Die Finanzindustrie warnt vor den Folgen der Niedrigzinspolitik für Sparer. Aber das Zinsumfeld stellt auch Kreditinstitute, Bausparkassen und Versicherer selbst vor Probleme.
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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat vergangene Woche den Leitzins auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt. Was das Niedrigzinsumfeld für Finanzdienstleister und vor allem für Sparer bedeutet.
„Ohne die Aussicht auf baldige Rückkehr zu einem marktgerechten Zinsniveau schaffen wir ein riesiges Folgeproblem: erhebliche Lücken in der Altersvorsorge der künftigen Rentner.“ Dies gab Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), auf dessen Website bereits im Mai 2013 zu Protokoll, als die EZB ihre Leitzinsen auf 0,5 Prozent gesenkt hat.
Das Statement klingt vertraut. Auch der Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) sorgte angesichts der nun erneuten Leitzinssenkung um die Sparer. Der Verband sieht es kritisch, "dass das beispiellos niedrige Zinsniveau die Sparguthaben in Deutschland und im Euroraum weiter erheblich entwerten und die Gefahr von Blasenbildungen noch einmal erhöhen wird".
"Große Koalition für Sparer"
Der GDV ist neben dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) eine Stimme der „Großen Koalition für Sparer“, die im Vorfeld der EZB-Zinsentscheidung im Mai 2013 vor Nebenwirkungen einer weiteren Zinssenkung gewarnt hatte: „Eine erneute Zinssenkung wäre ein falsches Signal für Sparer und alle, die für das Alter vorsorgen. Jeder Zinsschritt nach unten lässt die Sparguthaben schmelzen. Sinkende Zinsen bedeuten einen sinkenden Anreiz für das Sparen und Vorsorgen. Dabei müssen die Menschen heute mehr als bisher vorsorgen, um ihren Lebensstandard im Alter zu sichern.“ Schon jetzt komme das billige Geld nicht bei Unternehmen an, wird DSGV-Präsident Georg Fahrenschon zitiert. BVR-Chef Uwe Fröhlich sieht die Finanzstabilität gefährdet, da die Niedrigzinsen Investitionen begünstigten, die auf Dauer nicht wirtschaftlich tragfähig seien.
Niedrigzinsumfeld zwingt Kreditinstitute zum Sparen
Freilich betrachten Finanzdienstleister das Niedrigzinsumfeld nicht nur im Namen ihrer Kunden, sondern auch in eigener Sache mit Sorge. Täglich, erklärte Dominik Schlarmann von der Sparda-Bank West im Herbst 2012 gegenüber den Bankmagazin-Autorinnen Anja Kühner und Anita Mosch im Artikel "Die Welt im Zinskeller", stünden Gespräche mit seinen Vorstandskollegen über die Konditionen im Bereich der Baufinanzierungen auf der Agenda. Und auch, wenn es laut Michaela Roth vom DSGV zum Bankgeschäft dazugehört, Niedrigzinsphasen durchzustehen, ist das aktuelle Umfeld für Finanzinstitute eine Herausforderung. „Deshalb müssen die Banken sowohl auf der Erlösseite wie auch auf der Kostenseite Ertrags- bzw. Einsparpotenziale identifizieren“, gab Horst Kessel, Vorstandsmitglied des Genossenschaftsverbands, den Autorinnen mit auf den Weg.
Das Niedrigzinsumfeld bringt insbesondere auch Bausparkassen in die Bredouille. Einige der Häuser mussten sich Ende 2012 von Stiftung Warentest den Vorwurf machen lassen, „Kunden aus gut verzinsten Verträgen herauszudrängen“. Interessant ist, dass der der Fonds zur bauspartechnischen Absicherung (FbtA) 1991 mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, die Liquidität im Bausparkollektiv für die Zuteilung von Darlehen zu sichern. „Damit wurden die Konsequenzen aus den Liquiditäts- und Zuteilungsengpassen bei deutschen Bausparkassen während der frühen Achtziger Jahre gezogen. Diese Probleme waren auf das damals sehr hohe Zinsniveau zurückzuführen“, schrieb Jürgen Steffan, Finanzvorstand der Wüstenrot Bausparkasse, gemeinsam mit zwei weiteren Autoren. Neben dem Liquiditätsrisiko in Hochzinsphasen stellten auch Niedrigzinsphasen „ein für das Geschäftsmodell der Bausparkasse wahrscheinlich ebenso hohes Zinsänderungsrisiko dar“.
Reiche Versicherer? Von wegen
Auch die Versicherer haben ihr Päckchen zu tragen. Uwe Schmidt-Kasparek, Autor des Versicherungsmagazins, erklärt, dass das „politisch gewollte, künstliche Niedrigzinsumfeld“ dazu geführt hat, dass die Bewertungsreserven festverzinslicher Anlagen extrem angestiegen sind. Das lasse die Versicherer reich aussehen, bestätigte ihm ein Experte. Die Versicherungsgesellschaften wären aber nur auf dem Papier reich: Sinken die Kapitalmarktzinsen, steigen die Marktwerte der festverzinslichen Anlagen über den Buchwert. Bei niedrigen Zinsen ist nämlich ein höherer Anlagebetrag notwendig, um den gleichen Ertrag zu erzielen. Das Problem: "Nach aktueller Rechtslage müssen Kunden mit 50 Prozent an allen Bewertungsreserven beteiligt werden."
Anmerkung: Der Beitrag wurde ursprünglich am 08.05.2013 veröffentlicht. Am 11.11.2013 haben wir den Artikel erweitert und aktualisiert.
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