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07.05.2020 | Bank-IT | Interview | Online-Artikel

"Krise zeigt Lücken in der Automatisierung der Banken"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Boris Strucken

ist Leiter Innovationen im Bereich Banking beim IT- und Dienstleistungsunternehmen Fidelity Information Services (FIS). 

Im Zuge der Pandemie-Maßnahmen mussten auch Banken und Sparkassen Mitarbeiter ins Homeoffice schicken und dennoch schnell auf eine Flut von Kreditanträgen reagieren. Wie ihnen das gelungen ist, erläutert Bank-IT-Experte Boris Strucken im Gespräch.

Im Zuge der Corona-Krise sind Unternehmen gezwungen, sofern möglich, einen Großteil der Arbeit über Homeoffice zu steuern. Wie gut und wie schnell ist dies den Banken in Deutschland gelungen, gelten sie doch als eher wenig flexibel?

Tatsächlich ist die Notfall-Umstellung in der Breite erstaunlich gut gelungen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Regulatorik und bestehender IT-Legacy Probleme. Banken haben es geschafft, Prozesse schnell und reibungslos umzustellen und an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Die Übungen im Bereich des Business Continuity Management (BCM), welche die Aufsichtsbehörden aus anderen Gründen immer wieder angemahnt hatten, haben sich im aktuellen Ernstfall bewährt. Banken sind sehr bemüht, sich in der aktuellen Krise als Teil der Lösung zu bewähren. So haben es etwa die Großbanken sehr schnell geschafft, digitale Antragsstrecken für die Kreditvergabe bereitzuhalten.

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Welche technischen und prozessualen Hürden mussten die Institute dabei überwinden? Und wie viel Engagement verlangt das den Mitarbeitern und Führungskräften ab?

Für viele Stabsfunktionen von Banken ist Homeoffice nicht neu. Auch vor der Krise gab es hier also schon eine Basis. Ferner sollte es innerhalb der Organisationen feste Prozessabläufe für Notfälle geben. Etwa für den Fall, dass Gebäude nicht mehr für Mitarbeiter nutzbar sind. Diese Notfallpläne sind durch BCM Übungen auch präsent. Bankmitarbeiter wissen natürlich auch um die Bedeutung ihrer Arbeit für den Wirtschafts- und Kreditkreislauf und sind dieser Verantwortung in der Krise gerecht geworden. Natürlich gab es vereinzelt technische Probleme, wie sie wohl jeder Anwender schon einmal hatte. Diese konnten aber auch schnell gelöst werden.

Wie stellen die Geldhäuser in der aktuellen Situation die hohen Anforderungen an die Datensicherheit und Compliance in ihren Häusern sicher?

Das ist eigentlich Standard und unabhängig von der Krise. Hier kommen VPN-Lösungen zum Einsatz. Mitarbeiter kommen über einen geschützten Tunnel in die betriebseigenen Systeme. Die größte Gefahr geht vom Anwender selber aus, sofern dieser die Sicherheitsstandards des Unternehmens nicht einhält. Hier sind aber ebenfalls Schulungen zu den Gefahren die Regel.

Nun haben die Banken mit dem Hilfspaket der Bundesregierung eine Welle von Kreditanträgen zu bewältigen. Auch viele Anleger schichten ihre Portfolios um. Wie kommen die Institute damit zurecht, wenn viele Filialen geschlossen und die Middle- und Backoffice-Bereiche nur mit einer Rumpfmannschaft vor Ort besetzt sind?

Das ist in der Tat eine große Herausforderung. Auch weil jetzt Lücken in der Automatisierung zu Tage treten, aber auch die Systeme mehr Last als üblich bewältigen müssen. Das vierfache Transaktionsvolumen zum normalen Tagesdurchschnitt bringt Legacy-Systeme an die Belastungsgrenze. Banken und Teams kann man an dieser Stelle wirklich ein hervorragendes Zeugnis ausstellen. Viele Prozesse wurden manuell übernommen und erfolgreich gemeistert.

Welche Technologien kommen jetzt verstärkt zum Einsatz, die vorher nur wenig oder gar nicht genutzt wurden?

Wie in anderen Branchen auch haben Videokonferenzsysteme Hochkonjunktur. Vom heimischen Schreibtisch lassen sich auch so Teams effizient koordinieren. Insbesondere lässt sich aber auch der Mehrwert von modernen Cloud-Applikationen außerhalb des Firmennetzwerks beobachten. Institute mit modernen Kernbankprodukten sind in der Lage, schnell, sicher und günstig auf die Herausforderungen zu reagieren. Etwa indem man neue Lösungen über APIs zur Verfügung stellt. Hier denke ich etwa an die Kreditstrecke, die momentan besonders im Fokus steht.

Es ist davon auszugehen, dass die besondere Arbeitssituation noch eine Weile anhalten wird. Welche Lehren ziehen die deutschen Geldhäuser daraus, was ihre Arbeitsorganisation und das Management betrifft?

Noch ist bei den meisten Instituten nicht die Zeit gekommen, ein Fazit zu ziehen. Wir sehen einen abklingenden Notfall-Modus, der nun in Abwarten und das Hoffen auf mehr Normalität mündet. Die notwendigen Handlungsschritte wie stärkere und schnellere Digitalisierung, sowie die Legacy-Modernisierung sind strategische Themen, die nach der Krise wieder Schwung gewinnen werden. 

Was sind derzeit die wichtigsten Themen?

Aktuell dominiert noch die große Unsicherheit aller Marktteilnehmer, was sich auch in den ersten Quartalszahlen spiegelt. Mittelfristig wird man sich auf ein Szenario 'Pandemie' konkreter einstellen. In Ostasien ist dies ja schon nach dem SARS-Ausbruch auch geschehen. Remote Working wird langfristig als Option bestehen bleiben. Konzepte in puncto Cyber-Sicherheit, Aufrechterhaltung der operativen Prozesse und viele mehr werden Management und Mitarbeiter in Zukunft begleiten.

Welche langfristigen Folgen für die Prozesse innerhalb der Banken könnte die aktuelle Krise haben?

Der erwähnte Trend Richtung Automatisierung und cloud-basierter Systembausteine wird die nächste Dekade dominieren und Prozesse maßgeblich umkrempeln. Banken werden einfacher auf Ausnahmefälle und Änderungen reagieren können. Außerdem wird sich das Nutzerverhalten der Kunden noch rasanter ändern als von vielen antizipiert. Die Nutzung digitaler und mobiler Services hat – aus Mangel an Alternativen – zuletzt deutlich zugenommen. Die Filialen und Bankberater sind ja aus dem Spiel genommen. Die Customer Experience Journey wird eine wichtige Rolle spielen und digitale Kanäle nehmen an Bedeutung zu.

Alle tagesaktuellen Beiträge rund um die Corona-Krise finden Sie hier

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