Mitte 2018 soll eine Entscheidung zur Bankenunion fallen.
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Während die Politiker in Berlin noch an einer zukünftigen Bundesregierung basteln, erhöht die EU-Kommission den Druck in Sachen europaweit einheitliche Einlagensicherung, die eine von drei Säulen der geplanten Bankenunion sein soll. Die zwei anderen Stützpfeiler sind die Bankenaufsicht und die Bankenabwicklung. Eine gewisse Eile ist angebracht. Schließlich wollen die EU-Regierungschefs endgültige Entscheidungen über eine Reform der Währungsunion auf ihrem Gipfel Mitte 2018 treffen.
Die Weichen dafür sollten noch 2017 auf dem Euro-Gipfel am 15. Dezember gestellt werden, an dem unter anderem zur Bankenunion beraten wurde. Doch bisher bremst vor allem Deutschland. Zuletzt hatte der Bundesrat am 24. November 2017 "erhebliche Bedenken" gegen einen neuen Vorschlag der EU-Kommission geäußert.
Abbau von Risiken als Bedingung
Am 11. Oktober 2017 hatte die Brüsseler Behörde dazu aufgerufen, die Bankenunion endlich zu vollenden. Zentraler Streitpunkt ist die europäische Einlagensicherung (European Deposit Insurance Scheme, EDIS), welche die EU-Kommission für notwendig hält, insbesondere die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland jedoch verhindern wollen. Um wieder Bewegung in die seit November 2015 festgefahrenen Verhandlungen zu bringen, schlägt die EU-Kommission jetzt die Einführung des EDIS in zwei Stufen vor. Und zwar mit einer Rückversicherungsphase, die in einer zweiten Stufe in eine Mitversicherung mündet. Der Übergang soll an die Bedingung geknüpft werden, "dass bei der Verringerung der Risiken Fortschritte erzielt wurden." Konkret: In der ersten Phase würde das EDIS Liquiditätshilfen beisteuern, welche die nationalen Einlagensicherungssysteme zurückzahlen müssen. Erst in der Mitversicherungsstufe würde das EDIS auch Verluste decken. Zuvor müssten zahlreiche Banken notleidende Kredite in ihren Bilanzen abbauen.
„Vergemeinschaftung der falsche Weg“
Der Vorschlag stößt bei der Deutschen Kreditwirtschaft auf Ablehnung. Der Diskussionsbeitrag der EU-Kommission stelle "nur einen marginalen Fortschritt dar", heißt es in einer Mitteilung der Interessenvertretung der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände Deutschlands (DK). Unverändert solle in einer nicht weiter spezifizierten finalen Stufe EDIS sämtliche Verluste der Einlagensicherungssysteme tragen. "Die Kommission verfolgt also unverändert ihr Ziel, die Einlagensicherung vollständig zu vergemeinschaften, was aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft weiterhin der falsche Weg ist."
Immerhin aber messe Brüssel einer vorhergehenden Risikoreduzierung im Bankensektor inzwischen mehr Gewicht bei, schreibt die Deutsche Kreditwirtschaft. Und weiter: "Etwaige Maßnahmen hierzu müssten jedoch bereits vor dem Start der ersten Stufe von EDIS umgesetzt sein und nicht erst vor dem Übergang in eine eventuelle zweite Phase." Vor diesem Hintergrund bleibe die Gefahr bestehen, "dass in Europa kein Anreiz entsteht, die nationalen Einlagensicherungssysteme eigenverantwortlich auszugestalten. Angesichts der noch immer sehr unterschiedlichen Risiken in den einzelnen Bankensystemen würde mit EDIS de facto ein neuer Transfermechanismus zwischen den nationalen Sicherungssystemen der Eurozone geschaffen, bei dem die Haftung jedes Kreditinstituts in der gesamten Eurozone grundsätzlich unbegrenzt wäre."
Hier schwingt eine Frage mit, die der Ökonom Roland Vaubel in seinem Buch-Kapital "Neues aus der Haftungsunion" aufwirft und beantwortet: "Soll Deutschland für die Fehler mithaften, die in anderen Mitgliedstaaten begangen werden?" Vaubel meint nein. Er lehnt eine europäische Einlagensicherung ab. Noch erwähnt werden soll, dass zum Beispiel auch der Österreichische Sparkassenverband und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gegen EDIS sind, vor allem, wenn zuvor nicht die hohen Risiken in den Bilanzen zahlreicher Finanzinstitute abgebaut werden.
921 Milliarden Euro faule Kredite
Wie hoch die Risiken sind, hat Anfang November 2017 der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresbericht 2017/2018 hervorgehoben und kritisiert. Ein rascher Abbau der notleidenden Kredite sei "ein Schlüssel zur Beendigung der Krise und zugleich eine Voraussetzung für ein funktionierendes Abwicklungsregime." Die nachfolgende Grafik (Quelle: Sachverständigenrat) zeigt den Anteil notleidender Kredite in den europäischen Ländern in Prozent der Bruttoausleihungen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) beziffert in ihrem ebenfalls kürzlich veröffentlichten Bericht zur Finanzstabilität das Volumen an faulen Ausleihungen auf 921 Milliarden Euro – das sind 6,1 Prozent des gesamten Kreditbestandes. Der Prozentsatz ist gar nicht so hoch. Hier muss man freilich bedenken, dass sich die Risiken im Verhältnis zu den jeweiligen Bruttoausleihungen auf wenige Euro-Länder konzentrieren.
Funktionierenden Markt schaffen
In der gleichen Publikation schlägt die EZB die Einführung von Handelsplattformen für eben diese Non-Performing Loans (NPL) vor. Fehlende Transparenz über NPL verhindere einen funktionierenden Markt für den Verkauf dieser Kredite. Ein elektronisches System könnte
- entsprechende Daten anbieten,
- die Prüfkosten senken,
- den Handel erleichtern und so mehr Investoren anlocken.
Aktuell kauften nur wenige Akteure kritische Kreditbestände auf, so dass sich hier dann ebenfalls die Risiken ballen könnten. Tatsächlich könnten solche Plattformen dazu beitragen, die von der EU-Kommission nun ebenfalls akzeptierte Verringerung der Risiken in Gang zu bringen, und zwar bevor EDIS installiert ist. Hier eine Lösung zu finden ist schwer genug. Denn letztlich basiert die Finanz-, Schulden- und Bankenkrise auf die Verknüpfung von Banken und Staaten, dessen Ausdruck die Nullgewichtung und damit Null-Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen in Bankbilanzen ist. Dieser Nexus war und ist politisch gewollt. Er blockiert die Vollendung der Bankenunion, beziehungsweise droht – bei Vollendung der Bankenunion – zu ihrem Sprengsatz zu werden, wie Springer-Autor Falk Illing im Kapitel "Schritte zur Bankenunion ab 2013" darstellt.