In der Corona-Krise spielen klassische Banken für Unternehmen eine zentrale Rolle. Dennoch drohen sie auf lange Sicht auch in diesem Geschäft gegen digitale Wettbewerber zu verlieren, meint Gastautor Christoph Bornschein.
Aktuell agieren die etablierten Banken als Helfer in der Krise. Doch langfristig müssen sie die branchenfremde Konkurrenz fürchten, die etwa mit alternativen Finanzierungen um die Gunst von Mittelständlern buhlt.
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Wenn offline keine Option ist, dann funktioniert online eben plötzlich doch: Weil die Filialen seit Wochen geschlossen bleiben, weichen selbst sonst skeptische Kunden auf ihr Online-Konto aus, greifen zur Kreditkarte oder versuchen sich gar an Bezahl-Apps. Die Banken lernen den digitalen Raum ihrerseits schätzen und bemühen sich etwa, neue Anlaufstellen für digitale Erstkunden zu schaffen. Optimismus hinsichtlich dauerhaft transformierender Businessmodelle ist dennoch fehl am Platz. Deutschlands Banken werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch nach Corona ihr Bestes tun, um die Digitalisierung zu verschlafen.
Den falschen Wettbewerb beobachtet
Das Bankgeschäft der Zukunft gerät mehr und mehr in die Hand von Nichtbanken. Dass es so weit gekommen ist, liegt auch am Selbstverständnis der Kreditinstitute. Zu lange haben sie sich selbst als alternativlos betrachtet. Ein Zahlungsdienstleister wie Adyen wurde erst als relevanter Wettbewerber wahrgenommen, als der Zehn-Milliarden-Dollar-IPO über die Bühne war. Während Banken auf Wettbewerber der alten Welt schielten, stiegen neuen Sterne am Finanzhimmel auf. Plattformen wie Interhyp und Check24 sind heute die ersten Anlaufstellen für Kunden, die Kredite und Baufinanzierung vergleichen wollen. Gleichzeitig laufen Finanzierungen über Klarna und Mollie.
Nun stecken Institute panisch Energie und Geld in den Versuch, zumindest auf Augenhöhe zu bleiben, wenn sie schon nicht mehr die Regeln definieren. Sie täten allerdings besser daran, auf mehr als den Status Quo zu reagieren. Denn längst gibt es auf dem Markt für Firmenkunden ähnliche Entwicklungen wie auf dem zuletzt bereits verlorenen Schauplatz der Privatkunden. Die Institute laufen einmal mehr Gefahr, genau den Moment zu verpassen, in dem das eigentliche Feld absteckt wird.
Längst spielen neue Player mit, die zwar aus einer anderen Sparte kommen, das Geschäft mit Krediten und Finanzierungen aber im Zweifel ausgezeichnet verstehen oder gar weiterentwickeln. Großhändler etwa experimentieren mit eigenen Mikrokrediten für Restaurants. Die Gaststätten finanzieren damit ihren Warenbestand vor, füllen liquiditätssparend die Regale – und benötigen keine Zwischenfinanzierungen mehr. Die Händler greifen so Margen von Krediten ab, die Restaurants sonst bei Banken aufnehmen würden. Die neuen Akteure am Markt verfügen zudem über tiefgängigere Daten für einzelne Industrien und werden für diese damit perspektivisch relevanter als die Hausbank.
Abo-Modelle für Industriemaschinen machen Kauffinanzierung obsolet
Gerade erleben wir auch im Mittelstand eine Entwicklung, die ein weiteres Kerngeschäft der Banken über kurz oder lang bedrohen wird. Maschinenbauer gehen dazu über, nicht mehr einfach nur Anlagen zu bauen, die dann verkauft werden und aus der eigenen Bilanz verschwinden. Stattdessen schaffen sie um ihre Maschinen einen Komplettservice, bei dem die Kunden gegen eine Abogebühr Maschine, Wartung und nötige Upgrades erhalten, ähnlich, wie wir es heute mit Mobiltelefonen im Privatbereich kennen. Die ehemalige Leistung einer industriellen Kauffinanzierung entfällt, potenzielle Margen streicht der Hersteller ein.
Die Digitalisierung beschleunigt diese Entwicklung weiter: Maschinenbetreiber, die in ihre Anlagen auch gleich Sensoren integrieren, können Ausfallrisiken deutlich besser kalkulieren als eine Bank oder ein Versicherer aus der Ferne und auf Basis von allgemeinen Statistiken.
Alternative Finanzierungen sind keine Einbahnstraße
Wie jede Entwicklung hat jedoch auch die aktuelle zwei Seiten, denn eine branchenfremde Übernahme funktioniert immer in zwei Richtungen. Wenn die Kunden nicht mehr in die Bank kommen, spricht nichts dagegen, dass Banken ihr sprichwörtliches Kassenhäuschen direkt im Unternehmen aufstellen.
Finanzdienstleister, die in der Lage sind, Lohnabrechnungen via Software direkt ins Firmenkonto zu integrieren, haben die Chance, einen echten Lock-in-Effekt zu erzielen und Geschäftskunden zu binden. Als Finanzdienstleister könnte man beispielsweise die Stundenerfassung und Abrechnungsaufwände lösen:
- Forderungen übernehmen,
- Geld überweisen und
- bei den Schuldnern eintreiben.
Die Institute würden gut daran tun, jetzt zu reagieren und Arbeitsgruppen zu bilden, die sich mit der Entwicklung innovativer Produkte im Firmenkundengeschäft beschäftigen. Vielleicht lohnt sich auch eine Einkaufstour: Ergänzungen wie Zeiterfassungssysteme, die direkt ins Konto integriert sind, müssen schließlich nicht zwangsläufig selbst entwickelt werden.
Kippende Bastionen oder verwandelte Bälle?
Am Ende bleibt die zentrale Pille aber eine bittere: In transaktionalen Prozessen braucht niemand eine Bank. Es wird künftig vor allem darum gehen, die richtige Software zur richtigen Dienstleistung bereitzustellen. Der Akteur mit den besseren Daten, der tiefer integriert ist und schneller rechnen kann, wird bisherige Bastionen wie Immobilienfinanzierung kippen und zu einem One-Click-Geschäft werden lassen, bei dem Banken außen vor bleiben.
Alle Überlegungen beinhalten dabei Chancen und Gefahren zugleich - je nachdem, wie die Entscheider in Banken nun reagieren. Corona jedenfalls bietet auf vielerlei Ebenen Gelegenheiten, Sicherheiten und Chancenreichtum des digitalen Raums zu erkunden.