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30.10.2013 | Bankausbildung | Interview | Online-Artikel

"Führen ohne Druck gelingt nicht ohne Vertrauen"

verfasst von: Eva-Susanne Krah

3:30 Min. Lesedauer

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Führen von Vertriebsmitarbeitern ohne klassische Zielvorgaben und Vergütungsanreize? Wie das funktioniert, erklärt Ernst Kronawitter, Vorstand der Raiffeisenbank Ichenhausen eG, im Interview mit BANKMAGAZIN.

BANKMAGAZIN: Herr Kronawitter, in Ihrem Springer-Buch "Führen ohne Druck" plädieren Sie für ein ungewöhnliches Führungs- und Vergütungskonzept, das Sie in Ihrer Bank umgesetzt haben. Worum geht es dabei genau?

Ernst Kronawitter: Die wichtigsten Fakten des Konzepts sind: Es gibt keine Einzel- oder Produktziele im Vertrieb, keinerlei variable Vergütungen, so wenig Kontrollen wie möglich und nur so viele wie gesetzlich und revisionstechnsich vorgesehen.

Sie stellen mit Blick auf herkömmliche Führungs- und Vergütungsstrukturen unter anderem die Frage, ob eine Bezahlung allein deswegen gerecht ist, weil sie sich an reinen Vertriebsleistungen orientiert. Wie muss der Bankensektor aus Ihrer Sicht künftig umdenken?

Die Antwort auf die Frage der Gerechtigkeit der Bezahlung habe ich auch in meinem Buch mehr oder weniger offen gelassen. Aus meiner Sicht ist absolute und objektive Gerechtigkeit bei keinem Vergütungssystem wirklich machbar. Gleichmacherei bei Fixgehältern kann unterschiedliche Arbeitsleistungen unberücksichtigt lassen; genauso wie variable, vertriebsabhängige Vergütungen nicht treffend die unterschiedlichen Marktverhältnisse berücksichtigen, in denen sich ein Vertriebsmitarbeiter bewegt. Ohnehin unterliegt die Angemessenheit von Gehältern in manchen Fällen einer konträren, subjektiven Sichtweise zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Auch hier steht mir ein Urteil, was der Bankensektor allgemein diesbezüglich verändern müsste, nicht zu. Allerdings verfolge ich interessiert informationen, wonach immer mehr Unternehmen bei einer variablen Vergütung auch weiche Faktoren, wie die Mitarbeiterzufriedenheit oder die Kundenzufriedenheit in die Berechnung einbinden.  

Wie haben die Mitarbeiter auf die Abschaffung der variablen Gehaltsanteile reagiert? Haben sie das Fixgehalt problemlos akzeptiert?

Die Abschaffung der variablen Vergütungen, in unserem Fall waren es direkte Provisionen, wurde im Jahre 2002 in einem Meeting mit den Vertriebsmitarbeitern einvernehmlich vereinbart. Natürlich war klar, dass die Mitarbeiter in irgendeiner Form Anspruch auf einen adäquaten finanziellen Ausgleich haben. Dieser Ausgleich bestand darin, dass die Mitarbeiter 80 Prozent aus dem Durchschnitt ihrer Provisionseinnahmen der letzten drei Jahre ab diesem Zeitpunkt als feste Zulage zum Gehalt erhielten. Dies war unabhängig von der individuellen Vertriebsleistung. Diese Regelung hat bis zum heutigen Tag in unserer Bank Bestand.  

Bekommen die Kunden etwas davon mit, dass Sie ein anderes Vertriebskonzept praktizieren und welche konkreten Auswirkungen hat dies auf das Beratungsgeschäft?

Einer der Hauptgründe für den Wegfall von Einzel- und Produktzielen, sowie finanzielle Anreize für Vertriebsmitarbeiter war letztlich, eine noch bedarfsgerechtere Kundenberatung sicherzustellen. Die Kunden spüren das im Gespräch mit dem Berater sehr wohl. Nachdem die Vertriebsmitarbeiter keinerlei Produktvorgaben für den jeweiligen Anlagebedarf haben, kann sich der Kunde das Produkt auswählen, bei dessen Kauf er sich wohl fühlt und das er auch versteht.

Ist das Rezept für den neuen Führungsansatz aus Ihrer Sicht aufgegangen, und wo sehen Sie eventuell weiteres Optimierungspotenzial?

Nachdem wir inzwischen mehr als elf Jahre Erfahrung gesammelt haben, können wir feststellen, dass unsere Strategie vollständig aufgegangen ist. Überdurchschnittlichen Marktanteilen in fast allen Geschäftsfeldern stehen eine extrem hohe, wissenschaftlich bestätigte Mitarbeiterzufriedenheit und Identifikation mit dem Unternehmen gegenüber. Dies bedeutet nicht, dass wir nicht immer wieder auf Optimierungspotenzial aufmerksam werden. Aus meiner Sicht sollte im Bankensektor allgemein, unabhängig von den angewendeten Führungsinstrumenten, darauf geachtet werden, dass der Druck, insbesondere für die Vertriebsmitarbeiter, nicht zu hoch wird. Ansonsten könnte es schwierig werden, einen sich demographisch anbahnenden Generationswechsel erfolgreich einzuleiten.  

Wird sich Ihr neuer Führungsansatz auf die Mitarbeiter im Vertrieb beschränken oder gibt es in anderen Abteilungen ein ähnliches Konzept?

Selbstverständlich praktizieren wir unsere Führungsphilosophie durchgängig im gesamten Unternehmen!

„Führen ohne Druck“ und „den Mitarbeitern Vertrauensvorschuss entgegenbringen“, das mag für den einen oder anderen etwas blauäugig klingen. Ist Führen wirklich so einfach?

Vertrauen ist der Anfang von Allem, dies gilt sowohl für das Privat- wie auch für das Geschäftsleben. Führen ohne Druck kann ohne gegenseitiges Vertrauen nicht gelingen. Als Führungskraft vertrauen sie den Mitarbeitern, dass sie auch ohne Zielvorgaben oder zusätzliche finanzielle Anreize ihr Bestes geben. Wenn eine Führungskraft seinen Mitarbeitern von vornherein misstraut, muss die Frage erlaubt sein, ob die richtigen Mitarbeiter eingestellt wurden. Denn Führen ohne Druck heißt nicht Kuscheln ohne Ende.

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