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12.09.2013 | Bankenaufsicht | Schwerpunkt | Online-Artikel

Top-Bankmanager lehnen einen unternehmerischen Sonderstatus von Kreditinstituten ab

3:30 Min. Lesedauer

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Namhafte Bankenvertreter befürworten mehr Haftungsübernahme durch Bank-Führungskräfte. Auch Banken müssten als Strafe für schlechtes Wirtschaften vom Markt verschwinden können. Springer-Autorin Dr. Irina Kummert kommentiert die Ergebnisse ihrer Dissertation.

Für die Mehrheit der Banker unter den Befragten wäre es unter ethischen Aspekten durchaus eine Alternative gewesen, marode Finanzinstitute nicht zu stützen. Das ergab eine wissenschaftliche Studie für meine Dissertation "Ethik und Moral am Kapitalmarkt", im Rahmen derer prominente professionelle Kapitalmarktakteure 2012 in Deutschland befragt wurden. Ein Bankvorstand bezeichnete es als „hochmoralisch, dass die Unternehmen, die gesellschaftlichen Wohlstand schaffen und damit eine positive Funktion in der Gesellschaft erfüllen, sich durchsetzen gegen diejenigen, die gesellschaftlichen Schaden anrichten. Das muss für jedes Unternehmen gelten. Auch für Banken.“.

Selbst für Experten ist nicht in der letzten Konsequenz vorhersagbar, welche systemischen Folgen es gehabt hätte, wenn analog zu einem Unternehmen wie Schlecker auch eine Großbank wie die Commerzbank AG der Insolvenz überlassen worden wäre – ein Konkurs lässt sich eben nicht vorab als Szenario abbilden. Erst recht nicht, wenn nicht alle Einflussgrößen transparent sind. Gleichwohl äußerten sich prominente Bankenvertreter eindeutig dahingehend, dass selbst ein nennenswerter volkswirtschaftlicher Schaden ein angemessener Preis dafür gewesen wäre, dass die Übernahme von unternehmerischer Verantwortung wieder stärker an das damit einher gehende Risiko des Scheiterns und an eine Haftung für Fehlentscheidungen gekoppelt wird.

Die Vorstellung, man hätte anders handeln können, hat einen gewissen Reiz: Wären die Rettungsschirme für Banken vielleicht sogar obsolet gewesen? Hätten wir möglicherweise jetzt schon das Gröbste hinter uns – und hätten nachfolgende Generationen nicht mit derart hohen Schulden belasten müssen? Hätte der entstandene Imageschaden für die Banken, das Kapitalmarktgeschäft insgesamt und letztlich auch für den Berufsstand der Banker vermieden werden können? Wenn es eine konsequente Reaktion auf unternehmerisches Missmanagement gegeben hätte, wären dann nicht auch die Rettungsschirme für Staaten zumindest auf den Prüfstand gekommen?

Lehman Pleite: "Das Beste, was uns passieren konnte"

Dass schwache Bankinstitute staatlich gestützt wurden, verstellt nach Meinung führender Bankenvertreter sowohl auf Seiten der professionellen Kapitalmarktakteure als auch der Anleger den Blick auf die Tatsache, dass hohe Renditen eben auch mit einem hohen Ausfallrisiko verbunden sind. Stringentes Handeln kann insofern durchaus einen reinigenden Effekt haben. In diesem Kontext bezeichnete ein Bankvorstand die Lehman-Insolvenz als „das Beste, was uns passieren konnte“. Dass Institute ohne ökonomischen und gesellschaftlichen Mehrwert zu Lasten derer, die gut gewirtschaftet haben, im Markt verbleiben, wurde im Rahmen der Studie teilweise sogar als ungerecht gegenüber den erfolgreichen Playern gewertet. Die Auffassung, dass Bankinstitute ohne tragfähiges Geschäftsmodell nicht auf Kosten der Allgemeinheit hätten weiter betrieben werden sollen, geht bei den Bankenvertretern einher mit einer klaren Positionierung gegen die Sozialisierung von Verlusten bei gleichzeitiger Individualisierung von Gewinnen.

Wenn es - wie im Fall des Gerichtsverfahrens gegen den Vorstand der HSH-Nordbank - darum geht, die handelnden Personen künftig mehr in die Pflicht zu nehmen, muss die grundsätzliche Frage gestellt werden, inwieweit in einer komplexen, global aufgestellten Branche wie dem Kapitalmarktgeschäft eine persönliche Verantwortung überhaupt noch zuordenbar ist und inwieweit das Fehlverhalten Einzelner angemessen ausgemacht und sanktioniert werden kann. Insofern ist die Reduzierung von Komplexität sowohl auf der Makroebene hinsichtlich der Systemrelevanz einer Bank als auch auf der Mikroebene bezogen auf Geschäftsfelder und Entscheidungsprozesse in einem Bankinstitut ein entscheidendes Thema der Zukunft. Hier könnte sich die wissenschaftliche Forschung noch intensiver einbringen, indem sie Szenarien von Bankeninsolvenzen testet, um belastbare Aussagen über globalwirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen zu erhalten. Auf diese Art und Weise könnten angstgetriebene, politische Entscheidungen zugunsten von Rettungsschirmen für Banken vermieden werden.

Zur Person
Dr. Irina Kummert ist Präsidentin des Ethikverbands der Deutschen Wirtschaft e.V. und geschäftsführende Gesellschafterin der IKP Executive Search GmbH.

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