lage der Banken. 

80 Hebel bilden die Messlatte für die Industrialisierung der Finanzbranche

Die Teilnehmer wurden nach rund 80 Hebeln gefragt, anhand derer sich der Stand der Industrialisierung im Firmen- und Privatkundengeschäft quantifizieren lässt. Dazu zählen Tools wie die "Elektronische Kreditakte", aber auch neue Technologien wie die sogenannte XS2A-Schnittstelle für den automatisierten Zugriff auf Kundenkonten bei anderen Banken. Allerdings, so schränken die Studienautoren ein, passe nicht jeder Hebel zu jedem Geschäftsmodell oder sei ökonomisch von Vorteil. 

Aufgeteilt wurden die Hebel in insgesamt vier Kategorien: 

  1. Automatisierung, etwa durch Robotics oder künstliche Intelligenz
  2. Organisation, etwa durch Arbeitsteilung oder Spezialisierung
  3. Standardisierung, etwa durch sogenannte Prozessstraßen
  4. Steuerung und Controlling, etwa durch die Optimierung der Auslastung

Die Analyse ergab, dass sich die befragten Geldhäuser in den vergangenen zwei Jahren vor allem auf die Standardisierung im Retail- (84 Prozent) und Firmenkundengeschäft (71 Prozent) fokussiert haben. In den kommenden beiden Jahren steht dagegen das Thema Automatisierung im Fokus (96 Prozent Retail, 89 Prozent Firmenkunden), gefolgt von Steuerung und Controlling (80 Prozent Retail, 71 Prozent Firmenkunden).

Bei der Automatisierung herrschen Licht und Schatten

"Die Industrialisierung des Kreditgeschäfts ist heutzutage ein entscheidender Erfolgsfaktor für praktisch jede Bank. Das gilt umso mehr, als die Zinsen auf Jahre hinaus niedrig bleiben werden – die Margen also dauerhaft unter Druck stehen und die Kosten damit der entscheidende Faktor werden", sagt Tomas Rederer, Partner Digital Operations im Bereich Financial Services Consulting bei PwC. Auffällig seien die enormen Unterschiede zwischen den Banken, meint Rederer. "Im Privatkundengeschäft kam das beste untersuchte Institut auf einen Industrialisierungsgrad von hervorragenden 87 Prozent." Viele Konkurrenten erzielten hingegen nur Werte zwischen zehn und 30 Prozent. "Ob solche Institute dauerhaft am Markt bestehen können, muss ernsthaft befürchtet werden." 

"Die vielleicht wichtigste Erkenntnis unserer Studie ist, dass es im Kreditgeschäft nicht nur um Digitalisierung geht - sondern dass die Banken die Herausforderungen, die vor ihnen liegen, viel umfassender angehen müssen", betont Rederer. "Die industrielle Logik, wie wir sie zum Beispiel aus der Automobilindustrie kennen, erfasst momentan auch das Kreditgewerbe. Leider gibt es hierzulande zu viele Banken, die auf diese Entwicklung unzureichend eingestellt sind - und hoffen, sie könnten das Kreditgeschäft insbesondere im Firmenkundengeschäft immer noch betreiben wie eine Manufaktur." Dabei gebe es bei den Vorreitern unter den untersuchten Instituten nicht mehr viel Handarbeit. "Stattdessen schalten die ersten Banken voll-digitale Baufinanzierungen live, agile IT-Strukturen ersetzen die Legacy-IT und das Thema Auslagerung gewinnt wieder an Fahrt, auch in Richtung Fintechs." 

Implementierung neuer Technologien in Projektform

Warum sich die Branche scheinbar so schwer mit der Einführung und Umsetzung neuer Technologien und dem Umbau ihrer Prozesse tut, versuchen Mario Smeets, Ralph Erhard und Thomas Kaußler im Buchkapitel "Die Implementierung von RPA-Lösungen" (Seite 58) zu ergründen. Die Springer-Autoren schreiben: 

Die erstmalige Einführung einer neuen Technologie in einer Organisation erfordert regelmäßig größere Anstrengungen als beispielsweise die Ausweitung der Nutzung bereits etablierter Technologien. Es muss Fachwissen im Umgang mit der neuen Technologie aufgebaut werden, Fachbereiche und IT müssen eingebunden und Stakeholder überzeugt werden." 

Sie empfehlen daher die Implementierung in Projektform: 

  • Es stehen ausreichend Zeit, Budget und Ressourcen zur Verfügung. 
  • Eine hohe Aufmerksamkeit des Managements sowie idealerweise ein "Sponsoring" durch einen oder mehrere Entscheider sind gesichert.
  • Eine (langfristige) Entscheidung für eine bestimmte Form der Linieneinordnung ist zu Projektbeginn noch nicht erforderlich. Die Entscheidung für die langfristige Implementierung in der Linie kann im Projektverlauf getroffen werden. So liegen erste Erfahrungswerte und fundierte Einschätzungen der Beteiligten vor.

Nicht der maximale Industrialisierungsgrad ist entscheidend

Den maximalen Industrialisierungsgrad müssen Banken laut PwC-Experte Rederer mit ihren Bemühungen zwar nicht erreichen. Aber viele Institute hätten noch keine optimale Kombination der Hebel gefunden. "Schon bald wird der Abstand aber zu groß sein. Insbesondere, was die Erfahrung in der Industrialisierung ganzer Organisationen angeht." 

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