Vielen digitalen Trends muss sich die Finanzbranche stellen: Machine Learning, Big Data oder Automatisierung. Warum Banken heute handeln müssen, um im Rennen zu bleiben, erklärt Bundesbankvorstand Joachim Wuermeling.
Auf dem MiFID-Kongress der Börse Stuttgart stellte Joachim Wuermeling, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, klar, dass die digitale Transformation heute passiere und kein Zukunftsszenario sei. Sie ermögliche neue Geschäftsmodelle wie etwa ein plattformbasiertes Ökosystem im Finanzdienstleistungsbereich. Das öffne über APIs (Application Programming Interfaces) auch branchenfremden Unternehmen, darunter auch Großkonzernen, die Tür zur Branche.
"Die Überlegenheit von Computern gegenüber dem Menschen in puncto Schnelligkeit, Rechenleistung, Zuverlässigkeit bedeutet nicht automatisch, dass sie überall einsetzbar und überlegen sind", betonte Wuermeling und fügte hinzu:
Die Innovationslandschaft ist sehr bunt und man tut sich schwer damit auszumachen, welche ökonomischen Kräfte am Ende marktbestimmend sein werden. Prognosen werden durch den möglichen Einstieg von Bigtechs zusätzlich erschwert. Bisher scheinen deren Ambitionen hierzulande auf einzelne, nicht regulierte Dienstleistungen insbesondere im mobilen Zahlungsverkehr und als Cloud-Dienstleister begrenzt."
Digitale Währungen brauchen globale Regulierung
Als Beispiel für eine Bigtech-Strategie führte der Bundesbankvorstand Facebooks Libra-Pläne an: "Ein bloßes Whitepaper zum Geschäftsmodell hat ein enormes internationales Echo von Regulierern und Zentralbanken, aber auch von etablierten Branchenvertretern hervorgerufen." Allerdings scheinen sich Mark Zuckerbergs Digitalgeld-Träume nicht so leicht umsetzen zu lassen wie vermutet. So schied Anfang Oktober der Zahlungsdienstleister Paypal aus der Libra Association aus. Dem Unternehmen werden nun auch Konkurrent Stripe, die Kreditkartenunternehmen Mastercard und Visa sowie der Online-Marktplatz Ebay folgen. Auf deren Ankündigungen, den Schweizer Verein, der hinter der digitalen Währung steht, verlassen zu wollen, forderte Facebook Klarheit vonseiten der Regulierungsbehörden.
"Aus meiner Sicht wäre eine Verbotsstrategie bei Kryptowährungen zu kurz gesprungen, um global fungiblen Anwendungen und Produkten zu begegnen", erläuterte Wuermeling in Stuttgart. "Vielmehr müssen dafür regulatorische Strategien entwickelt werden, die dem weltumspannenden und dem Plattformcharakter solcher Konzepte gerecht werden." Seiner Ansicht nach müsse dies zum Beispiel innerhalb internationaler, interdisziplinärer Aufsichtsgremien geschehen.
IT-Altlasten und mangelndes Fachwissen behindern Banken
Insgesamt sei die digitale Disruption in Deutschland weniger dramatisch verlaufen als prophezeit. "Frontalangriffe durch neue Unternehmen sind die Ausnahme geblieben, im Großen und Ganzen ist das Verhältnis zwischen etablierten und neuen Unternehmen kooperativ oder auch komplementär", betont Wuermeling. "Fintechs haben in einigen Fällen Nischen gefunden und besetzt." Der Markt befinde sich aktuell in einer Konsolidierungsphase. Diese markiere nicht das Ende eines Hypes, sondern sei "ein ganz natürlicher Bestandteil von Innovationszyklen". Die größten Hindernisse innerhalb der Banken liegen in den IT-Altlasten, auf Traditionen basierenden Geschäftsmodellen sowie fehlendem Digital-Know-how der Mitarbeiter. "Das Thema ist bei allen präsent, aber die Ambitionen und Fortschritt sind recht unterschiedlich", fasst es der Bundesbanker zusammen.
Wettbewerb für Banken ändert sich
In der Regulatorikdebatte lasse sich die Bundesbank von drei Prinzipien leiten: Innovationsoffenheit, Technologieneutralität und Marktneutralität. Dabei sehe man drei zentrale Handlungsfelder. Die Beherrschung digitaler Risiken, die Gewährleistung eines Level-playing Field mit Nichtbanken sowie den Abbau regulatorischer Hindernisse für Digitalisierung.
Trotz eines sich wandelnden Wettbewerbsumfelds und möglichen Konfliktsituationen mit neuen Wettbewerber etwa durch die Implementierung der PSD2 und der erzwungenen Öffnung des Zugangs zu Kundenkonten bietet laut Wuermeling die Digitalisierung "riesige Potenziale" – sowohl volkswirtschaftlich, für die Banken und ihre Kunden, als auch für die Finanzstabilität. Dafür brauche es keine Makroperspektive.
Die Vorteile zeigten sich bereits im Kleinen, bei einzelnen Prozessen und Entscheidungen. Mit Hilfe von Algorithmen können Fehlerquellen in Entscheidungsprozessen besser kontrolliert werden. "Schließlich können digitale Tools Schwächen begegnen, die durch Voreingenommenheit, Biases oder als schlichte Fehler vom Menschen in die Finanzmärkte hineingetragen werden. Risiken für die Stabilität von Banken können so verringert werden", erläutert der Bundesbankvorstand. "Digitalisierung ist nicht etwas, was uns von außen aufgezwungen wird. Digitalisierung ist eine Gestaltungsaufgabe für uns alle, Finanzdienstleister, Gesetzgeber und Aufseher."